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Gregor Gysi und die sieben Geißlein

© Die Linke

Linker Bundestagswahlkampf: Die Rückkehr des Kollektivs

Die Linkspartei hat sich auf Gregor Gysi als Solo-Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl nicht einigen können. Nun hat sie ein Team mit acht Bewerbern.

Von Matthias Meisner

Sogar eine Trotzkistin ist dabei. Nicole Gohlke, schon gehört? Die Münchener Bundestagsabgeordnete, Aktivistin des Netzwerkes Marx 21, ist nun Spitzenkandidatin der Linken für die Bundestagswahl. Eine von acht genau genommen, denn die Partei konnte sich weder auf ihren prominenten Anführer Gregor Gysi als Solo-Kandidaten einigen noch auf ein Spitzenduo aus Gysi und der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Sahra Wagenknecht. Auch Letztere verschafft der Linken regelmäßig Aufmerksamkeit, auch wenn sich das nicht immer gleich in Stimmen niederschlägt, wie die Niedersachsen-Wahl gerade gezeigt hat.

Damit das bittere Wahlergebnis möglichst rasch vergessen wird, hat der Parteivorstand am Montag die Frage der Spitzenkandidatur geklärt. Bei zwei Gegenstimmen und vier Enthaltungen einigte sich das Gremium auf ein Team. „Acht Köpfe für einen Politikwechsel“, wie Parteichefin Katja Kipping sagte. Sie selbst wird nicht dabei sein. Und ihr Co-Chef Bernd Riexinger auch nicht – der tritt bei der Bundestagswahl gar nicht an. Gysi, dessen Anhänger ihn ursprünglich als alleinigen Spitzenkandidaten durchsetzen wollten, versicherte, es handele sich um eine „gute Lösung“. Er fügte hinzu: „Das spiegelt eigentlich auch unsere Stärke wider.“ Wieso er das nur „eigentlich“ findet, blieb offen.

„Wir haben bewusst betont, dass es sich um ein Team handelt“, sagte Riexinger. Kipping sprach von einem neuen Führungsstil. Funktionäre haben jedoch Bedenken gegen den Kompromiss. Der Berliner Landesvorsitzende Klaus Lederer meint, innerparteiliche Beruhigung könnte wichtiger sein als politische Aussagen. Der ostdeutsche Reformer Dietmar Bartsch, der sich kürzlich noch ähnlich geäußert hatte, ließ sich dennoch einbinden in das geschlechterquotierte Oktett. Er steht nicht nur für Ostdeutschland, sondern auch für den Reformerflügel der Partei, ebenso wie die brandenburgische Abgeordnete und dortige Spitzenkandidatin Diana Golze.

Dass der glücklose Ex-Parteichef Klaus Ernst in die Gruppe geholt wurde, darf als Geste der Versöhnung gelten. Komplettiert wird das Team mit den beiden stellvertretenden Parteivorsitzenden Caren Lay aus Sachsen und Jan van Aken aus Hamburg. „Leider alles Bundestagsabgeordnete“, gab Gysi zu. Aber so ist das nun mal, wenn die Zahl der Linken-Mandate im nächsten Bundestag voraussichtlich geringer sein wird als 2009. Damals holte die Partei 11,9 Prozent.

Zumindest einige der acht Spitzenkandidaten sind ernannt worden, ohne dass die Basis in ihrem Heimatbundesland sie überhaupt nominiert hat für die Wahl 2013. Kipping sagte, um regionale Herkunft sei es bei der Auswahl der acht Kandidaten nicht gegangen, wohl aber um die verschiedenen „Traditionslinien der Partei“ sowie um Jung und Alt. Andere lästerten über das „Konstrukt“. Sie hatten dafür schon einen Namen: Gysi und die sieben Geißlein. Riexinger trug bei der Präsentation am Montag die Namen der Teammitglieder streng nach Alphabet vor. Nur für Gysi und Wagenknecht machte er eine Ausnahme – sie kamen zuerst dran. Den Gedanken, die beiden könnten deshalb eine Sonderrolle im Team spielen, wiesen die Parteivorsitzenden strikt zurück. Erst recht dementierten sie, dass eine Vorentscheidung zur künftigen Fraktionsführung beabsichtigt sei. Darüber, so hieß es, werde erst nach der Bundestagswahl entschieden.

Gysi wäre nicht Gysi, hätte er sich nicht am Montag doch gleich zum Wortführer gemacht. Zur These von SPD-Chef Sigmar Gabriel, der aus Niedersachsen den Schluss zog, dass Stimmen für die Linke „verlorene Stimmen“ seien, entgegnete Gysi: „Gabriel kann nicht rechnen.“ Wenn sich der SPD-Vorsitzende darauf konzentriere, die Linke zu schwächen, werde er Union und FDP niemals besiegen können. Seine Partei bleibe offen für ein Linksbündnis auch im Bund, aber: „Wir machen jetzt keinen Koalitionswahlkampf.“

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