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Warum wird Autobenzin stark besteuert, Kerosin für Flugzeuge aber staatlich begünstigt? Die Ungleichbehandlung ist Umweltschützern schon lange ein Dorn im Auge.

© Daniel Reinhardt/dpa

Umweltschädliche Subventionen: Es geht um Flüge, Dienstwagen und Diesel

65 Milliarden Euro kosten umweltschädliche Subventionen den Bund, sagt das Bundesumweltamt. Und fordert die Ampelkoalition auf, die Hälfte von ihnen zu streichen.

Von Hans Monath

Dirk Messner spricht von einem einmaligen „Gelegenheitsfenster“ – und das soll eine künftige Ampelkoalition nach dem Willen des Präsidenten des Bundesumweltamtes (UBA) unbedingt nutzen. Weil SPD, Grüne und FDP milliardenschwere Investitionen in Klimaschutz, Digitalisierung und Infrastruktur planen, gleichzeitig die Schuldenbremse einhalten und auf Steuererhöhungen verzichten wollen, brauchen sie dringend Finanzquellen für ihre künftige Regierungspolitik.

Messner und sein UBA drängen deshalb nun energisch auf eine Operation, die sie in regelmäßigen Abständen der Politik schon in der Vergangenheit empfohlen haben: den Abbau von umweltschädlichen Subventionen.

Noch nie sei die Gelegenheit dafür so günstig gewesen, sagte Messner am Donnerstag bei der Vorstellung einer UBA-Studie zum Thema. Demnach summieren sich die Vergünstigungen oder Förderungen des Bundes, welche Umwelt und Klima belasten, auf insgesamt 65 Milliarden Euro (Stand 2018) – und damit auf acht Milliarden Euro mehr als bei der letzten Berechnung für das Jahr 2012. Dabei sind die Hilfen von Kommunen und Ländern noch nicht mitgezählt.

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Er sehe „Bewegung“ bei den drei Parteien, sagte Messner und verwies auf die Selbstverpflichtung der drei Partner auf den Klimaschutz und das Wort von der „Jahrhundertaufgabe“ des ökologischen Umbaus der Industriegesellschaft, das SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz geprägt hatte.

Tatsächlich haben sich SPD, Grüne und FDP schon in ihrem Sondierungspapier genau das vorgenommen, was das UBA nun fordert. „Wir wollen zusätzliche Haushaltsspielräume dadurch gewinnen, dass wir den Haushalt auf überflüssige, unwirksame und umwelt- und klimaschädliche Subventionen und Ausgaben überprüfen“, heißt es darin.

So weit, so gut. Die Probleme beginnen, wenn es konkret wird. Die UBA-Studie behauptet, ein Abbau der Subventionen komme vor allem Beziehern kleinerer Einkommen zugute, sei also sozial gerecht. Vor allem SPD und FDP dürften sich bewusst sein, dass etwa die Aufhebung des Steuerprivilegs für Diesel und die Streichung der Pendlerpauschale in Zeiten gestiegener Energiepreise wohl massiven Widerstand provozieren würden.

Der Verkehrssektor ist für die Hälfte aller umweltschädlichen Subventionen verantwortlich - und dazu gehört auch der verminderte Steuersatz für Diesel.
Der Verkehrssektor ist für die Hälfte aller umweltschädlichen Subventionen verantwortlich - und dazu gehört auch der verminderte Steuersatz für Diesel.

© Carsten Koall/dpa

UBA-Präsident Messner fordert aber schnelles Handeln: „Beim Klimaschutz rennt uns bekanntlich die Zeit davon. Es ist daher wichtig, auch beim Abbau umweltschädlicher Subventionen schnell voranzukommen“, sagte er. Diese hemmten die Entwicklung umweltfreundlicher Produkte und gefährdeten Umwelt- und Klimaziele. Im Moment würden „ökonomische Anreize in gegensätzliche Richtungen gesetzt – mal für, mal gegen den Umwelt- und Klimaschutz", kritisierte er.

Rund die Hälfte der umweltschädlichen Subventionen, also rund 30 Milliarden Euro, könnten nach Angaben Messners in der neuen Legislaturperiode „abgebaut oder ökologisch umgebaut“ werden. Die Hälfte von ihnen betrifft laut UBA den Verkehrssektor (47 Prozent), weit mehr als ein Drittel den Energiesektor (39 Prozent).

Zu den wichtigen Vorschlägen der Studie gehören: Für tierische Lebensmittel, also etwa Fleisch und Eier, soll der ermäßigte Mehrwertsteuersatz, der für Lebensmittel gilt, auf den regulären Satz von 19 Prozent steigen (Volumen: 5 Milliarden). Das UBA rate den Menschen, „auf eine stärker pflanzlich basierte Ernährungsweise“ umzusteigen, sagte Messner.

Die Steuervergünstigung für Diesel soll entfallen (1,5 Milliarden). Der Steuersatz für Benzin beträgt 65,45 Cent pro Liter, für Diesel nur 47,04 Cent.

Die Pendlerpauschale, von Ökologen häufig als „Zersiedelungsprämie“ attackiert, soll abgeschafft werden (6 Milliarden). Arbeitnehmer können Aufwendungen für Arbeitswege als Werbungskosten steuerlich absetzen. Das UBA fordert einen „Systemwechsel“: Die Kosten sollen weiterhin geltend gemacht werden, aber nun als „außerordentliche Belastungen“.

Auch das „Dienstwagenprivileg" soll fallen, das die private Nutzung von Dienstwagen steuerlich besonders behandelt (3 Milliarden). Es sei ein Beispiel dafür, dass umweltschädliche Subventionen Menschen mit hohem Einkommen begünstigen, sagte Messner.

Subventionen wie Energie- und Stromvergünstigungen sollen reformiert werden (5 Milliarden). Berücksichtigt werden soll, ob eine Firmenverlagerung ins Ausland droht („Carbon Leakage Risiko“) oder „ökologische Gegenleistungen“ erbracht werden.

Zuschüsse oder Subventionen zur Wohnungsbauförderung wie etwa Baukindergeld sollen nicht abgeschafft, aber mit ökologischen Kriterien verbunden werden (3,2 Milliarden).

Auf EU- und internationaler Ebene sieht die Studie ebenfalls Möglichkeiten. So soll die neue Regierung darauf drängen, dass die EU die Steuervergünstigungen für Kerosin und die Mehrwertsteuerbefreiung für internationale Flüge abschafft (12 Milliarden). 

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