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Verteidigungsminister Boris Pistorius beim Besuch eines Panzerbataillons in Augustdorf: Der Minister braucht dringend mehr Personal für die Truppe.

© IMAGO/Panama Pictures

Einmal Pistorius und zurück: Schwarz-Rot auf dem Weg zu seinem ursprünglichen Wehrdienst-Modell

Die Union wollte mehr als der Verteidigungsminister, seine SPD weniger: Nun heißt es, man dürfte sich in der Mitte treffen – beim Mix aus Freiwilligkeit und Verpflichtung von Boris Pistorius.

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Boris Pistorius gehört zur Hauptverhandlungsgruppe. Er ist einer der neun Sozialdemokraten, die mit ihren zehn Pendants von CDU und CSU einen Koalitionsvertrag ausarbeiten. In „seiner“ Facharbeitsgruppe war der Verteidigungsminister deshalb nicht dabei – zum Leidwesen mancher Unionisten, die sagen, mit ihm wäre man sich längst einig.

So aber gab es über viele Tage einen gewaltigen Konflikt über eine essenzielle Frage: Wie bekommt die Bundeswehr, die nach der Lockerung der Schuldenbremse mit neuem Gerät rechnen kann, genug Personal, um es auch bedienen und Russland abschrecken zu können? Woher die Reservisten, die im Verteidigungsfall Aufgaben der aktiven Truppe im Inland übernehmen müssten? Die Antworten von Union und SPD standen im Papier der Arbeitsgruppe 12, das kürzlich öffentlich wurde, unversöhnlich nebeneinander.

Unversöhnliches Nebeneinander im Arbeitsgruppenpapier

Während die Christdemokraten in blauer Schrift erklärten, dass in der aktuellen Bedrohungslage nach 14 Jahren „die Aussetzung der Wehrpflicht beendet“ werden muss, hielten die Sozialdemokraten in Rot dagegen, der „neue Wehrdienst soll auf Freiwilligkeit basieren“. Noch in diesem Jahr aber würden die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Erfassung möglicher Kandidaten geschaffen, die dann einen Fragebogen ausfüllen müssen. Außerdem weiß der Staat dann, wen er im Ernstfall, für den die Wehrpflicht nie aufgehoben wurde, einziehen müsste.

Das Ganze hat eine Vorgeschichte, die eine Lösung des schwarz-roten Streits beinhaltet. Vor etwa einem Jahr signalisierte Pistorius klar seine Präferenz für das Modell Schwedens: Ein ganzer Jahrgang wird befragt zu freiwilliger Bereitschaft und Fitnesszustand, die Armee lädt die interessantesten Kandidatinnen und Kandidaten ein – und wählt von Jahr zu Jahr mehr von ihnen aus. Erst wenn es nicht genug Freiwillige gibt, greift die wiedereingeführte Wehrpflicht.

5000
So viele Soldatinnen und Soldaten könnte die Bundeswehr im ersten Jahr des „Neuen Wehrdienstes“ zusätzlich aufnehmen.

Das war seiner SPD zu viel. Über Monate bearbeiteten führende Sozialdemokraten ihren Minister, auf den verpflichtenden Teil zu verzichten – vom Fragebogen-Ausfüllzwang einmal abgesehen. Mit Erfolg: Im Sommer vergangenen Jahres legte Pistorius einen abgeschwächten Vorschlag vor.

Parallel forderte die Union wiederum etwas mehr als das, was Pistorius vorschwebte. Erst im neuen CDU-Grundsatzprogramm und später im Wahlprogramm versprach die Union „eine aufwachsende Wehrpflicht“, perspektivisch als Teil eines verpflichtenden Gesellschaftsjahres.

Nun zeichnet sich nach Informationen des Tagesspiegels jedoch ab, dass die Koalitionspartner in spe dabei sind, sich in der Mitte zu treffen – und zwar bei der ursprünglichen Idee von Verteidigungsminister Boris Pistorius.

Ein „zunächst“ könnte den Streit schlichten

So sind die Sozialdemokraten nach Angaben aus SPD-Kreisen nun bereit, das Wörtchen „zunächst“ einzufügen, dass nämlich der neue Wehrdienst „zunächst auf Freiwilligkeit basieren“ soll. Das impliziert die Zustimmung, zu einem späteren Zeitpunkt mit einfacher Bundestagsmehrheit die Aussetzung der Wehrpflicht zu beenden, wenn die Truppe mehr Kapazitäten zur Rekrutenausbildung aufgebaut hat.

Pistorius selbst hatte immer argumentiert, eine sofortige Wiedereinführung der Wehrpflicht sei nicht notwendig, da die Bundeswehr noch nicht über die entsprechenden Möglichkeiten verfüge. Im ersten Jahr seines „Neuen Wehrdienstes“ sollten nur 5000 Soldatinnen und Soldaten aufgenommen werden.

Sein Ressort erkennt man schon am Jutebeutel: Boris Pistorius (SPD), Verteidigungsminister, kommt Anfang April zu Koalitionsverhandlungen von Union und der SPD in die Bayrische Landesvertretung in Berlin.

© dpa/Annette Riedl

Die Union wiederum ist dem Vernehmen nach dabei, einzusehen, dass eine sofortige Wiedereinführung aus den genannten Kapazitätsgründen nicht zwingend ist und die SPD-Zusage für den weiteren Verlauf der Wahlperiode ausreichend sein könnte. Zudem stellen die rechtlichen Tücken einer Einbettung in ein Gesellschaftsjahr eine größere Herausforderung dar.

Wenn es auch für Frauen gelten sollte, müsste das Grundgesetz geändert werden. Im Gegensatz zur Wiedereinführung der Wehrpflicht, die Union und SPD allein beschließen könnten, bräuchte es dafür eine Zweidrittelmehrheit – sowie Grüne und Linke. Selbst CSU-Chef Markus Söder wäre nicht sicher an Bord. Er sprach sich im Januar gegen eine Verpflichtung von Frauen aus.

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