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Unter Mördern: Wladimir Putin holte die russischen Staatsbürger am Flughafen ab.

© IMAGO/SNA/IMAGO/Mikhail Voskresenskiy

„Dieser Austausch muss der letzte gewesen sein“: Macht Putins Geiseldiplomatie jetzt Schule?

Der Gefangenenaustausch mit Russland könnte zum Präzedenzfall werden, fürchten deutsche Politiker. Sie warnen davor, dass Putin mehr Menschen festnehmen könnte, „um weitere Kriminelle freizupressen“.

Stand:

Nach dem größten Gefangenenaustausch zwischen Russland, Deutschland, den USA und weiteren westlichen Staaten seit dem Ende des Kalten Krieges fürchten Politiker, dass die Geiseldiplomatie Schule machen könnte.

Die Sorge ist groß, dass Russlands Präsident Wladimir Putin weitere ausländische Staatsbürger gefangen nehmen könnte, um Deutschland und andere Staaten zu erpressen.

Putin könnte gezielt neue politische Geiseln festnehmen

„Dieser Austausch von rechtsstaatlich verurteilten Straftätern auf westlicher Seite und politischen Geiseln auf der Seite Russlands und Belarus muss der letzte gewesen sein“, sagte der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jürgen Hardt, dem Tagesspiegel.

Für Profiteure des Kreml-Regimes und betuchte russische Touristen sollten Europas Grenzen geschlossen werden.

 Jürgen Hardt, außenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion

Er habe die große Sorge, dass Putin weitere westliche Staatsbürger als Geisel nehmen könnte, „um gegebenenfalls weitere russische Kriminelle freizupressen“.

Der CDU-Politiker forderte die Bundesregierung auf, Konsequenzen aus dem Fall zu ziehen: „Jetzt muss die Bundesregierung geeignete Maßnahmen ergreifen, um das Geschäftsmodell Erpressung mit deutschen Staatsbürgern im Keim zu ersticken“, sagte Hardt.

Eine erschwerte Ausreise sei jedoch schwer umsetzbar, da viele Deutsche, vor allem Aussiedler, dort Familie hätten. „Es wäre besser, auf Aufklärung und verstärkte Kontrollen bei der Ausreise zu setzen, um auffällige Personen zu identifizieren.“

Auch der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion, Dirk Wiese, warnte vor Reisen nach Russland und Belarus. „Zumindest rate ich zu erhöhter Wachsamkeit. Denn konstruierte Vorwürfe und juristische Anschuldigungen wie zum Beispiel in Steuerstrafsachen sind keine Seltenheit“, sagte er dem Tagesspiegel.

Zur Praxis der hybriden Kriegsführung Russlands gehöre auch die Instrumentalisierung von unschuldigen Menschen, die zu Unrecht inhaftiert werden. „Dies kann Einzelpersonen, aber auch Unternehmen treffen, deren tagtägliches Geschäft wegen vermeintlicher Finanzermittlungen lahmgelegt wird“, sagte Wiese. „Das müssen wir uns klarmachen.“

Genaue Visa-Prüfungen sollen russische Spione enttarnen

Auch CDU-Politiker Hardt warnte deutsche Firmen vor Geschäften in Russland. Sie seien nur dort legitim, wo ein Rückzug aus dem Markt in kleinen Schritten möglich sei. „Der leider auch vorkommenden neuen wirtschaftlichen Aktivität deutscher Unternehmen in Russland sollte der Bundesregierung die klare Ansage entgegenhalten: Ihr steht allein gegenüber dem Unrechtsstaat des Diktators Putin.“

Durch den Gefangenenaustausch kam unter anderem der Journalist Evan Gershkovich frei. Hier wird er gerade von US-Präsident Joe Biden und Vize-Präsidentin Kamala Harris begrüßt.

© Imago/Upi/Jemal Countess

Mehr als zwei Jahre nach Kriegsbeginn haben sich laut einer Untersuchung der amerikanischen Universität Yale mehr als 1000 internationale Unternehmen zurückgezogen. Doch es gibt ebenso viele Unternehmen, auch aus Deutschland, die weiter Geschäfte in Russland machen, darunter der Großhandelskonzern Metro, das Pharmaunternehmen Bayer oder der Schokoladenhersteller Ritter Sport.

Ritter-Sport-Geschäftsführer Andreas Ronken verteidigte zuletzt in einem Focus-Interview das Festhalten am Russland-Geschäft. „Auch russische Kinder essen gerne Schokolade“, sagte er.

Auch der Innenpolitiker der Grünen, Marcel Emmerich, warnte vor der Gefahr aus Russland. „Deswegen muss gewährleistet werden, dass durch gründliche und strikte Visa-Prüfungen russische Spione und Saboteure keinen Zugang erhalten“, sagte er dem Tagesspiegel und ergänzte: „Vor diesem Hintergrund bereiten die in Ungarn angedachten Lockerungen für Russen und Belarussen große Sorge und könnten Handlungsbedarf erfordern.“

Noch deutlicher wurde der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion. Russische Visa seien wichtig für die progressiven Elemente der russischen Zivilgesellschaft, sagte Hardt: „Das sind aber zunehmend wenige. Für Profiteure des Kreml-Regimes und betuchte russische Touristen sollten Europas Grenzen geschlossen werden.“

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