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Angela Merkel und Christian Lindner.

© Kay Nietfeld/dpa

Auswertung der Pandemiepolitik: Ein Rüffel für Angela Merkel, eine klare Botschaft für die FDP

Der Expertenbericht zu den Coronamaßnahmen ist an einer zentralen Stelle eine Abrechnung. Das hat Folgen für den nächsten Herbst und die Ampel. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Georg Ismar

Die Ampel-Koalition hatte sich eine klare Handreichung erhofft, aber die konnte es nicht geben, weil die Wissenschaftler zum einen zu wenig Daten und zum anderen zu wenig Zeit hatten. Und weil sie sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigen mussten.

In einem Punkt ist der Bericht des Sachverständigenausschusses zur Corona-Politik aber durchaus eine Abrechnung: Mit dem zentralen Instrument, dem Infektionsschutzgesetz (IFSG), und der Rechtskonstruktion des Ausrufens einer epidemischen Notlage von nationaler Tragweite.

Damit seien womöglich verfassungswidrig weitreichende Befugnisse auf die Exekutive übertragen worden. Nichts hat die Gemüter so erhitzt, wie die bundesweite Einschränkung der Grundrechte, für Kanzlerin Angela Merkel (CDU) war es das zentrale Durchgriffsinstrument. Flächendeckende Lockdowns oder Schulschließungen sind demnach juristisch kaum noch möglich, die Länder müssten demnach mehr Eigenbefugnisse bekommen.

Zugleich hat das bundesweit einheitliche und schnelle Handeln gerade in den ersten Wellen Schlimmeres verhindert.

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Was aus den Ergebnissen folgt

Wenn es gut läuft, kann das Gutachten auch den Streit zwischen Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Justizminister Marco Buschmann (FDP) befrieden.

Wenn es für den Herbst ein neues Maßnahmenpaket braucht (das bisherige IFSG läuft zum 23. September aus), dann sollte dies, auch als Lehre aus dem Expertenbericht folgendes enthalten: Die von den Ländern gewünschten ausreichenden Maßnahmen - als Option gehören dazu Maskenpflichten in Innenräumen (die durchaus als sinnvoll bewertet werden) und Zugangsbeschränkungen dazu, zum Beispiel, dass nur getestete Personen in Restaurants können.

Müssen sich über die neuen Maßnahmen einig werden: Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Justizminister Marco Buschmann (FDP).
Müssen sich über die neuen Maßnahmen einig werden: Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Justizminister Marco Buschmann (FDP).

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Solche Einschränkungen müssten sich aber in den Länderverordnungen zwingend an klaren, nachvollziehbaren Kriterien orientieren - und dürften nicht präventiv pauschal verhängt werden.

Vor allem an der Belastung des Gesundheitssystems, die Inzidenzzahlen taugen als zentraler Indikator schon lange nicht mehr.

Für künftige Pandemien muss auch geregelt werden, wie zum Beispiel wirtschaftliche Schäden verlässlicher bemessen und mit Entschädigungsregeln versehen werden können.

Kritik gibt es an der "Durchgriffspolitik" mit bundesweiten Maßnahmen von Kanzlerin Angela Merkel (CDU).
Kritik gibt es an der "Durchgriffspolitik" mit bundesweiten Maßnahmen von Kanzlerin Angela Merkel (CDU).

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Sicher, Instrumente wie die Bundesnotbremse werden künftig kaum noch möglich sein. Um angesichts der anderen Krisen der Ampel einen erneuten Streit zu vermeiden, sollte die FDP den Bericht richtig lesen. Und auch akzeptieren, dass selbst eigene Wähler, gerade ältere, den freiheitlich-liberalen Lockerungskurs angesichts der Sorge vor der Unberechenbarkeit des Virus und seiner Varianten nur bedingt goutieren.

Wenn die Länder stärker selbst über die Pandemiepolitik entscheiden sollen, dann sollte man ihre Wünsche erhören und ihnen nicht weiter wie die FDP vorschreiben wollen, dass sie praktisch keine Maßnahmen mehr verfügen dürfen. Stattdessen sollten sie einen ausreichenden Instrumentenkasten bekommen - damit sich nicht auch noch durch Corona-Rückschläge die Lage im Lande weiter verschlechtert.

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