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Seht her, ich kann auch Gemeinsinn: Vizekanzler Olaf Scholz mit Maske und Botschaft

© dpa/Kay Nietfeld

Olaf Scholz ist Kanzlerkandidat: Die SPD hat die bestmögliche Entscheidung getroffen

Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans springen bei Olaf Scholz über ihren Schatten. Das ist klug. Allerdings gibt es jetzt auch ein Problem. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Hans Monath

An einem der heißesten Tage des Jahres hat die SPD die Republik völlig überrascht und den Wahlkampf für die Bundestagswahl 2021 eröffnet. Olaf Scholz, das haben die SPD-Spitzengremien einstimmig entschieden, soll als Kanzlerkandidat die gebeutelte Partei nach vorne bringen.

Für seine Wahl spricht, dass der Hamburger in Umfragen unter allen sozialdemokratischen Politikern die höchste Zustimmung genießt. Viele Deutsche vertrauen dem Finanzminister, der zuletzt im Kampf gegen die Corona-Pandemie gezeigt hat, dass er auch in Zeiten der Krise richtige Entscheidungen trifft.

Dabei schien die politische Karriere des Vizekanzlers vor einem Dreivierteljahr am Ende: Im Mitgliederentscheid um den Parteivorsitz schlugen die damalige Hinterbänklerin Saskia Esken und  Ex-Landesfinanzminister Norbert Walter-Borjans den prominenten Konkurrenten Scholz und dessen Mitstreiterin Klara Geywitz. Der, so lautete ihre Botschaft, schade der Partei mit seiner angeblich zu kompromissorientierten Politik. Gedemütigt, aber pflichtbewusst machte Scholz weiter.

Esken und Walter-Borjans zeigen nun politische Größe, wenn sie aus Einsicht in die Notwendigkeit den besten Mann nach vorne stellen, obwohl sie dem im vergangenen Jahr noch ihr Misstrauen ausgesprochen hatten.

Dass die Parteichefs und den künftigen Spitzenkandidaten weiter Welten trennen, machten beide Vorsitzenden am Wochenende deutlich, als sie wieder ein Linksbündnis mit SPD-Beteiligung im Bund ins Gespräch brachten – und notfalls auch als Juniorpartner mit stärkeren Grünen regieren wollen.

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Die größte Gefahr für die Kandidatur von Olaf Scholz besteht darin, dass seine Partei ihm nun ein Wahlprogramm verpasst, dass nicht zu seiner Person passt. Das war schon bei Kandidaten Peer Steinbrück schief gegangen.

Die Sozialdemokratie steht in Wirklichkeit vor der Aufgabe, sich dem Kandidaten anzupassen, sich seinem Anspruch auf Führung zu beugen, seiner Verteidigung des starken Staates in Sicherheitsfragen und seiner Seriosität das Wort zu reden. Gibt sie aber der Versuchung nach, ihn in ein enges linkes Korsett zu zwingen, macht sie alle Hoffnungen auf einen Zuwachs an Stimmen zunichte.

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Scholz und die SPD haben nun Zeit, die politischen Konkurrenten sind schlechter aufgestellt.

Wenn die Deutschen nach dem CDU-Parteitag im Dezember nicht nur wissen, sondern auch spüren, dass Angela Merkel im kommenden Jahr wirklich abtritt, bietet sich Olaf Scholz und der SPD eine einmalige Chance: Der Vizekanzler kann sich dann als der bessere, überzeugendere Nachfolger der Dauerkanzlerin empfehlen nach dem Motto: Ich garantiere weiter jene Sicherheit, die euch bisher die Kanzlerin gegeben hatte. Eine glaubwürdige Nachfolge Merkels würden ihm wahrscheinlich viel mehr Wählerinnen und Wähler zutrauen als etwa Armin Laschet, Friedrich Merz oder Norbert Röttgen.

Die SPD hat die beste Wahl getroffen, die sie treffen konnte. Doch die ist voller Risiken. Die Sozialdemokraten können nur eines haben – entweder einen Kandidaten Scholz, der Stabilität verspricht, oder ein dezidiert linkes Wahlprogramm. Ob die SPD das noch einsehen wird, ist im heißen Sommer 2020 eine weiter offene Frage.

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