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Erfolge von Rechtspopulisten: Wir wehren uns nicht professionell genug
Frank-Walter Steinmeier hat recht: Wer die Demokratie bewahren will, muss sie verteidigen mit derselben Zielstrebigkeit, die ihre Gegner längst professionalisiert haben.

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Die große politische Rede, die nachhallt, ist ein Format, das der deutschen Politik abhandengekommen ist. Angela Merkel und Olaf Scholz sprachen, als wollten sie ein Handbuch aktualisieren, nicht ein Land inspirieren. Friedrich Merz ist rhetorisch nach wie vor der Oppositionspolitiker aus den späten 90ern. Und Frank-Walter Steinmeier verströmte als Bundespräsident bislang eher den Charme eines Gastgebers im öffentlich-rechtlichen Vorabendprogramm.
Umso bemerkenswerter ist, wie klar und kritisch er sich mit seiner Rede zum 9. November positioniert – so deutlich wie nie zuvor spricht er zu einem der wichtigsten Themen unserer Zeit: dem Schutz unserer Demokratie. Er spricht ein zentrales Versagen von Demokratien weltweit an, wenn er sagt: „Das Drehbuch der Antidemokraten, so scheint es uns manchmal, geht mühelos auf.“
Denn die Rechtspopulisten dieser Welt haben gelernt, ihre Politik wie ein schnell wachsendes Start-up zu betreiben: innovativ und skrupellos. Aktuell unterhöhlen sie die Demokratie effizienter, als ihre Verteidiger sie schützen.
In den USA geschah der Angriff auf die Institutionen mit Ansage: Im Project 2025 war er weit vor Donald Trumps zweitem Wahlsieg angekündigt. Der Maga-Bewegung gelang es, sich mit der vielleicht mächtigsten Gruppe überhaupt zu verbünden: den globalen Tech-Milliardären, deren Algorithmen Stimmungen steuern und deren Vermögen das ganzer Staaten übertrifft.
In Deutschland sehen wir dabei zu, wie die AfD mit hochprofessioneller Social-Media-Arbeit jene in großer Zahl erreicht, die demokratische Parteien verloren haben – die Jüngeren und Enttäuschten.
Wenn Steinmeier nun sagt „Wir müssen handeln“, hat er recht. Denn wer die Demokratie bewahren will, muss sie verteidigen mit derselben Zielstrebigkeit, Disziplin und Leidenschaft, die ihre Gegner längst perfektioniert haben. Zu attraktiv sind die vermeintlich einfachen Lösungen, von denen die Populisten behaupten, sie zu haben.
Gerade in der Bundesregierung sehen wir aber in den vergangenen Jahren, dass sowohl die Ampel als auch Schwarz-Rot ihre Energien damit verschwendet haben, gegeneinander zu kämpfen statt gegen jene, die sie tatsächlich in ihrem Kern entmachten wollen.
Und während die einen ihre Angriffsmethoden perfektionieren, zermürben sich die anderen bei Gefechten um Heizungsgesetze, D-Day-Papiere und Richterinnen-Wahlen. Es war also an der Zeit, dass jemand wie Steinmeier an Mitte-Links und Mitte-Rechts appelliert, sich nicht gegenseitig zu diskreditieren, in Anbetracht dessen, was auf dem Spiel steht.
Steinmeier sagt, dass die Aufgabe eine gesamtgesellschaftliche ist, bei Lehrern und Polizistinnen anfängt und bis zur Zusammenarbeit in der Bundesregierung reicht. Man könnte diesen Anspruch sogar noch weiter formulieren, gerade weil sich insbesondere bei den Jüngeren Frauen und Männer in ihren politischen Ansichten immer weiter voneinander entfernen: die Frauen werden linker, die Männer rechter.
Wir sehen in unserem privaten Umfeld, dass es wohliger ist, sich in seine eigene Echokammer zurückzuziehen als einen Konflikt im Zweifelsfall auf einer Familienfeier oder bei einem Date auszutragen. Am Ende werden wir Freiheit und Demokratie nur schützen können, wenn wir unsere Dialogfähigkeit bewahren.
Steinmeier hat auch recht, wenn er sagt, dass jede Anbiederung an Rechts die antidemokratischen Kräfte stärkt. Dabei sehen wir an Wahlerfolgen von Demokraten wie kürzlich in den Niederlanden, dass die Antwort nur sein kann, nicht den Untergangspropheten nachzulaufen, sondern selbstbewusst Lösungen für eine bessere Zukunft anzubieten; ungeschönt Probleme anzusprechen, aber dabei anständig in der Sprache zu bleiben, mit Wärme im Tonfall.
Und wenn es den Parteien dann noch gelingen würde, dass es charismatische Personen an die Spitze schaffen, anstelle von Machtverwaltern, dann wäre das für die Demokratie sicher hilfreich.
„Tun wir, was getan werden muss!“, schließt Steinmeier seine Rede. Hoffentlich hören viele zu.
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