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Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn am vergangenen Wochenende in Berlin.

© Bernd von Jutcczenka/dpa

Kiew und die EU: Ein Express-Beitritt der Ukraine ist vom Tisch

Erhält die Ukraine im Juni den EU-Kandidatenstatus? Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn wirbt für eine Lösung, die für alle 27 EU-Länder tragfähig ist.

Soll die Ukraine in die EU aufgenommen werden? Die Frage stellte sich am Sonntag mit neuer Dringlichkeit, als der polnische Präsident Andrzej Duda im ukrainischen Parlament in Kiew eine Rede hielt. „Polen wird alles in seiner Macht stehende tun, um der Ukraine zu helfen, Mitglied der Europäischen Union zu werden“, sagte Duda. Der 50-Jährige war der erste ausländische Staatschef, der seit Beginn des russischen Einmarsches im Februar in der Rada auftrat.

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Dass die Ukraine nach dem russischen Überfall einen Platz in Europa finden muss, ist für die Entscheidungsträger in der EU unbestritten. Aus politischer Sicht sei die Angelegenheit eindeutig, sagte Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn dem Tagesspiegel. „Es ist klar, dass wir alle in der EU gefordert sind“, sagte er weiter. „Wenn wir über die Ukraine reden, dürfen wir auch Moldawien und Georgien nicht vergessen“, fügte er allerdings hinzu. Diese beiden Staaten haben ebenfalls Anträge auf eine EU-Mitgliedschaft gestellt.

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Nach den Worten des luxemburgischen Außenministers gilt es nun, eine technisch tragfähige Lösung für den Beitrittsantrag der Ukraine zu finden. Im Juni will die EU-Kommission erklären, wie sie den Antrag der Regierung in Kiew bewertet. „Ich hoffe, dass die EU-Kommission einen Vorschlag macht, dem wir alle zustimmen können“, sagte Asselborn mit Blick auf die unterschiedlichen Positionen der 27 EU-Länder.

Schon beim Westbalkan ist die Gemeinschaft uneinig

Asselborns Mahnung kommt nicht von ungefähr. Bereits in der Frage, ob EU-Beitrittsgespräche mit Nordmazedonien und Albanien begonnen werden sollen, findet die Gemeinschaft derzeit keine einheitliche Linie: Bulgarien blockiert hier die Aufnahme von Verhandlungen. Solche möglichen Beitrittsgespräche liegen für die Ukraine zwar noch in weiter Ferne. Aber bereits bei der Verleihung des Kandidatenstatus, der ersten Stufe auf dem Weg zu einer eventuellen Vollmitgliedschaft, gibt es unter den 27 EU-Staaten Differenzen.

So sprechen sich  vor allem Polen und die baltischen EU-Mitglieder dafür aus, der Ukraine im kommenden Monat den Kandidatenstatus zu verleihen. Eine Vorentscheidung könnte beim EU-Gipfeltreffen am 23. und 24. Juni in Brüssel fallen. Falls bei dem Gipfel eine Entscheidung zu Gunsten der EU-Kandidatur Kiews getroffen wird – was derzeit noch offen ist –, so bleiben dennoch unterschiedliche Auffassungen über das Tempo eines möglichen Beitritts bestehen.

Kanzler Scholz erklärte im Bundestag, dass innerhalb der nächsten Jahre nicht an einen Beitritt der Ukraine zu denken sei.
Kanzler Scholz erklärte im Bundestag, dass innerhalb der nächsten Jahre nicht an einen Beitritt der Ukraine zu denken sei.

© Kay Nietfeld/dpa

Nicht zuletzt Berlin und Paris stehen auf der Bremse. Sowohl Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron als auch Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatten zuletzt betont, dass an eine Vollmitgliedschaft innerhalb weniger Jahre nicht zu denken sei.

Anfangs erhoffte sich Selenskyj einen Beitritt im Eiltempo

Tatsächlich scheint ein Express-Beitritt der Ukraine, den sich der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj unmittelbar nach dem russischen Überfall erhofft hatte, vom Tisch zu sein. Selbst in den baltischen Ländern wird diese Option inzwischen ausgeschlossen.

Macrons Angebot kommt in Kiew nicht gut an

Macron hatte sogar erklärt, dass ein EU-Beitritt Kiews „Jahrzehnte“ in Anspruch nehmen würde. Sein Angebot, die Ukraine zunächst in eine neue „europäische politische Gemeinschaft“ aufzunehmen und ihr damit gewissermaßen eine „EU-Mitgliedschaft light“ anzubieten, kommt in der Ukraine indes nicht gut an. „Wir brauchen keine Ersatzmittel für den EU-Kandidatenstatus, welche die zweitklassige Behandlung der Ukraine zeigen und die Gefühle der Ukrainer verletzen“, hatte Außenminister Dmytro Kuleba jüngst im Kurznachrichtendienst Twitter geschrieben.

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