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Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) spricht am Sonntagabend im Hessischen Landtag vor Anhängern der CDU.

© Boris Roessler/dpa

Update

Endergebnis der Hessen-Wahl 2018: Es reicht für Schwarz-Grün – bitteres Finale für die SPD

Die Partner der Groko im Bund erwischt es heftig. Die Grünen können wieder jubeln. Die AfD ist nun in allen Landtagen. Ein Rückblick auf den Wahlabend.

Spannender Wahlabend in Hessen: Nach den herben Verlusten von CDU und SPD und den deutlichen Zugewinnen der Grünen war bis in die Nacht unklar, auf welche Koalition im Wiesbadener Landtag das Ergebnis hinausläuft. Nach den Hochrechnungen sah es lange so aus, dass die schwarz-grüne Koalition ihre Mehrheit am Sonntag verloren hatte. Erst das vorläufige Endergebnis um 2 Uhr brachte die Wende: Mit 69 von 137 Sitzen im künftigen Parlament könnten CDU und Grüne gerade so an der Macht bleiben. Ministerpräsident Volker Bouffier hatte zuvor schon Sondierungen mit Grünen und FDP über eine Jamaika-Koalition angekündigt. Sie hätte eine komfortable Mehrheit von 80 Sitzen.

Zumindest rechnerisch sind noch weitere Bündnisse möglich: Schwarz-Rot käme ebenso wie Schwarz-Grün auf 69 Sitze. Gleiches gilt für eine grün-rot-gelbe Ampel – dann aber mit einem Ministerpräsidenten Tarek Al-Wazir, denn die Grünen lagen am Ende hauchdünn vor der SPD: mit 94 Stimmen Vorsprung. Einer Linkskoalition von SPD, Grünen und Linken fehlen hingegen zwei Sitze zur Mehrheit.

Die CDU unter Ministerpräsident Bouffier verlor deutlich: Sie fiel von 38,3 Prozent bei der vorigen Wahl auf 27 Prozent der Stimmen. Ähnlich schlecht schnitt die Partei im Land zuletzt vor fünfzig Jahren ab. Der Einbruch lag auch am Spitzenkandidaten: Nach acht Jahren im Amt des Regierungschefs und zuvor elf Jahren als Innenminister des Landes lag Bouffiers Zustimmungswert laut ZDF-Politbarometer zuletzt noch bei 43 Prozent – zu wenig, um die eigene Partei nach oben zu ziehen.

Die Landespartei hatte auf Kanzlerin und Parteichefin Angela Merkel gesetzt und sie in der Woche vor der Wahl zu Großveranstaltungen eingeladen, in der Hoffnung, damit zu punkten. Eine Fehleinschätzung: Nach den Umfragen der Forschungsgruppe Wahlen glaubten nur 13 Prozent, die Kanzlerin sei eine Wahlkampfhilfe. 2013 waren es noch 70 Prozent. Am Montag deutete sich an, dass Merkel auf den CVDU-Vorsitz verzichten wird. Bouffier betonte am Wahlabend, die CDU habe trotz der Niederlage zwei zentrale Ziele erreicht: Sie sei stärkste Partei und gegen sie sei keine Regierungsbildung möglich.

Hessen-SPD so schwach wie nie

Noch heftiger als die CDU erwischte es die SPD, deren bundesweiter Umfragetrend derzeit steil nach unten weist. Sie kam in Hessen, einst eine Hochburg der Partei, mit ihrem Spitzenkandidaten Thorsten Schäfer-Gümbel nur noch auf 19,8 Prozent. Schäfer-Gümbel, auch SPD-Bundesvize, hatte seine Partei schon 2009 und auch 2013 angeführt. Beim dritten Versuch holte er nun das schwächste Hessen-Ergebnis seit 1946. Er sprach von einer „schweren Vertrauens- und Glaubwürdigkeitskrise“ der Sozialdemokraten.

Parteichefin Andrea Nahles sagte, zum Ergebnis habe auch die Bundespolitik beigetragen. Der Zustand der Koalition in Berlin sei „nicht akzeptabel“. Sie machte dafür nicht nur ihre Partei, sondern auch die Koalitionspartner CDU und CSU verantwortlich. Nun will sie einen „verbindlichen Fahrplan“ vorlegen, was bis zur Halbzeit der Koalition umgesetzt werden müsse. Falls die Durchsetzung dieser Forderung nicht gelingt, müsse die SPD überlegen, ob sie in der Koalition noch „richtig aufgehoben“ sei. Zudem müsse die SPD intern „inhaltliche Positionen“ klären. Es war ein Ultimatum – an die Partei der Kanzlerin und an sich selbst.

Die Grünen so gut wie nie im Land

Die Grünen bestätigten, dass sie derzeit ihr Wählerpotenzial ausschöpfen können und möglicherweise auch neue Anhänger anziehen. Wie in Bayern vor zwei Wochen schossen sie auch in Hessen nach oben – von 11,1 Prozent bei der vorigen Wahl auf nun 19,8 Prozent. Angeführt von Vize-Ministerpräsident Tarek Al-Wazir konnten sie damit ihren Stimmenanteil fast verdoppeln. Es ist das beste Ergebnis in Hessen und das viertbeste Landesergebnis der Partei (nur in Baden-Württemberg und Bremen waren es schon mehr). In den größeren Städten sind sie stärkste Partei.

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Al-Wazir war – im Gegensatz zu Bouffier und Schäfer-Gümbel – ein Bonus-Faktor für seine Partei. Laut Infratest dimap landete er bei der Bewertung der Glaubwürdigkeit leicht vor den Konkurrenten. Die Diesel-Affäre, zuletzt wegen Fahrverboten in Frankfurt am Main zum landespolitischen Thema geworden, nutzte den Grünen, weil immerhin 33 Prozent der Wähler laut Infratest meinten, hier sei die Partei am ehesten zur Lösung fähig. Die anderen liegen hier deutlich zurück. Unter Wählern mit höheren Bildungsabschlüssen liegen sie klar vorn.

Dass die CDU sich landesweit noch deutlich vor den Grünen platziert, geht auf die älteren Wähler über 60 zurück. Bei denen darunter liegen beide Parteien mittlerweile gleichauf. Geholfen hat den Grünen, dass sie als Regierungspartei sogar positiver bewertet wurden als die CDU. Al-Wazir sieht nun einen Auftrag an seine Partei, die bisherige Energie-, Agrar- und Verkehrswende fortzusetzen. „So grün war Hessen noch nie“, sagte er.

FDP - jetzt doch Jamaika?

Die Freien Demokraten zeigten sich am Wahlabend offen für eine Jamaika-Koalition - ein Jahr nach dem Platzen dieser Option im Bund, als Parteichef Christian Lindner den Auszug seiner Partei aus den Gesprächen verkündete. Da konnte FDP-Spitzenkandidat René Rock noch nicht wissen, das die FDP nicht gefragt sein würde - es sei denn, die Ampel-Lösung rückt ins Blickfeld der Parteien. Doch hat Lindner schon vor der Wahl ausgeschlossen, unter einem grünen Ministerpräsidenten mitzumachen. Die FDP legte von fünf auf 7,5 Prozent zu.

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Die AfD kam auf 13,1 Prozent - in dem Land, in dem sie gegründet worden war und das schon früher immer wieder für rechte Tendenzen offen war. Mit dem Erfolg sitzt sie nun in allen 16 Landtagen. 2013 war die AfD in Hessen bereits mit von der Partie und kam auf 4,1 Prozent. Sie trat damals aber noch als eher moderate Euro-Kritiker-Partei auf. Zu den Kandidaten gehörte der jetzige Spitzenkandidat Rainer Rahn, der kurze Zeit auch der FDP angehörte. Für die Regierungsbildung spielt die AfD keine Rolle. Das gilt auch für die Linken, die sich mit der Landtags-Fraktionschefin und Bundesvize Janine Wissler an der Spitze von 5,2 auf 6,3 Prozent verbessern konnten.

Eine Beobachtung am Rande: Die gerade in Bayern erfolgreichen Freien Wähler (sie bilden dort wohl eine Koalition mit der CSU) konnten in Hessen von 1,8 auf drei Prozent zulegen.

Die Wahlbeteiligung lag mit 67,3 Prozent nicht ganz so hoch wie 2013, als auch die Bundestagswahl stattfand. Damals waren es 73,2 Prozent. An diesem Sonntag waren knapp 4,4 Millionen Wahlberechtigte aufgerufen.

Gesamtstimmung färbt auch Hessen-Wahl

Landtagswahlen haben immer ihre eigenen Gesetze, ihre eigenen Themen und ihr eigenes Personal. Aber völlig abgekoppelt von der allgemeinen politischen Stimmung in der Republik finden sie nicht statt. Und diese Stimmung ist derzeit durchaus auf Wechsel aus. Die starken Verluste von Union und SPD, an diesem Sonntag und auch schon in Bayern vor zwei Wochen, zuletzt auch im Politbarometer vom Freitag, gehen über das Maß hinaus, mit dem Koalitionsparteien im Bund einige Zeit nach dem Regierungsantritt rechnen müssen. Die Zustimmung zu Bundeskanzlerin Angela Merkel sinkt ebenfalls, immerhin 56 Prozent meinen nun, sie solle nicht länger im Amt bleiben. Allerdings stehen die Unions-Anhänger noch zu zwei Dritteln hinter ihr. Weit stärker ist der Unmut mit CSU-Chef Horst Seehofer. Andererseits befürwortete nur jeder sechste Befragte im Politbarometer, dass die Union sich stärker nach rechts orientieren solle: Ein deutlicher Kurswechsel der Union käme also bei den Wählern nicht an.

Soll die SPD raus aus der Koalition im Bund?

Ein recht klares Meinungsbild gibt es auch zu den Sozialdemokraten. Parteichefin Nahles hat unter den SPD-Anhängern nur noch eine knappe Mehrheit bei der Frage, ob sie im Amt bleiben solle. 80 Prozent aller Bürger glauben laut Politbarometer, dass die Malaise der Sozialdemokraten noch länger dauern wird. 58 Prozent sind der Ansicht, das habe mit der Regierungsbeteiligung im Bund zu tun – auch 59 Prozent der SPD-Anhänger denken so. Drei Viertel der Befragten sagen, dass es für die SPD langfristig besser wäre, in die Opposition zu gehen. Im jüngsten Politbarometer sagten auf die Frage, welche Koalition man sich wünsche, nur noch 19 Prozent: Schwarz-Rot.

Schwarz-Grün liegt dagegen mit einer recht hohen Zustimmung von 42 Prozent weit vorn. Wenn man solche Stimmungswerte (mit der nötigen Prise Skepsis) ernst nimmt, ist eine Art partieller Wechselstimmung zu spüren: Weg von Schwarz-Rot, hin zu Schwarz-Grün, durchaus mit Merkel als Kanzlerin, sozusagen für den Anschub, aber mit der Ansage, dass ein Ende der Amtszeit nach dreizehn Jahren in Sicht kommt.

Die Forschungsgruppe Wahlen kommt in ihrer Schnellanalyse am Sonntagabend zu dem Schluss, das Hessen-Ergebnis sei ein "Votum für schwarz-grüne Regierungskontinuität mit deutlich mehr grünem Anstrich". Ein Politiklabor war Hessen schon immer. Dass die erste schwarz-grüne Koalition, die über eine gesamte Wahlperiode durchhielt, nun möglicherweise fortgesetzt wird, bestätigt das.

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