
© dpa/Michael Kappeler
Entscheidende Stunden im Bundestag: Geht die FDP oder lässt sie sich halten?
Wird sich die Ampel-Koalition bis Mittwochabend zusammenraufen oder nicht? Aus dem politischen Berlin sind am Dienstag unterschiedliche Signale zu hören.
Stand:
Die FDP tut so, als ginge es in diesen Stunden nicht ums Ganze, SPD und Grüne bangen derweil um den Fortbestand der Koalition – und die Opposition hält die Ampel-Regierung für gescheitert. Am Dienstag gingen die offiziellen Einschätzungen in Regierung und Opposition über den Zustand der Koalition weit auseinander.
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sprach am Dienstagnachmittag von „Kindereien“ und bezeichnete den FDP-Wirtschaftsgipfel der vergangenen Woche als „albern“. Die Auseinandersetzungen könnten allerdings äußerst ernste Konsequenzen haben. In FDP-Kreisen wird nach Tagesspiegel-Informationen fest damit gerechnet, dass Christian Lindner die Koalition bald platzen lässt, möglicherweise noch in dieser Woche. Eine Überraschung wäre für viele Insider mittlerweile eher, wenn es doch noch anders käme – zum Beispiel, weil SPD und Grünen den Liberalen so weit entgegenkommen, dass die einen Koalitionsbruch in unsicheren Zeiten schlicht nicht mehr vertreten könnten.
Die Lösung wird sicherlich nicht auf der Basis des Papiers erfolgen können.
Vizekanzler Robert Habeck über die Lindner-Ideen
Vizekanzler Robert Habeck zog aber am Dienstag auf der Tagesspiegel-Konferenz „Future Sustainability Week“ eine rote Linie. Mit Blick auf das Grundsatzpapier von Christian Lindner, das das Regierungsbündnis seit Freitag in Aufruhr versetzt, sagte er: „Die Lösung wird sicherlich nicht auf der Basis des Papiers erfolgen können.“ Zwei Prinzipien seien nämlich nicht berücksichtigt: die soziale Gerechtigkeit als Kriterium für Handelsmaßgaben sowie der Klimaschutz.
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Die Rede ist von einer „Provokation“
Bundeskanzler Olaf Scholz erklärte am Dienstag am Rande eines Treffens mit dem somalischen Präsidenten Hassan Sheikh Mohamud, er halte eine Einigung noch für möglich. „Was die Situation betrifft der weiteren Arbeit der Regierung geht es darum, dass man sich dem Land verpflichtet fühlt, dass es nicht um Ideologie geht“, sagte der Scholz. „Und klar ist, es ginge. Insofern ist die Frage nicht, ob man es überhaupt hinkriegen kann, sondern es ist möglich, und da müssen jetzt alle arbeiten.“
Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge sprach sich ebenfalls für eine Fortsetzung aus: „Wir wollen in dieser Koalition Verantwortung übernehmen“, betonte sie und verwies auf die Herausforderungen durch die US-Wahlen, die Wirtschaftsflaute und den Klimaschutz. „All das ist ein Auftrag, was hinzukriegen. Und all das ist kein Auftrag dafür wegzulaufen.“ Jetzt sei nicht die Zeit, „sich gegenseitig mit den radikalsten Vorschlägen zu überbieten“, kritisierte Dröge mit Blick auf die FDP. Das jüngste Positionspapier des FDP-Vorsitzenden Christian Lindner sei eine Provokation, für die sie kein Verständnis habe.
Linder wies den Vorwurf der Provokation postwendend zurück. Viele Vertreter aus Wirtschaft und Wissenschaft fänden seine Vorschläge sinnvoll für Wachstum und Arbeitsplätze. „Gegenvorschläge sind willkommen“, schrieb der Finanzminister auf der Plattform „X“. FDP-Fraktionschef Christian Dürr plädiert indes für einen „echten Richtungswechsel“.
Die Bevölkerung ist völlig fassungslos, was da in der deutschen Bundesregierung passiert.
CDU-Chef Friedrich Merz
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt forderte auch angesichts der internationalen Auswirkungen der US-Wahl ein schnelles Ende der Ampel-Koalition. Dobrindt sprach von einer „Dead-Man-Walking-Woche der Ampel“. Es sei zu erwarten, dass die Koalition an diesem Mittwoch keine Beendigung des Streits über den Haushalt und die zukünftige Wirtschaftspolitik finden werde, machte er mit Blick auf den Koalitionsausschuss von SPD, Grünen und FDP deutlich.
Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) forderte Klarheit. Merz sagte: „Die Bevölkerung ist völlig fassungslos, was da in der deutschen Bundesregierung passiert.“ Entweder die Koalition raufe sich zusammen, oder sie mache den Weg frei für Neuwahlen. Mit Blick auf eine Minderheitsregierung sagte Merz, er schließe aus, dass die Union „in den Rest einer solchen Regierung“ eintrete.
Der Mann, auf den es nun ankommt, verließ die FDP-Fraktionssitzung am Dienstagabend mit einem breiten Grinsen. Er habe nichts Neues zu sagen, sagte Lindner gegenüber dem Tagesspiegel.
Am Mittwoch sollen die Krisengespräche zwischen Bundeskanzler, Vizekanzler und Finanzminister sowie Staatssekretären fortgesetzt werden. Für den Vormittag und Nachmittag, also vor dem Koalitionsausschuss am frühen Abend. (mit dpa)
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