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Höhere Energiepreise belasten vor allem Ärmere spätestens im Winter massiv. Entlastungen sollen kommen.

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Update

Ein drittes wird jetzt geschnürt: Entlastungspakete der Ampel – das haben sie bisher gebracht

Kanzler Olaf Scholz hat weitere Entlastungen wegen hoher Energiepreise angekündigt. Was hat die Ampel schon gemacht, was kommt nun, was ist noch umstritten?

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Wann kommt das dritte Entlastungpaket? Die Frage und die Antworten darauf sind der diesjährige politische Sommerhit. Jedenfalls war das so bis Freitag – dann kam der Kanzler.

Mit der Ankündigung weiterer Entlastungen durch Kanzler Olaf Scholz (SPD) am Freitag hat die Debatte etwas mehr Zielgenauigkeit gefunden – beendet ist sie nicht. Denn die drei wesentlichen Punkte in seiner Pressekonferenz - Bürgergeld, Wohngeldreform, Kostenmoratorium - waren in der Koalition nicht ausdiskutiert.

Eigentlich hatte die Ampel-Koalition sich darauf verständigt, nicht vor September zu entscheiden, ob und in welcher Form ein drittes Hilfspaket geben soll. Die Diskussion nahm wohl zu viel Tempo auf, Scholz & Co. mussten reagieren.

Dennoch verweisen die Koalitionäre auch jetzt noch darauf, dass einige Maßnahmen der ersten beiden Pakete ihre Wirkung noch gar nicht entfalten konnten.

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Das dritte Entlastungspaket zur Abfederung der Folgen hoher Energiepreise ist auch eine Frage des Geldes. In diesem Jahr ist der Etat dank aktuell guter Steuereinnahmen und hoher Kreditermächtigungen gut gefüllt.

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Alles was sich schnell umsetzen lässt, wäre also gegebenenfalls gut zu finanzieren. Im kommenden Jahr dagegen will zumindest die FDP um Finanzminister Christian Lindner die Schuldenbremse wieder einhalten, was die Spielräume für dann erst wirkende Entlastungen einschränken.

Was wurde mit den bisherigen Entlastungspaketen erreicht?

Klar ist: Drei Maßnahmen im ersten Paket wirken sich erst mit der Zeit aus – die steuerlichen Maßnahmen klappen sozusagen nach. Der höhere Arbeitnehmer-Pauschbetrag (1200 statt 1000 Euro), die Heraufsetzung des Grundfreibetrags (10374 statt 9744 Euro) und die gestiegene Pendlerpauschale ab dem 21. Kilometer werden daher meist erst mit der Steuererklärung im kommenden Jahr virulent. Die EEG-Umlage auf den Strompreis ist zum 1. Juli abgeschafft worden.

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Gezielte Maßnahmen für Arme sind meist schon ausgezahlt: Corona-Zuschuss bei Grundsicherung, Sofortzuschlag für Kinder, Heizkostenzuschuss für Wohngeldbezieher und Studierende. Nimmt man noch Hilfen für Unternehmen hinzu, addieren sich diese Maßnahmen nach Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung auf ein Finanzvolumen von immerhin 15,3 Milliarden Euro.

Kanzler Olaf Scholz bei seiner Pressekonferenz am vorigen Freitag.
Kanzler Olaf Scholz bei seiner Pressekonferenz am vorigen Freitag.

© dpa / Britta Pedersen/dpa

Das zweite Entlastungspaket umfasst die zu versteuernde Energiepreispauschale in Höhe von 300 Euro für Arbeitnehmer, das im September ausgezahlt wird, den Kinderbonus in Höhe von 100 Euro und die 200 Euro für Hartz-IV-Bezieher. Tankrabatt und Neun-Euro-Ticket starteten im Juni und enden mit dem Monat August – wenn es nicht zu Anschlussregelungen kommt.

Der Tankrabatt ist weiter umstritten, auch wenn die Spritpreise so nach unten gedrückt werden konnten. Das verbilligte Ticket im Nahverkehr ist zumindest ein Nachfrage-Hit: Im Juni wurden fast 20 Millionen verkauft. Kosten des zweiten Entlastungspakets insgesamt: etwa 17 Milliarden Euro.

Was hat es mit dem Bürgergeld auf sich?

Das Bürgergeld, so Scholz am Freitag, soll zum 1. Januar 2023 „definitiv“ kommen. Eigentlich geht es beim Umbau des bisherigen Hartz-IV-Systems zum Bürgergeld nicht um eine aktuelle Entlastungsinitiative, sondern eine von der SPD schon seit Jahren vorbereitete und vorangetriebene Systemänderung, der auch die Grünen viel abgewinnen können.

Die Belastungen durch Inflation sowie höhere Energie- und Lebensmittelpreise gerade einkommensschwacher Schichten sind den Befürwortern der Reform ein weiteres Argument, sie nun umzusetzen.

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Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) peilt vor allem eine Erhöhung der Regelsätze um 40 bis 50 Euro an. Zur Höhe möglicher Kosten machte das Arbeitsministerium auf Anfrage keine Angaben gemacht. Beim Umbau zum Bürgergeld stehen SPD und Grüne eng zusammen, die Liberalen geben sich den Plänen gegenüber skeptisch. Es gebe "ein bewährtes Verfahren, nach dem die Regelsätze an Preis- und Gehaltsentwicklung angepasst werden", sagte FDP-Chef Lindner: "Daran sollten wir festhalten."

Noch ein Akteur muss eingebunden werden: Für das Bürgergeld ist die Regierung auf die Zustimmung des Bundesrats und damit auf die Union angewiesen. CDU und CSU kritisieren, dass mit der Preisgabe der Sanktionen das Prinzip „Fördern und Fordern“ abgeschafft werde.

Was steckt hinter der Wohngeldreform?

Eine „große Wohngeldreform" hat Scholz angekündigt – ebenfalls zum 1. Januar 2023. Dabei soll der Kreis der Berechtigten ausgeweitet werden, wofür Scholz aber keine konkreten Zahlen nannte. Wohngeld erhalten Haushalte, die oberhalb von Grundsicherung und Sozialhilfe liegen, aber dennoch ihre Unterkunftskosten nicht voll bezahlen können. 2020 waren das knapp 620000 Haushalte. Bund und Länder zahlten dafür 1,3 Milliarden Euro.

Mehr Ausgaben - manchen reicht das Geld nicht mehr.
Mehr Ausgaben - manchen reicht das Geld nicht mehr.

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Der Entlastungsaspekt liegt bei diesem Vorschlag vor allem in der Heizkostenpauschale, die laut Scholz dauerhaft im Wohngeld enthalten sein soll. Da die aktuelle Inflation vor allem auf höhere Energiepreise zurückgeht, wäre eine dynamisch gestaltete Pauschale ein gutes Mittel, darauf zu reagieren – auch in Zukunft.

Zuletzt hat dies zum Beispiel der Verbraucherzentralen-Bundesverband gefordert. Dessen Vorständin Ramona Pop, zuvor Grünen-Politikerin in Berlin, sagte, ein an die Preisentwicklung gekoppelter Heizkostenzuschuss sei von zentraler Bedeutung bei weiteren Entlastungsmaßnahmen.

Was bedeutet ein Moratorium für Gas- und Stromsperren sowie Mieten?

Die Grünen hatten für den Fall einer weiteren Zuspitzung der Energiekrise angeregt, Bürgerinnen und Bürger vor Strom- und Gassperren bei Zahlungsverzug zu bewahren. In einer solchen Krisensituation dürfe niemandem der Strom oder das Gas abgestellt werden, weil er mit einer Rechnung in Verzug sei, argumentierte Verbraucherschutzministerin Steffi Lemke.

Trotz anfänglicher Widerstände stimmte auch die FDP dem Versprechen zu, bisherige Kündigungsschutzregelungen zu überprüfen – nicht nur für Energiekunden, sondern auch für Mieter.

Scholz hat das nun am Freitag als Ampel-Projekt angekündigt - wobei zunächst von "Überprüfung" die Rede ist. Einzelheiten stehen noch nicht fest.

Wie die "Bild"-Zeitung am Samstag unter Berufung auf Koalitionskreise berichtete, könnten zinslose Darlehen der staatseigenen Kfw-Bank für Vermieter angeboten werden, wenn diese Gasrechnungen ihrer Mieter bezahlen. Alternativ sei im Gespräch, dass Mieter und Eigentümer, die ihre Gasrechnung nicht mehr begleichen können, einen Antrag auf direkte Finanzhilfe bei einer staatlichen Stelle einreichen können.

Wie könnte es beim Neun-Euro-Ticket weitergehen?

Wegen der Zukunft des Neun-Euro-Tickets baut sich derzeit der heftigste Streit auf. Finanzminister Lindner hat darauf verwiesen, dass es als temporäre Maßnahme gedacht sei und im Bundeshaushalt keine weiteren Mittel vorgesehen seien. Das kam als klares Nein herüber. Grünen-Chefin Ricarda Lang hielt dagegen, dass sich über die Kürzung umwelt- und klimaschädlicher Subventionen Spielraum im Etat schaffen ließe.

SPD-Chefin Saskia Esken forderte Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) auf, zügig „einen geeigneten Vorschlag für die Weiterentwicklung des Neun-Euro-Tickets“ vorzulegen. Anders als beim von der FDP durchgesetzten Tankrabatt sei das eingesetzte Geld für diese Entlastungsmaßnahme „voll“ bei den Bürgerinnen und Bürgern angekommen, sagte Esken den Funke-Medien.

Tatsächlich geht es in dem Streit gar nicht so sehr um die Frage, ob eine Form von Verbilligung im öffentlichen Nahverkehr fortgeführt wird, sondern um das Wie und die übliche Frage, wer bezahlt. Wissing brachte gerade erst die Länder ins Gespräch – die zusammen mit den Kommunen zuständig sind für Nahverkehrsangebote.

Voller Erfolg im wahrsten Sinne - das Neun-Euro-Ticket wird gut nachgefragt.
Voller Erfolg im wahrsten Sinne - das Neun-Euro-Ticket wird gut nachgefragt.

© Thomas Müller/dpa

Der Verband der Deutschen Verkehrsunternehmen unterstützt eine Anschlussregelung – fürchtet aber, dass die Sache im Sand verlaufen könnte. Der Verband schlägt daher eine Übergangslösung vor: Verlängerung des Neun-Euro-Tickets bis Oktober, als direkte Entlastungsmaßnahme, um die Zeit zu nutzen, eine Anschlussregelung für ein verbilligtes Angebot danach zu finden – und eine Finanzierungslösung.

Beliebt ist das Neun-Euro-Ticket: In einer aktuellen Umfrage haben sich 80 Prozent der Befragten gerade positiv dazu geäußert.

Kommt eine höhere Pendlerpauschale?

Per Tweet hatte Lindner den Vorschlag für eine höhere Pendlerpauschale in die Welt gesetzt - wohl ein Zeichen, dass er eine politische Botschaft aussenden wollte, aber noch über kein fertiges Konzept verfügt. Da der FDP-Chef keine Zahl nennt, um die er die Pendlerpauschale erhöhen will, bleiben auch die Kosten für seinen Haushalt noch völlig unbestimmt. Würde die Idee des FDP-Chefs umgesetzt, würden vor allem Berufspendler entlastet. Das Angebot soll aber auch Radfahrern zugutekommen.

Als Nachteil des Vorschlags in Zeiten des Klimawandels gilt: Eine Erhöhung belohnt den Verbrauch von umweltschädlichen fossilen Brennstoffen, sofern kein E-Auto zum Einsatz kommt. Sie entfaltet also keine ökologische Steuerungswirkung, eher im Gegenteil. Sie ist auch nicht sozial gerecht, da sie Pendler unabhängig vom Einkommen entlastet.

Insgesamt sind die Realisierungschancen des Vorstoßes nicht gut. Die SPD zeigte sich dafür zwar offen, die Grünen aber lehnen das Konzept als unökologisch ab. Allenfalls in einem politische „Koppelungsgeschäft“, bei dem die FDP der Ökopartei auf einem anderen Feld entgegenkommt, könnte der Finanzminister seinen Vorschlag durchsetzen.

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