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Justizminister Marco Buschmann (FDP) und Gesundheitsminister Karl Lauterbach von der SPD (r.).

© dpa/W. Kumm

Kabinett beschließt neue Corona-Maßnahmen: Ein Rückfall in die Epoche des „Es ist ja nur zu deinem Besten“ ist genau das – ein Rückfall

In Europa bildet Deutschland nach wie vor die Ausnahme beim Kampf gegen Corona. Andere Länder setzen längst auf das Prinzip Eigenverantwortung. Ein Kommentar.

Malte Lehming
Ein Kommentar von Malte Lehming

Stand:

Das ist ein Satz, mit dem viele Kinder aufgewachsen sind: „Es ist ja nur zu deinem Besten.“ Darin drückt sich Paternalismus aus. Eine Vorschrift soll durchgesetzt werden, deren Sinn nicht erklärt, sondern deklariert wird. Gleichzeitig signalisiert der Vorschreibende, dass er über höhere Einsichten verfügt. Die neuen Corona-Maßnahmen, die das Kabinett am Mittwoch beschloss, atmen diesen Geist noch immer.

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Zwar wird den Ländern weitgehend überlassen, wie sie auf eine mögliche Infektionswelle im Herbst reagieren. Aber die Liste der potenziellen Gebote ist lang, und der föderale Flickenteppich bleibt bestehen.

Es kommt – aus guten Gründen – nicht oft vor, dass sich die Bürger eine größere Durchsetzungskraft der FDP in der Koalition wünschen. In diesem Fall wäre sie nötig gewesen. Allerdings nicht, weil endlich die „Freiheit“ über die Vorsicht siegen soll, sondern weil sich das Verantwortungsbewusstsein der Menschen in den vergangenen zweieinhalb Jahren stark ausgeprägt hat.

Vulnerable Gruppen sollten sich selbst schützen

Das oberste Ziel der Politik, die Zahl der Todesfälle und Long-Covid-Verläufe zu minimieren und die Gesundheitsinfrastruktur nicht zu überlasten, bleibt richtig. Doch die Erfahrung hat gelehrt, dass Menschen nicht gern Maske tragen, wenn sie es müssen, dass es viele aber freiwillig tun, wenn sie verstehen, warum.

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Richtig bleibt auch, für Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen eine Masken- und Testpflicht zu verfügen. Doch künftig sollten vulnerable Gruppen sich selbst schützen, statt sich in erster Linie auf die Schutzbereitschaft der anderen zu verlassen.

Die leidige Unterteilung in „Geimpfte“ und „Ungeimpfte“

Innerhalb Europas bildet Deutschland nach wie vor die Ausnahme. Alle anderen Länder setzen fast vollständig auf das Prinzip Eigenverantwortung. Keiner will zu 2G- und 3G-Regeln zurück. Das wäre auch hierzulande nicht zu vermitteln. Aber ist es sinnvoll, an einer Maskenpflicht in Zügen und Flugzeugen festzuhalten, die kaum durchgesetzt wird?

Es ist gut, dass Biontech schon Anfang September einen angepassten Omikron-Impfstoff ausliefern will. Er sollte für alle Altersgruppen und auf freiwilliger Basis verfügbar sein. Die leidige Unterteilung in „Geimpfte“ und „Ungeimpfte“ muss aufhören. Bei hohen Inzidenzen für den Zutritt zu Großereignissen ein aktuelles und kostenloses Testergebnis vorzuweisen, wäre nicht zu viel verlangt. Die Bürger sind reifer geworden in der Pandemie. Sie haben gelernt, Risiken einzuschätzen und sich zu schützen. Ein Rückfall in die Epoche des „Es ist ja nur zu deinem Besten“ ist genau das – ein Rückfall.

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