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Klima-Aktivisten, die sich ein "wachsames" Auge auf die Handfläche gemalt haben, protestieren in Madrid.

© dpa/Manu Fernandez

„Die Regierungen haben es vermasselt“: Internationale Klimakonferenz droht zu scheitern

Während Mexiko, die EU und Grenada mit scharfen Worten mehr Klimaschutz fordern, wollen andere genau das Gegenteil. Die Staaten ringen in Madrid um eine Einigung.

Mit dem höflichen Ton der Diplomatie ist es am Samstagmorgen in Madrid vorbei. Die internationale Klimaschutzkonferenz droht zu scheitern. „Wir werden bei dieser Konferenz scheitern, wenn wir uns nicht um mehr Ehrgeiz beim Klimaschutz bemühen und das auch in die Abschlusserklärung schreiben“, erklärt die Vertreterin Mexikos mit ernstem Gesicht.

Zuvor hat der Vertreter der Europäischen Union ins Mikrofon gesprochen: „Für uns ist es unmöglich, die Klimakonferenz zu verlassen, ohne dass wir uns auf eine Sprache des Ehrgeizes geeinigt haben.“ Ein Sprecher des Umweltministeriums teilt über Twitter mit, dass die Europäische Union und damit auch das Umweltministerium die aktuellen Entwürfe nicht mittragen.

Das ist ungewöhnlich deutlich auf dem diplomatischen Parkett. Der Vertreter des Karibikstaates Grenada legt im Plenum sogar noch eine Schippe drauf: „Aus den Entwürfen des Abschlusstextes sind alle für uns wichtigen Stellen entfernt worden.“

Die Klimadiplomaten aus aller Welt haben sich im Madrider Konferenzzentrum im großen Plenumssaal versammelt. Vor vielen Stunden hätte in diesem Saal eigentlich der Hammer fallen sollen, um die Abschlusserklärung zu beschließen. Diese Erklärung hätte Regeln beinhaltet, die sich 197 Staaten geben, um das Ziel aus dem Pariser Klimaabkommen umsetzen zu können. 2015 hatte sich die Staatengemeinschaft darauf geeinigt, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad zu begrenzen – besser noch auf 1,5 Grad.

Krisentreffen der Unterhändler

Doch statt mit einem Hammerschlag das Ende der Konferenz zu verkünden, hat die Präsidentin der 25. Weltklimakonferenz, die chilenische Umweltministerin Carolina Schmidt, die Unterhändler zum Krisentreffen einbestellt. Die Staatenvertreter dürfen sich kurz zum Stand der Verhandlungen äußern. Während Mexiko, die Europäische Union und Grenada mit scharfen Worten mehr Ehrgeiz beim Klimaschutz fordern, wollen andere Staaten das genaue Gegenteil.

„Wir alle haben doch Dinge, mit denen wir nicht zufrieden sind“, sagt der Vertreter Saudi-Arabien. Das Land gilt als eines, dass sehr darauf gedrungen hat, dass der Verweis auf die Menschenrechte nicht direkt im Abschlussdokument auftaucht. Auch will Saudi-Arabien in Madrid gar nicht über mehr Klimaschutz-Ehrgeiz reden.

Der Vertreter Chinas macht darauf aufmerksam, dass die Industriestaaten ihren Klimaverpflichtungen aus dem Kyoto-Protokoll dringend noch nachkommen müssten. Als alle Staaten ihre Reden gehalten haben, nimmt die chilenische Umweltministerin Schmidt, die als Präsidentin der Weltklimakonferenz vorne auf dem Podium sitzt, ihre markante rote Brille von der Nase. Die Sorgenfalten haben sich tief in ihr Gesicht gegraben.

Kurze Pause: Eine Teilnehmerin liegt bei der Klimakonferenz in Madrid auf dem Boden
Kurze Pause: Eine Teilnehmerin liegt bei der Klimakonferenz in Madrid auf dem Boden

© AFP/Christina Quicler

Schmidt wurde ganz überraschend Präsidentin, eigentlich war Brasilien als Gastgeberland vorgesehen. Als Chile einsprang, machte Schmidt deutlich, dass sie sich für mehr Ehrgeiz beim Klimaschutz einsetzen wolle. Nun ist die Situation selbst für sie, die als knallharte Managerin gilt, sehr vertrackt. Unterstützung bekommt sie nun von der spanischen Umweltministerin Teresa Ribera, die als heimliche Präsidentin der Konferenz gehandelt wird. Laut Beobachtern arbeiten die beiden derzeit sehr eng zusammen.

Die Chilenin Schmidt nehme die Aussagen zur Kenntnis, sagt Schmidt, setzt sich die Brille wieder auf die Nase und schickt die Diplomaten zurück in die Verhandlungen. Es muss jetzt weiter an den Texten gearbeitet werden. Sonst droht diese Klimakonferenz zu scheitern. So ein Desaster hat es mal in Kopenhagen gegeben – das war 2009.

Niemand hier will der Öffentlichkeit erklären müssen, dass man sich nicht hat einigen können. Zumal die Klimakonferenz in Madrid wie keine zuvor von lauten Protesten wütender Jugendlicher begleitet wurde. Die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg hat in Madrid sogar mehrfach gesprochen und war sogar ungewöhnlich optimistisch. Sie ist schon abgereist, aber positive Worte dürften ihr mittlerweile schwerfallen.

„Vollkommen inakzeptabel“

Die Vertreter internationaler Umweltorganisationen jedenfalls finden drastische Worte: „Die Regierungen haben es vermasselt“, sagt Mohamed Adow von Power Shift Africa. „Vollkommen inakzeptabel“ nennt der berühmte US-Wissenschaftler Alden Meyer die Zwischenergebnisse. „Komplettversagen“, kommentiert Harjeet Singh von ActionAid International.

Seit zwei Wochen verhandeln die Staaten nun schon über die Regeln, mit denen sie das Pariser Klimaabkommen umsetzen wollen. Immer noch geht es um jene Fragen, die von Beginn an diskutiert wurden: Etwa die Emissionsminderungen zwischen Staaten. Das Thema ist wahnsinnig komplex, die Möglichkeit für Schlupflöcher riesig und einzelne Wörter oder ihr Fehlen können die Klimaschutzwirkung einer solchen Emissionsverrechnung mindern.

Ein anderes Thema ist die feste Zusage der Staatengemeinschaft, nächstes Jahr höhere Klimaziele einzureichen. So ist es im Pariser Klimaabkommen vorgesehen. Es ist wichtig, dass die Staaten dies in Madrid bekräftigen. Am Samstagnachmittag tritt ein sehr müder Vertreter der chilenischen Präsidentschaft vor die Kameras.

Carolina Schmidts Vertreter Andrés Landerretche versucht weiterhin, Optimismus zu verbreiten. Man arbeite daran, dass es heute noch eine Einigung gebe. Und wenn nicht? „Daran wollen wir jetzt noch nicht denken“, sagt er.

Am frühen Samstagabend erzählen sich die Teilnehmer auf den Gängen der Klimakonferenz, dass es in ein paar Stunden neue Texte geben soll. Die Hoffnung ist groß, dass sie für den mehr Klimaschutz hergeben. Das Abschlussplenum ist nun auf 20 Uhr am Samstagabend angesetzt. Aber das heißt nichts. Es kann sich noch Stunden ziehen.

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