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Zwei Polizisten der Bundespolizei kontrollieren an der Grenze zu Tschechien Reisende und Pendler.

© dpa

Verschärfte Grenzkontrollen: Eine Bremse für das Virus

Innenminister Seehofer hat durch die Grenzkontrollen zeitweise Chaos ausgelöst. Aber im Prinzip sind sie richtig. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Albrecht Meier

Freies Reisen für freie Bürger - dieser Grundsatz gilt in der EU seit dem Beginn der Pandemie leider nur eingeschränkt. Deutschland hat am Wochenende die Kontrollen bei Einreisen aus Tschechien, dem österreichischen Bundesland Tirol und der Slowakei drastisch verschärft, weil dort Mutanten des Virus besonders stark verbreitet sind. Im Grundsatz sind die Kontrollen richtig. Denn das Hochhalten der Freizügigkeit in der EU hilft in der Debatte um den Sinn und Unsinn der Grenzkontrollen nur bedingt weiter.

Grenzkontrollen verhindern unnötige Reisen

Gegner der Kontrollen wenden gerne ein, dass sich das Virus ohnehin nicht an Grenzen orientiere und Überprüfungen an den inzwischen eigentlich obsoleten Schlagbäumen deshalb ins Leere laufen. Das ist insofern falsch, als auch grenzüberschreitende Mobilität zu den Pandemietreibern gehört. Egal ob es um nicht zwingend nötige Einkaufstrips von Deutschen ins Elsass oder um vermeidbare Reisen von Prag nach München geht - das Risiko, dass auch das Virus mit unterwegs ist, lässt sich nicht von der Hand weisen. Daher gibt es auch eine Bremswirkung für das Coronavirus, wenn nun an den Grenzen nicht mehr jeder und jede durchgelassen wird.

Auch diesmal fehlte es wieder an Absprachen

Trotzdem muss sich Innenminister Horst Seehofer den Vorwurf gefallen lassen, aus dem Chaos rund um die hektisch verordneten Grenzschließungen vom vergangenen Frühjahr kaum etwas gelernt zu haben. Im März des vergangenen Jahres machte Deutschland ohne Absprache die Grenzen zu fünf Nachbarländern einfach dicht. Hinterher schworen sich die EU-Partner hoch und heilig, dass sich das damals entstandene Durcheinander nicht mehr wiederholen dürfe.

Bei vielen Berufspendlern herrschte tagelang Unklarheit

Und trotzdem hat die Bundesregierung nun ein zweites Mal verstärkte Grenzkontrollen ins Werk gesetzt, ohne sich groß mit den betroffenen EU-Partnern Tschechien, Österreich und der Slowakei abzusprechen. Kilometerlange Staus an den Grenzen sind die Folge. Schlimmer noch: Bei der Umsetzung der Kontrollen hapert es auf der deutschen Seite in den ersten Tagen gewaltig. So ist zwar klar, dass Lkw-Fahrer und medizinisches Personal nach Deutschland einreisen können, wenn ein negativer Corona-Test vorliegt. Bei vielen anderen Berufspendlern herrschte aber tagelang Unklarheit, ob sie weiter zur Arbeit nach Deutschland kommen können, weil sie in systemrelevanten Betrieben arbeiten - oder nicht.

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Zur Wahrheit gehört aber auch, dass diesmal anders als bei Grenzschließungen im vergangenen Frühjahr der politische Überraschungseffekt nicht allzu groß war. Bundeskanzlerin Angela Merkel ließ bereits vor einer Videoschalte mit ihren EU-Kollegen im vergangenen Monat durchblicken, dass sie die Wiedereinführung von Grenzkontrollen ins Auge fasste. Ihr Appell, dass bei der Pandemiebekämpfung „wirklich alle unsere Nachbarländer in die gleiche Richtung arbeiten“ müssten, hätte damals schon in Tschechien und Österreich aufhorchen lassen müssen.

Zögerliche Haltung des tschechischen Regierungschefs Babis

Dies gilt insbesondere für den tschechischen Ministerpräsidenten Andrej Babis. Trotz der starken Verbreitung der Virus-Mutanten in seinem Land rang sich Babis erst in letzter Minute zu einer Verlängerung des Corona-Notstands durch. Es ist gut möglich, dass die Grenzschließungen in Deutschland ihm auf die Sprünge geholfen haben.

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