
© Bundeswehr/Carsten Vennemann
China sieht „falsche Signale“: Deutsche Marine passiert erstmals seit 22 Jahren die Taiwanstraße
Zwei Schiffe haben die mit geopolitischen Spannungen geladene Meerenge zwischen Taiwan und China durchfahren. Peking kritisiert dies scharf. Die deutsche Wirtschaft begrüßt die Entscheidung.
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Ungeachtet chinesischer Warnungen haben zwei deutsche Kriegsschiffe die Straße von Taiwan durchfahren – es war die erste Passage der Meerenge durch die Bundesmarine seit 22 Jahren. China wertete die Passage am Freitag als Gefahr für die Sicherheit. „Das Verhalten der deutschen Seite erhöht das Sicherheitsrisiko und sendet falsche Signale“, teilte Marineoberst Li Xi vom Ostverband der chinesischen Armee einem Bericht der Agentur dpa zufolge mit.
Die Truppen in dem Einsatzgebiet seien immer in höchster Alarmbereitschaft und gingen entschlossen gegen Bedrohungen und Provokationen vor. Chinas Volksbefreiungsarmee ebenso wie das Militär in Taiwan überwachten die Durchfahrt nach eigenen Angaben.
Es ist der kürzeste Weg, es ist angesichts der Wetterlage der sicherste Weg, und es sind internationale Gewässer, also fahren wir durch.
Boris Pistorius, Verteidigungsminister (SPD), vor der Passage der Schiffe
Verteidigungsminister Boris Pistorius hatte am Freitag in Berlin die bevorstehende Durchfahrt bestätigt. „Internationale Gewässer sind internationale Gewässer, es ist der kürzeste Weg, es ist angesichts der Wetterlage der sicherste Weg, und es sind internationale Gewässer, also fahren wir durch“, sagte der SPD-Politiker einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters zufolge.
Nach Angaben des Ministeriums und des Auswärtigen Amts wurde die chinesische Regierung nicht über die geplante Route vorab informiert. Dies sei nach dem Völkerrecht auch nicht erforderlich, da es sich um internationale Gewässer handele, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amts.
Dem Verteidigungsministerium zufolge sind die Schiffe unterwegs von Südkorea aus in die philippinische Hauptstadt Manila. Der Einsatz ist Teil des „Indo-Pacific Deployment“, in dessen Rahmen mehrere multinationale Manöver in der Region stattfänden.
Bei den beiden Schiffen handelt es sich um den Versorger „Frankfurt am Main“ und Fregatte „Baden-Württemberg“ (oben Archivbild). Sie gilt als eines der modernsten Schiffe der Bundeswehr.
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Das taiwanische Verteidigungsministerium wollte dem Bericht zufolge sich zu dem Vorgang zunächst nicht äußern. Dass die Bundesregierung sich dafür entschieden habe, sei höchst symbolisch zu bewerten und selten. Es zeige, dass Deutschland an der Seite der Partner stehe, um das internationale Recht zu schützen.
Vor Bekanntwerden der Route hatte ein Sprecher des Außenministeriums in Peking davor gewarnt, Chinas Souveränität und Sicherheit unter dem Deckmantel der freien internationalen Schifffahrt zu bedrohen.
Die Taiwanstraße ist die 180 Kilometer breite Meerenge zwischen chinesischem Festland und Taiwan. China beansprucht das Gewässer als Teil seines Hoheitsgebiets. Gleiches gilt für Taiwan. China protestiert immer wieder scharf, wenn etwa US-Marineschiffe durch die Taiwanstraße fahren.
Der Direktor der Berliner Denkfabrik Global Public Policy Institute begrüßte die Entscheidung der Bundesregierung. „Peking versucht, sich das eigene Recht zusammenzuzimmern und die Stärke der eigenen Macht vor die Stärke des Rechts zu stellen“, sagte Thorsten Benner dem Sender Deutsche Welle online.
Gibt es Vergeltungsmaßnahmen von China?
„Nun könnte es sein, dass es bestimmte Vergeltungsmaßnahmen von chinesischer Seite gibt“, so Benner weiter. So könnte Peking etwa diplomatische Gespräche absagen. Und es könnte sein, „dass man den Zorn auf die grüne Außenministerin fokussiert, die man vielleicht als Drahtzieherin vermutet“. Annalena Baerbock hatte vor Auslaufen der Marineschiffe betont, dass das Recht der friedlichen Durchfahrt auch in der Taiwan-Straße gelte.
„Dass es Versuche wirtschaftlicher Sanktionen gibt, ist eher unwahrscheinlich“, sagte Benner. China habe daran kein Interesse, da seine eigene Wirtschaft an Schwung verloren habe. „Es bleibt natürlich ein Risiko. Aber das ist ein Risiko, das wir in Kauf nehmen sollten“, meint er.
Deutsche Wirtschaft begrüßt die Entscheidung
Auch die deutsche Wirtschaft unterstützt die Entscheidung, die Schiffe durch die Taiwanstraße fahren zu lassen. „Die deutsche Industrie bestärkt die Bundesregierung darin, die bereits erodierende regelbasierte internationale Ordnung so weit wie möglich aufrechtzuerhalten“, sagte Wolfgang Niedermark, Mitglied der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), dem „Handelsblatt“.
Regeln hätten nur dann Geltungskraft, wenn sie konsequent und ohne Ausnahme durchgesetzt würden. „Dafür muss auch Deutschland Verantwortung übernehmen“, so Niedermark.
Der BDI stehe fest hinter der Ein-China-Politik der Bundesregierung, die auch die Erhaltung des Status quo in der Taiwanstraße als „unverzichtbares Element für die weltweite geopolitische und wirtschaftliche Stabilität“ beinhalte, sagte Niedermark weiter. Zum Status quo gehöre auch, dass die Taiwanstraße ein internationales Gewässer darstelle.
„Was nach internationalem Recht erlaubt ist, darf nicht im Einzelfall aus politischen Gründen eingeschränkt werden“, stellte er klar. Die deutsche Wirtschaft habe ein großes Interesse an einem Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen zu Taiwan. „Welche Spielräume die Ein-China-Politik für den Austausch mit Taiwan bietet, sollte sich die Bundesregierung nicht einseitig von Peking vorschreiben lassen.“
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