zum Hauptinhalt
Erschöpft, aber doch erleichtert, haben Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) in der Mitte des Bildes, die Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann (Grüne) ganz links im Bild, und von Niedersachsen, Stefan Weil (SPD), neben Altmaier im April den Endlagerkompromiss verkündet. Ganz rechts im Bild ist der grüne Fraktionsvorsitzende Jürgen Trittin zu sehen, neben ihm steht die FDP-Berichterstatterin Angelika Brunkhorst. Zwischen Kretschmann und Altmaier steht die Unions-Berichterstatterin Maria Flachsbarth (CDU).

© dpa

Endlagerkommission: Keine Entscheidung im Bundestag mehr vor der Wahl

Die Bund-Länder-Kommission, die Kriterien für die Suche nach einem Atomendlager entwerfen soll, ist teil des Endlagerkompromisses vom April. Sie sollte unbedingt noch vor der Wahl bestimmt werden. Doch der Bundestag wird kommende Woche nicht über die Besetzung entscheiden.

Die Endlager-Kommission wird erst nach der Bundestagswahl eingesetzt. Entgegen der Beschlüsse des Kompromisses über ein neues Standortauswahlgesetz für ein Atomendlager wird die Kommission nun nicht mehr in der letzten Bundestagssitzung in der kommenden Woche bestimmt. Das Thema steht nicht auf der Tagesordnung für die beiden Plenartage am Montag und Dienstag.

Matthias Miersch, SPD-Umweltpolitiker, und Rebecca Harms, grüne Fraktionsvorsitzende im Europaparlament, begrüßten die Verschiebung. Miersch und Harms schreiben in einer gemeinsamen Presseerklärung, die Bund-Länder-Kommission solle "nicht durch die Bundestagswahl belastet werden". Was insofern ein originelles Argument ist, als mit dem gleichen Argument das Endlagersuchgesetz, die Entscheidung, auf Gorleben als Zwischenlager für Castor-Behälter aus britischen und französischen Wiederaufarbeitungsanlagen zu verzichten, sowie die Besetzung der Endlager-Kommission noch vor der Bundestagswahl erledigt werden sollten. Harms und Miersch verschickten ihre Bewertung der Verschiebung bereits am späten Freitagvormittag. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Berichterstatterinnen von Union und Grünen, Maria Flachsbarth und Sylvia Kotting-Uhl, nach Tagesspiegel-Informationen die Hoffnung noch nicht aufgegeben, doch noch kurzfristig den Beschluss über eine Rumpfkommission auf die Tagesordnung zu bringen. Die SPD-Berichterstatterin Ute Vogt dagegen bezeichnete den Schritt am Freitag als „konsequent“.

Schon seit Anfang der Woche zeichnete sich ab, dass das Thema vertagt werden würde – wie vorher schon die Frage, wo die Castor-Behälter, die nicht mehr nach Gorleben rollen sollen, stattdessen zwischengelagert werden sollen. Dabei hatten sich die fünf Berichterstatterinnen der Bundestagsfraktionen mühsam auf ein Personaltableau für die 33-köpfige Kommission geeinigt. Die Fraktionschefs scheint das jedoch nicht überzeugt zu haben.

Ob die Besetzung der Bund-Länder-Kommission, die innerhalb von zwei Jahren Kriterien für die Endlagersuche erarbeiten soll, nach der Wahl so bleibt, wie sie sich zuletzt abgezeichnet hat, ist schwer einschätzbar. Die fünf Berichterstatterinnen, neben Flachsbarth, Kotting-Uhl und Vogt waren das auch noch Dorothée Menzner (Linke) und Angelika Brunkhorst (FDP), wollten die scheidende Staatssekretärin im Bundesumweltministerium, Ursula Heinen-Esser (CDU) zur Vorsitzenden der Kommission machen. Heinen-Esser kandidiert nicht wieder für den Bundestag. Sylvia Kotting-Uhl (Grüne) lobte sie in der "Tageszeitung" als Politikerin, die "hervorragend moderieren und Positionen zusammenführen" könne. Flachsbarth sagte dem Blatt: "Ursula Heinen-Esser hat jenseits des Parteienproporzes gezeigt, dass sie in der Lage ist, auf die Zivilgesellschaft zuzugehen." Das hatte sie vor allem bei der Bewältigung der Krise rund um das Skandal-Endlager Asse in Niedersachsen bewiesen. Die fünf Berichterstatterinnen, die nicht nur die Lex Asse sondern auch das Standortauswahlgesetz endgültig ausgehandelt hatten, hatten in Heinen-Esser eine verlässliche Partnerin im Umweltministerium gefunden. Allerdings war es ein Risiko, ihren Namen schon vor der entscheidenden Bundestagssitzung zu nennen. Denn beschließen muss darüber der gesamte Bundestag. Zuvor war der Chef der RAG-Steinkohlestiftung und ehemalige Wirtschaftsminister Werner Müller als möglicher Vorsitzender im Gespräch gewesen.

Die Wirtschaft schickt Atomfans, die Umweltverbände zieren sich

Dass die acht Vertreter des Bundestags für die Kommission erst nach der Wahl berufen werden würden, zeichnete sich schon seit ein paar Wochen ab. Zumindest die großen Parteien werden mehr als eine Abgeordnete in die Kommission schicken, und wer von den beiden großen Parteien drei Vertreter schicken darf, entscheidet sich wohl erst mit der Wahl. Sollten jedoch noch mehr Parteien in den Bundestag einziehen, müsste die Verteilung ohnehin neu verhandelt werden. Die Berichterstatterinnen selbst werden mit Ausnahme von Dorothée Menzner mit hoher Wahrscheinlichkeit auch dem nächsten Bundestag angehören. Maria Flachsbarth (CDU) steht dank des unerwarteten Abgangs von Eckhart von Klaeden inzwischen auf dem vierten Listenplatz ihrer Partei in Niedersachsen. Sylvia Kotting-Uhl (Grüne) hatte zwar den ersten Listenplatz ihrer Partei in Baden-Württemberg gegen Kerstin Andreae verloren. Aber auf Platz drei dürfte auch sie ziemlich sicher dem nächsten Parlament angehören. Das gilt auch für Ute Vogt (SPD), die auf der Landesliste ihrer Partei in Baden-Württemberg auf Platz sechs gesetzt worden ist. Angelika Brunkhorst (FDP) steht in Niedersachsen direkt hinter dem Parteichef Philipp Rösler und seinem Generalsekretär Patrick Döring ebenfalls auf Platz drei. Wenn es die FDP in den Bundestag schafft, dürfte auch Angelika Brunkhorst wieder ins Parlament einziehen. Dorothée Menzner dagegen kandidiert nur noch als Direktkandidatin für die Linke in Niedersachsen. Auf der Landesliste ist sie nicht mehr vertreten.

Wie bei den Bundestagsabgeordneten könnte sich auch bei den acht Vertretern der 16 Landesregierungen noch einiges verschieben. Schließlich wird in den kommenden drei Wochen auch in Hessen und in Bayern jeweils ein neuer Landtag gewählt. Wochenlang hatten die Berichterstatterinnen und die Ländervertreter über den Proporz der Ländervertreter gestritten. Eine endgültige Einigung ist nach Tagesspiegel-Informationen nicht erzielt worden. Nun sollen die Wahlen abgewartet werden.

Die scheidende Staatssekretärin im Bundesumweltministerium, Ursula Heinen-Esser (CDU), ist aus Sicht der Berichterstatterinnen der Bundestagsfraktionen die Favoritin auf den Vorsitz der Endlagerkommission, die nun doch erst nach der Wahl bestimmt werden soll.
Die scheidende Staatssekretärin im Bundesumweltministerium, Ursula Heinen-Esser (CDU), ist aus Sicht der Berichterstatterinnen der Bundestagsfraktionen die Favoritin auf den Vorsitz der Endlagerkommission, die nun doch erst nach der Wahl bestimmt werden soll.

© dpa

Dafür sind einige andere Personalien längst klar. Die Energiewirtschaft hat mit dem Chef des Deutschen Atomforums, Ralf Güldner, der zudem zum Eon-Management gehört, und mit Gerd Jäger, der beim Energiekonzern RWE die Atomkraftsparte verantwortet, zwei bekennende Anhänger des umstrittenen Salzstocks in Gorleben als Atomendlager in die Kommission geschickt. Die katholische Kirche entsendet den ehemaligen sächsischen Ministerpräsidenten Georg Milbradt (CDU) in die Kommission. Die evangelische Kirche hat den niedersächsischen Landesbischof Ralf Meister als Vertreter benannt. Die Gewerkschaften benannten nach einer offenbar kontroversen Diskussion den stellvertretenden Vorsitzenden der Dienstleistungsgewerkschaft Erhard Ott und die Vorstandsfrau der IG Bergbau - Chemie - Energie, Edeltraud Glänzer. Mehrere Umweltverbände, unter ihnen Greenpeace und der BUND, verweigern sich der Endlagerkommission und haben ihre Nicht-Teilnahme erklärt. Der Deutsche Naturschutzring will am Wochenende, zwei Wochen nach der eigentlichen Meldefrist, doch noch zwei Vertreter von Umweltverbänden für die Kommission bestimmen.

Bis zuletzt hatten die Berichterstatterinnen im Bundestag über die Besetzung der acht Plätze für Wissenschaftler gestritten. Die Union beharrt auf Bruno Thomauske, der in seiner Zeit beim Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) die Erkundung des Salzstocks in Gorleben zeitweise verantwortet hat. Später wechselte Thomauske zu Vattenfall und leitete dort die Atomkraftsparte, bis er wegen fortlaufender Pannen in den Atomkraftwerken Brunsbüttel und Krümmel gehen musste. Seit 2008 lehrt Thomauske an der RWTH Aachen als Professor für den Nuklearen Brennstoffkreislauf. Gegen Thomauske hatten nicht nur die Grünen schwere Bedenken, dennoch blieb Thomauske bis zum Schluss gesetzt. Offenbar gilt auch Michael Sailer, Geschäftsführer des Öko-Instituts Freiburg und in Darmstadt lange Jahre Leiter der Atomsicherheits- und Endlagerforschung des Instituts, als gesetzt. Darüber hinaus sind weitere Namen im Gespräch. Wie die Einigung genau aussah, wollte jedoch am Freitag keine der Berichterstatterinnen offen legen. Aller Voraussicht nach beginnen die zähen Verhandlungen erst nach den Koalitionsverhandlungen, vermutlich pünktlich zu Weihnachten wieder. Wann die Endlagerkommission arbeitsfähig sein wird, ist damit weiter offen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false