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Karin Prien (CDU), Bundesministerium für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

© Imago/Bernd Elmenthaler

Empörung über Priens Haltung zur Migrantenquote: Und jetzt alle mal wieder runter vom Baum

Bundesbildungsministerin Karin Prien spricht über eine Migrantenquote an deutschen Schulen – und die halbe Bildungslandschaft und Parteien aller Couleur geben sich erzürnt. Zurecht?

Stefanie Witte
Ein Kommentar von Stefanie Witte

Stand:

Käme es auf das Ausmaß der Empörung an – Bildungsministerin Karin Prien (CDU) könnte direkt zurücktreten.

In einem bemerkenswerten Schulterschluss von den Linken bis zur AfD scheinen alle einig: Prien will Unvorstellbares, nämlich eine Migrationsquote an allen deutschen Schulen.

Die AfD kritisiert staatlichen Zwang, die Linke spricht von „populistischen Platitüden“. Der Koalitionspartner SPD lehnt eine Quote kategorisch ab: Gute Bildung gelinge durch gezielte Förderung, nicht durch Ausgrenzung. Wer wollte da widersprechen?

Die Grünen fügen noch hinzu: Für diese Frage sei Prien gar nicht zuständig. Selbst die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung echauffiert sich. Lehrerverband und Bertelsmann-Stiftung fürchten, dass Kinder künftig meilenweit in andere Bezirke gefahren werden.

So weit, so eindeutig? Mitnichten.

Gerade in der Bildungspolitik sollte gelten: erst wissen, dann kommentieren. Wer bessere Bildung fordert, hätte sich fünf Minuten nehmen können, um nachzuvollziehen – also zu lernen –, was die Bildungsministerin da eigentlich genau gesagt hat.

Denn wer Priens Umgang mit Quoten derart verurteilt, hat sich entweder nicht damit auseinandergesetzt – oder spricht aus rein taktischen Gründen, ohne echten inhaltlichen Bezug. Und das wäre traurig in einem Bereich, in dem zum Wohle der Bildung ums beste Argument gerungen werden sollte.

Prien ist nicht naiv

Karin Prien war seit 2017 Bildungsministerin in Schleswig-Holstein und man kann ihr – je nach politischer Haltung – vieles vorwerfen. Sie ist konservativ, spitzt zu, macht auch mal einen Fehler, für den sie sich anschließend entschuldigt. Eines aber ist sie nicht: naiv in der Regelung von Bildungsfragen.

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Was also hat Prien tatsächlich gesagt – und was hat sie gemeint? Im Interview mit Welt-TV-Chef Jan Philipp Burgard fragt der Prien nach der Migrationsquote in Dänemark. Dabei geht es nicht um Schulen, sondern um die Zusammensetzung von Stadtteilen.

Sei das auch an Schulen denkbar, will Burgard wissen. Prien antwortet, das sei ein denkbares Modell, es gebe aber auch viele andere, von denen man wisse, dass sie funktionierten. Entscheidend sei etwas anderes, nämlich, dass Kinder im Alter von drei bis sechs Jahren, also vor der Schule, ausreichend Deutsch lernten. Instrumente dazu: Tests und verpflichtende Sprachförderung.

Burgard hakt nach, Prien spricht über eine mögliche Quote von 30 bis 40 Prozent – aber man müsse sich da Erfahrungen aus anderen Ländern ansehen, denn nichts sei schlimmer für Schulen als ständige Strukturreformen. Zumal all das nur auf Landesebene zu entscheiden sei.

Konzepte gibt es also. Nur werden sie nicht umgesetzt […]. Und genau darüber könnten sich Bildungspolitiker und Verbände zu Recht empören.

Tagesspiegel-Redakteurin Stefanie Witte

Was also ist Karin Prien vorzuwerfen? Am ehesten dies: Wenn sie sich ausgerechnet als Bundesbildungsministerin auf die Idee einer Migrantenquote an Schulen einlässt, lenkt sie ab von ihrem eigentlichen Anliegen: von effektiven Lösungen für ein unhaltbares Problem. Mal abgesehen davon, dass das Ganze schon in Berlin nicht umsetzbar wäre.

Hier kommt mittlerweile mehr als die Hälfte der Grundschüler aus zugewanderten Familien. Wie sollte da eine Quote zustande kommen? Und selbst wenn es in mittelgroßen Städten anders aussieht – laut Statistik wird bundesweit in 75 Prozent der Familien mit Einwanderungsgeschichte ausschließlich oder teilweise Deutsch gesprochen. Die Herkunft ist also kein hilfreicher Indikator.

Sinnvoller wäre es also, wie Prien beschrieben hat, auf Sprachkenntnisse zu fokussieren. Klingt simpel: einfach alle Kinder im Vorschulalter testen und fördern.

Berlin macht es vor, könnte man meinen. Hier müssen laut Gesetz alle Kinder ohne (ausreichende) Deutschkenntnisse sprachlich gefördert werden. Fünf Stunden täglich: pro Tag! Es gäbe sogar genug Kitaplätze dafür. Aber: Viele werden am Ende doch nicht gefördert, weil die Eltern ihren Nachwuchs gar nicht erst zum vorgeschriebenen Sprachtest bringen.

Und dabei bleibt es dann. Die Bezirke reden sich mit Personalmangel raus – und wollen teils auch lieber keine Bußgelder verhängen.

Konzepte gibt es also. Nur werden sie nicht umgesetzt – nicht nur in Berlin. Und genau darüber könnten sich Bildungspolitiker und Verbände zu Recht empören.

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