zum Hauptinhalt
Seniorenpaar und Schriftzug Rente (Symbolbild)

© imago/Christian Ohde

Geld für künftige Pensionszahlungen: Erdöl in „nachhaltigen“ Anlagen des Bundes

Pensionszahlungen werden nach Nachhaltigkeitskriterien umgestellt. Kritiker sehen jedoch keine bemerkbaren Änderungen.

Stand:

Die Bundesregierung schichtet Milliarden von Euro, die sie für künftige Pensionszahlungen und Altenpflegekosten in Aktien angelegt hat, nach Nachhaltigkeitskriterien um. Allzu klimafreundlich geht es dabei aber anscheinend nicht zu, geht aus einer Stellungnahme des Innenministeriums hervor.

Vier Geldtöpfe sollen für die Bundesregierung 10,8 Milliarden Euro in Aktien anlegen und bei deren Auswahl auch das Klima berücksichtigen. Bislang wurde bei der Entscheidung, welche Aktien gekauft werden, kaum auf die Nachhaltigkeit der Unternehmen geachtet. Doch bis Ende nächsten Jahres soll das gesamte Vermögen klimafreundlich umgeschichtet werden, geht aus einer Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine sogenannte kleine Anfrage der grünen Bundestagsabgeordneten Lisa Paus hervor.

[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Es geht um Geld für künftige Pensionszahlungen an Staatsbedienstete und für Altenpflegekosten: die Versorgungsrücklage und den Versorgungsfonds des Bundes, den Versorgungsfonds der Bundesagentur für Arbeit sowie den Vorsorgefonds der sozialen Pflegeversicherung. Deren Aktieninvestments würden analog zu zwei Indizes angelegt werden, bei denen die enthaltenen Wertpapiere und deren Gewichtung auch nach der Klimafreundlichkeit ausgewählt würden, teilte das Innenministerium mit. Die Bundesregierung hatte die Umschichtung dieser Aktienanlagen in ihrer Sustainable-Finance-Strategie in Aussicht gestellt.

Das Innenministerium kündigte in seiner Antwort an, darüber hinaus als weiteren Beitrag der Kapitalanlagen des Bundes zur Begrenzung der Erderwärmung auch Anleihen entsprechend auszuwählen: „Es ist geplant, Nachhaltigkeitskriterien auch für festverzinsliche Schuldverschreibungen festzulegen“, schrieb es. Die Summe der laut dem Ministerium in den vier Geldtöpfen liegenden gedeckten Schuldverschreibungen beträgt mehr als elf Milliarden Euro.

Wasserdampf steigt am frühen Morgen aus den Kühltürmen des Braunkohlekraftwerks (Symbolbild)

© Patrick Pleul/dpa

Das Ministerium lehnte es ab, alle Unternehmen zu nennen, die in den beiden Aktienindizes enthalten sind, „um mögliche Marktmanipulation durch Dritte auszuschließen“. Es verriet aber die jeweils zehn größten Positionen, unter denen auch der Erdölkonzern Total Energies und der Chemie- und Erdgaskonzern BASF sind, daneben Softwareanbieter, Banken, Chip-, Pharma- sowie Konsumgüterhersteller und andere.

Auskunft zu Kohle-Investitionen wäre laut Ministerium „irreführend“

Horst Seehofers Ministerium beantwortete auch nicht die Frage, wie die Bestände an Kohle-, Öl- und Gas-Aktien sich durch die Umschichtung entwickeln, und begründete dies damit, dass diese Auskunft „irreführend“ wäre, weil der Bundestag eine Erhöhung der Aktienquote der Versorgungsrücklagen beschlossen habe. Kernkraftwerksbetreiber seien aber nicht enthalten.

Paus kritisierte die „Geheimniskrämerei“: „Die Bundesregierung scheint sich ihrer eigenen Versäumnisse bewusst und druckst daher bei den Antworten auf unsere Anfrage herum.“

Die für die Umschichtung verwendeten Indizes orientierten sich an der „Climate Transition Benchmark“ der EU, erklärte das Innenministerium. Dieser „Referenzwert für klimabedingten Wandel“ beruht auf einer Verordnung für Anlageprodukte, deren Vermögenswerte so ausgewählt, gewichtet und ausgeschlossen werden, dass das resultierende Portfolio sich in Richtung einer Abbremsung des Klimawandels bewegt. Dafür müssen die enthaltenen Unternehmen insgesamt anfänglich 30 Prozent weniger Treibhausgase ausstoßen als die Unternehmen in einem vergleichbaren Index ohne Klimakriterien.

[Behalten Sie den Überblick über die Entwicklung in Ihrem Berliner Kiez. In unseren Tagesspiegel-Bezirksnewslettern berichten wir über Ihre Nachbarschaft. Kostenlos und kompakt: leute.tagesspiegel.de.]

Nicht der klimafreundlichste Referenzwert

Die EU-Verordnung enthält auch Vorgaben für Anlageprodukte, die noch klimafreundlicher sein wollen: Beim „Paris-abgestimmten Referenzwert“ müssen die Emissionen anfänglich um 50 Prozent niedriger sein. In Kohle-, Erdöl- und Erdgasunternehmen sowie Kraftwerksbetreiber mit hohem CO2-Ausstoß darf gar nicht investiert werden. Auf Paus‘ Frage, warum die Regierung sich nicht für eine Orientierung an diesem Referenzwert entschieden habe, antwortete das Ministerium, er könne „durch Einschränkungen bei der Unternehmensauswahl bei großvolumigen Fonds zu Liquiditätsengpässen führen“. Zudem stelle auch der Referenzwert für klimabedingten Wandel auf eine Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius ab.

Hand einer Seniorin mit Euroscheinen (Symbolbild)

© Jan Tepass/imago

Paus hingegen bezeichnete die Desinvestitionsstrategie der Bundesregierung als „halbherzig“. „Es ist fraglich, ob das für das 1,5-Grad-Ziel nach dem Pariser Klimaabkommen reicht“, meinte sie. Die Anlagepolitik des Landes Berlin nennt sie als vorbildliches Beispiel: Das Bundesland sei dort, wo es das in der Hand habe, schon vor vier Jahren konsequent aus Kohle, Öl und Gas ausgestiegen und es werde transparent gemacht, wie das Geld angelegt werde.

Das Innenministerium teilte mit, 65 Prozent des Geldes in seinen vier Vorsorgetöpfen würden bis Ende dieses Jahres gemäß einem der beiden ausgewählten Indizes investiert, der Aktien aus der Eurozone umfasst. Die Umschichtung der übrigen 35 Prozent soll bis Ende nächsten Jahres abgeschlossen sein.

Kohle im Portfolio der Versorgungsanstalt

Das Ministerium äußerte sich auch zur Kapitalanlage der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL), einem weiteren staatlichen Geldtopf für die betriebliche Altersversorgung von Beschäftigen. Diese hat Hunderte Millionen Euro in Kohleunternehmen gesteckt, geht aus der Antwort hervor: Mehr als 368 Millionen Euro, gut 0,6 Prozent des Gesamtanlagevermögens der VBL, seien in Unternehmen investiert, die auf der Global Coal Exit List stehen.

Die VBL habe für die Vertretung ihrer Interessen gegenüber den Unternehmen in ihrem Portfolio einen Dienstleister beauftragt, der sich „im Rahmen diverser Arbeitskreise“ wie dem Fondsverband BVI „aktiv für die Weiterentwicklung der Integration von Nachhaltigkeitskriterien in die Unternehmenspolitik“ einsetze. Einem mandatierten Dienstleister, der eine Vielzahl von Investoren vertrete, werde höheres Gewicht bei Abstimmungen beigemessen, erklärte das Ministerium mit Blick auf die Entscheidung, dass die VBL ihre Anliegen nicht selbst bei den Unternehmen vorträgt, in die sie investiert.

„2020 hat der Dienstleister Engagementgespräche mit über 100 Unternehmen geführt, wobei die Vermögensbestände aller durch den Dienstleister vertretenen Investoren betroffen waren“, teilte das Ministerium mit. Eine Nachfrage von Tagesspiegel Background bezüglich möglicher unterschiedlicher Interessen unter den vertretenen Investoren, von denen manche vielleicht lieber höhere Profite als mehr Nachhaltigkeit anstreben, beantwortete es zunächst nicht. Bei dem Dienstleister handelt es sich laut der Versicherteninitiative SustainVBL um die Deka-Bank der Sparkassen (siehe auch Standpunkt in Tagesspiegel Background).

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })