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Spiegel hat am Sonntag ihren Familienurlaub nach der Flutkatastrophe im vergangenen Sommer als Fehler bezeichnet.

© Annette Riedl/dpa

Update

Familienministerin in der Krise: Spiegel verschwieg ihren Urlaub offenbar in Grünen-Parteisitzung

Aufgewühlt schildert die Familienministerin, warum sie kurz nach der Flutkatstrophe im Ahrtal vier Wochen in den Urlaub fuhr. Von Rücktritt spricht sie nicht.

Anne Spiegel ist der Druck und die Unsicherheit sichtlich anzumerken als sie am Sonntagabend bei einem kurzfristig einberufenen Pressestatement das Wort ergreift.

Einmal räuspert sich die Bundesfamilienministerin, dann macht sie das, was sie sonst sehr kontrolliert zurückhält: Die Grünen-Politikerin spricht ausführlich über ihr Privatleben, um zu erklären, warum sie zehn Tage nach der Flutkatastrophe im Ahrtal 2021 für vier Wochen in den Familienurlaub nach Frankreich fuhr.

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Ein Urlaub, wegen dem die Union inzwischen ihre Entlassung als Ministerin fordert und für den sich Spiegel am Abend entschuldigt.

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Am Montagmorgen dann gibt es aber schon die nächste Enthüllung. Spiegel soll laut Informationen der "Zeit" ihrem eigenen Landesverband in einer Sitzung ihren Urlaub verheimlicht haben. Der Verband erfuhr von dem Urlaub wohl erst am Wochenende aus der Zeitung.

Das ist deshalb brisant, weil die Landesparteispitze in der Sitzung am vergangenen Donnerstag zu dem Schluss kam, dass es für Spiegel keinen Grund für einen Rücktritt gebe. Zuvor war die Umweltministerin von Nordrhein-Westfalen Ursula Heinen-Esser (CDU) zurückgetreten, weil sie nach der Flutkatastrophe in den Urlaub gegangen war.

„Es war zu viel. Das hat uns als Familie über die Grenze gebracht“

In ihrem Pressestatement holt Spiegel am Sonntagabend weit und emotional aus: „Im März 2019 hatte mein Mann einen Schlaganfall“, sagt Spiegel und kämpft bereits mit den Tränen. Ihr Mann habe seitdem Stress vermeiden müssen, doch gerade die Pandemie habe in ihrer Familie mit den vier kleinen Kindern „Spuren hinterlassen“.

Dann schildert Spiegel, die damals Familienministerin in Rheinland-Pfalz war, wie sie erst die Spitzenkandidatur für die Grünen bei der Landtagswahl und dann ab Januar 2021 für einige Monate auch zusätzlich noch das rheinland-pfälzische Umweltministerium geschäftsführend übernommen hatte.

„Es war zu viel. Das hat uns als Familie über die Grenze gebracht“, sagt die 41-jährige Spiegel merklich angefasst am Sonntagabend. Denn wenige Monate nach der Wahl, die Spiegel erneut in das Umweltministerium und zum Amt der stellvertretenden Ministerpräsidentin brachte, seien bei ihr familiär die roten Linien erreicht gewesen.

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Ihr Mann sei sehr stark belastet gewesen. „Es war wirklich an einem Punkt, zum ersten Mal für uns als Familie, wo wir Urlaub gebraucht haben, weil mein Mann nicht mehr konnte.“

Doch ausgerechnet in diese Zeit fällt eine der schwersten Katastrophen der Bundesrepublik seit Jahrzehnten. In der Nacht vom 14. auf den 15. Juli zerstört eine gewaltige Flut das Ahrtal. Ganze Ortschaften werden weggespült, Brücken, Straßen, Schienen abgerissen, mehr als 130 Menschen verlieren im Ahrtal ihr Leben. Es ist die totale Zerstörung und ein schier unfassbares Chaos.

An Kabinettssitzungen nahm sie nicht teil

Sie habe an jenem Morgen einen Krisenstab einberufen, um die Wiederherstellung von Kläranlagen und der Energieversorgung sicherzustellen. Zudem habe sie die Beseitigung von Schutt und Abfall und ein 20 Millionen Euro Sofortpaket in die Wege geleitet.

Die Bundesfamilienministerin Anne Spiegel (Grüne).
Die Bundesfamilienministerin Anne Spiegel (Grüne).

© dpa/Kay Nietfeld

Doch dann, zehn Tage nach der Flut, habe sich Spiegel dazu entschieden, mit ihrer Familie in den Urlaub zu fahren. „Es war für mich eine sehr schwere Abwägung, die ich mir nicht leicht gemacht hatte zwischen meiner Verantwortung als Ministerin und der Verantwortung als Mutter mit vier Kindern, die noch klein sind und die nicht gut durch diese Corona-Pandemie gekommen sind.“

Zwar sei sie im Urlaub telefonisch erreichbar geblieben, habe sich ständig informiert, aber an den Kabinettssitzungen habe sie in dieser Zeit nicht teilgenommen. Am Samstag hatte es Spiegel noch anders behauptet, nun soll sie versucht haben, einer Veröffentlichung durch die „Zeit“ zuvorgekommen sein. Diese hatte auf mehreren Wegen die Kabinettsprotokolle angefragt.

Es sei auch ein Fehler gewesen, dass sie so lange in den Urlaub gefahren sei, sagte Spiegel weiter. „Ich bitte für diesen Fehler um Entschuldigung.“ Ihren Rücktritt erklärte sie in der siebenminütigen Ansprache nicht.

Merz: „Der Bundeskanzler muss sie entlassen“

Zuvor hatte der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) aufgefordert, die Familienministerin zu entlassen. "Es beweist sich erneut: Für Frau Spiegel waren Urlaub und das eigene Image wichtiger als das Schicksal der Menschen an der Ahr. Der Bundeskanzler muss sie entlassen“, sagte Merz der „Bild am Sonntag“, die über Spiegels Urlaub zuerst berichtet hatte.

Scholz will davon allerdings nichts wissen. Er arbeitet nach Angaben der stellvertretenden Regierungssprecherin Christiane Hoffmann „eng und vertrauensvoll“ mit Familienministerin zusammen. Die Sprecherin antwortete am Montag in einer Pressekonferenz in Berlin auf mehrere Nachfragen, ob die Grünen-Politikerin noch die volle Rückendeckung des Bundeskanzlers habe oder ob dieser Gründe für einen Rücktritt sehe.

Die momentan diskutierten Vorgänge fielen in die Zeit, als Spiegel Ministerin in Rheinland-Pfalz gewesen sei, sagte die Sprecherin. „Was die Zusammenarbeit in der Regierung angeht, so schätzt der Bundeskanzler die Ministerin und arbeitet mit ihr eng und vertrauensvoll zusammen.“

Scholz habe Spiegels Statement am Sonntagabend „natürlich“ gesehen, sagte Hoffmann. „Ich kann sagen, dass dieser Auftritt ihn auch persönlich bewegt und betroffen gemacht hat.“ Das sei ein menschlich sehr beeindruckender Auftritt gewesen. Die Grünen äußerten sich bis zum Montagmittag auf dpa-Anfrage nicht zur Zukunft Spiegels.

Auch Wirtschaftsminister Robert Habeck wollte sich zu den Vorgängen nicht im Detail äußern.

Spiegel war Überraschung im Ampel-Kabinett

Spiegel war bereits vor einigen Wochen in die Kritik geraten, weil sie sich direkt nach der Hochwassernacht um ihr Ansehen sorgte. Am 15. Juli schrieb ihr Sprecher an die Ministerin und andere Mitarbeiter: „Anne braucht eine glaubwürdige Rolle.“ Er schlug medienwirksame Termine vor: Anne bei Reparaturarbeiten, bei Hochwasserschutzprojekten, dort, wo neue Gefahren drohen.“

Die Auftritte dürften aber „nicht nach politischer Instrumentalisierung aussehen“. Die Ministerin antwortete ihrem Sprecher: „Das deckt sich mit meinen Überlegungen.“

CDU-Generalsekretär Mario Czaja sagte der „Bild“: „Frau Spiegel erweist sich immer mehr als Fehlbesetzung für das Ressort, das ihr anvertraut wurde. Es scheint unerheblich, ob sie im Urlaub ist oder nicht. Aktiv wird sie nie. Nun lässt sie 700 geflüchtete Waisenkinder im Stich, nur weil der um Hilfe bittende Abgeordnete von der CDU ist. Das zeigt, wie abgehoben ihr Amtsverständnis mittlerweile ist. Wenn die Grünen also landauf, landab scheinheilig Verantwortung einfordern, sollten sie diese auch von ihren eigenen Reihen einfordern. Einer Ministerin ist das Verhalten von Frau Spiegel absolut unwürdig.“

Anne Spiegel war im November 2021 nach den Ampel-Verhandlungen völlig überraschend als Bundesfamilienministern vorgeschlagen und Anfang Dezember ernannt worden. Die Grünen-Politikerin vom linken Parteiflügel war nach einem parteiinternen Streit ins Kabinett gerutscht. „Ich war auch überrascht“, gestand sie in einem Interview mit dem Tagesspiegel. „Zum Glück hatte ich einen Moment, darüber nachzudenken“, sagte Spiegel Ende Dezember. „Denn die Aufgabe ist groß und hat natürlich Auswirkungen auf meine Familie.“

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