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Recep Tayyip Erdogan und Wladimir Putin (v.l.).

© IMAGO/UPI Photo

Türkischer Präsident lässt Putin warten: Erdogans kleine Rache und was ihn im Ukraine-Konflikt umtreibt

Die Türkei geht ihren eigenen Weg. Sie liefert Kampfdrohnen an Kiew, beteiligt sich aber nicht an Sanktionen gegen Russland. Was dahinter steckt.

Wladimir Putin wartet. Fast eine Minute lang steht der Kremlchef allein in einem Konferenzzimmer in Teheran vor den Kameras herum wie bestellt und nicht abgeholt – und so ist es tatsächlich. Putin verschränkt die Hände vor dem Bauch, tritt von einem Bein aufs andere und schaut zur Tür.

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Schließlich hebt er erleichtert die Arme, als sein verspäteter Gesprächspartner zur Tür hereinkommt. „Hallo, wie geht’s? Gut?“, sagt der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan, als wäre nichts gewesen, und ergreift Putins ausgestreckte Hand.

Dass amtliche türkische Medien das Video vom einsamen Putin am Mittwoch verbreiteten, dürfte kein Zufall gewesen sein. „War es Rache?“ fragt die türkische Nachrichtenplattform T24 in einer Überschrift. Türkische Zuschauer wissen, was damit gemeint ist.

Vor zwei Jahren ließ Putin den türkischen Präsidenten im Kreml in einem Vorzimmer warten; das russische Staatsfernsehen strahlte die Bilder des ratlos dreinschauenden Präsidenten und seiner Entourage damals mit einem Sekundenzähler versehen aus. Fast zwei Minuten schmorten die Türken im Wartezimmer. Nun ist man quitt.

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Erdogans kleine Rache in Teheran blieb allerdings der einzige greifbare Erfolg für die türkische Seite beim Gipfeltreffen mit Putin und dem iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi. Der türkische Präsident wollte sich in der iranischen Hauptstadt grünes Licht von Russland und dem Iran für eine neue Militärintervention in Syrien holen, scheiterte aber.

Ein endgültiges Ja von Putin zu einer fast fertig ausgehandelten Vereinbarung, die ukrainischen Weizenexporte durch das Schwarze Meer ermöglichen soll, blieb ebenfalls aus. Dabei war Erdogan mit der Hoffnung nach Teheran gereist, die besondere Rolle der Türkei auf der internationalen Bühne herausstreichen zu können.

Immerhin ist er der erste Staatschef eines Nato-Landes, der seit Ausbruch des Ukraine-Krieges persönlich mit Putin sprach. Die beiden Präsidenten arbeiten seit Jahren zusammen und konnten Interessengegensätze in Syrien, Libyen und im Kaukasus bisher zugunsten gemeinsamer Ziele zurückstellen.

Die Türkei bietet sich immer wieder als Vermittler an

Bei westlichen Politikern erweckten Erdogans enge Kontakte zu Putin manchmal den Eindruck, als wolle sich die Türkei vom Westen abwenden. Erdogans kürzliche Veto-Drohung gegen den Nato-Beitritt von Finnland und Schweden fachte die Spekulationen darüber an.

Auch im Ukraine-Konflikt geht die Türkei einen eigenen Weg. Sie liefert der Ukraine zwar Kampfdrohnen und kritisiert den russischen Überfall auf das Nachbarland, beteiligt sich aber nicht an westlichen Sanktionen gegen Moskau, bietet sich als Vermittler an und bemühte sich um einen direkten Draht zum Kreml.

Im Gegenzug erwartet Ankara russisches Entgegenkommen in Syrien. Die Türkei wolle die Unterstützung von Russland und Iran „im Kampf gegen Terrororganisationen“, sagte Erdogan in Teheran und meinte damit den türkischen Plan, die Kurdenmiliz YPG aus dem Grenzgebiet im Norden Syriens mit einem Truppeneinmarsch zu vertreiben.

Doch der Präsident holte sich eine Abfuhr. Bei diesem Thema gebe es Differenzen mit Russland und dem Iran, musste Erdogan auf der Rückreise aus Teheran vor türkischen Journalisten einräumen. Lediglich in der Forderung nach Abzug der US-Truppen aus dem Nordosten Syriens war man sich einig.

Eine Konfrontation mit Moskau kann sich die Türkei nicht leisten

Nach dem Gipfel von Teheran stehe fest, dass sowohl die USA als auch Russland und der Iran gegen eine neue türkische Intervention zur Bekämpfung der YPG seien, schrieb der türkische Journalist Murat Yetkin in seinem Blog „Yetkin-Report“ am Mittwoch. Ein Einmarsch unter diesen Umständen wäre riskant, denn eine Konfrontation mit Moskau kann sich die Türkei nicht leisten.

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In Syrien braucht Ankara das Wohlwollen der russischen Regierung, um neue Gefechte in der Rebellenprovinz Idlib und damit eine neue Massenflucht in die Türkei zu verhindern. Wirtschaftlich hängt die Türkei von Gas- und Öllieferungen aus Russland ab. Im Jahr 2015 stoppte der Kreml wegen Verstimmungen mit der Türkei zudem vorübergehend Urlaubsflüge aus Russland an die türkische Riviera und fügte der türkischen Tourismusindustrie damit schweren Schaden zu.

Als wichtigste Militärmacht in Syrien könnte Russland den türkischen Truppen bei einem Einmarsch das Leben schwer machen. Wenn Putin den Luftraum über dem Einsatzgebiet für die türkische Luftwaffe sperrt, muss Ankara mit größeren Verlusten rechnen. Erdogan will die Intervention deshalb offenbar aufschieben. Die Türkei wolle beim Einmarsch „Russland und den Iran an unserer Seite haben“, sagte er auf dem Rückflug aus Teheran. Derzeit sei das aber nicht der Fall.

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