
© imago/Westend61
Doppelte Pflegekrise: Schwarz-Rot zerstreitet sich bei der Suche nach klaren Antworten
An diesem Donnerstag soll eine Regierungskommission ihre Maßnahmen zur Lösung der Pflegekrise präsentieren. Statt konkreten Reformvorschlägen zeichnet sich allerdings nur eine vage „Roadmap“ ab.
Stand:
Stabile Beiträge auf Pump – so lässt sich das finanziell wenig solide Vorgehen von Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) zusammenfassen.
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hatte ihr die Aufgabe gegeben, im kommenden Jahr eine Beitragserhöhung für die soziale Pflegeversicherung zu verhindern. Das gelang Warken nur dank eines Darlehens aus dem Bundeshaushalt 2026 von insgesamt 3,2 Milliarden Euro.
Dauerhaft wird sich Warken allerdings nicht mit Darlehen retten können. Angesichts der Kostenexplosion in der Pflege braucht es schon echte Sparmaßnahmen.
Denn die Zahl der Pflegebedürftigen nimmt immer weiter zu. Waren es 1999 noch etwas mehr als zwei Millionen, müssen heute bereits 5,7 Millionen Menschen hierzulande gepflegt werden. 2050 werden es nach Prognosen zwischen 6,7 und mehr als sieben Millionen Menschen sein. Zugleich kostet die Pflege in Heimen wegen gestiegener Löhne und Sachkosten immer mehr, Betroffene zahlen deshalb immer höhere Eigenanteile.
Abschlusspapier nennt nur Optionen
Bisher hat die schwarz-rote Koalition auf diese doppelte Kostenfalle keine adäquate Antwort gefunden. In den Koalitionsverhandlungen vertagten CDU, CSU und SPD das Thema. Die Regierungsparteien beauftragten eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe, ein Konzept zu erstellen.
An diesem Donnerstag wird die Gruppe ihre Ergebnisse präsentieren. Doch auch dieser Arbeitskreis konnte sich nicht auf eine große Pflegereform verständigen. Das zeigt der Entwurf des Abschlusspapiers mit dem Datum 9. Dezember, der dem Tagesspiegel vorliegt. Darin werden nur denkbare Sparmaßnahmen genannt – ohne Gewichtung oder Verbindlichkeit.
In einer sogenannten „Roadmap“ finden sich nur einige wenige konkrete Vorgaben zum weiteren Prozess. Demnach soll Gesundheitsministerin Warken die Vorschläge der Arbeitsgruppe nun mit Interessenvertretern diskutieren, eine Kostenabschätzung vornehmen und anschließend einen Gesetzentwurf vorlegen, „der möglichst Ende 2026 in Kraft treten kann“.
In der Arbeitsgruppe hätten sich die Vertreter von Union und SPD immer wieder gegenseitig blockiert, berichten mehrere mit den Vorgängen vertraute Personen dem Tagesspiegel. In der Runde sitzen neben Warken auch Familienministerin Karin Prien (CDU), Abgesandte des Wirtschafts- und Finanzministeriums sowie die für Pflege zuständigen Landesminister.
Keine Zusage für Pflegedeckel
Die Sozialdemokraten drangen demnach hauptsächlich darauf, die Bewohner von Pflegeheimen finanziell zu entlasten. Sie müssen derzeit im ersten Jahr monatlich durchschnittlich 3100 Euro Eigenanteil zahlen. Im Wahlkampf hat die SPD versprochen, diesen Beitrag auf 1000 Euro im Monat zu deckeln. In dem Papier werden nun zwei Varianten für diesen sogenannten Pflegedeckel genannt. Auch einige Möglichkeiten, wie dies finanziert werden könnte, werden erwähnt.
Doch es handelt sich lediglich um Optionen. Manche davon wollen die CDU-geführten Länder laut einem Kommentar in dem Dokument noch vor der Veröffentlichung des Abschlusspapiers streichen.
Noch mehr ‚Kommissionitis‘ können wir uns hier einfach nicht leisten.
Michaela Engelmeier, Vorstandsvorsitzende des Sozialverbandes Deutschland.
Die Bund-Länder-Runde präsentiert auch keine Lösung, wie die steigenden Kosten der Pflegeversicherung verhindert oder kompensiert werden können, um höhere Beiträge zu verhindern.
Laut dem Entwurf haben die SPD-geführten Länder unter anderem vorgeschlagen, bei Gutverdienern einen größeren Teil ihres Einkommens für die Sozialbeiträge heranzuziehen. Die Sozialdemokraten können sich auch vorstellen, Sozialbeiträge auf Kapital- oder Mieteinkünfte zu erheben. Die Länder mit konservativer Regierungsspitze wollen diese Vorschläge jedoch noch aus dem Entwurf streichen.
Die Union hingegen will die Bürger verpflichten, eine private Zusatzversicherung abzuschließen, um einen Teil der Kosten für eine Heimunterbringung abzudecken. Damit könnte die umlagefinanzierte Pflegeversicherung entlastet und das Problem der hohen Eigenanteile für Pflegebedürftige angegangen werden. In dem Entwurfspapier wird auch das allerdings bloß als Möglichkeit genannt, eine Verständigung darauf gab es offenbar nicht.
Angesichts der wenig konkreten Ergebnisse wächst bei Sozialverbänden die Ungeduld. Es sei nun wichtig, zügig ins Handeln zu kommen, sagte die Vorstandsvorsitzende des Sozialverbandes Deutschland, Michaela Engelmeier, dem Tagesspiegel. „Denn noch mehr ‚Kommissionitis‘ können wir uns hier einfach nicht leisten.“ Bei der Pflege sei es sowohl im stationären als auch im häuslichen Bereich längst fünf nach zwölf, betonte Engelmeier, „vielerorts droht gar der Kollaps“.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: