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„Es wird absoluten Schutz nicht geben können“: Landkreise fordern Augenmaß bei Sicherheitsmaßnahmen
Mehrere Politiker warnen nach dem Anschlag von Magdeburg vor voreiligen Schlüssen. Innenministerin Faeser fordert einen raschen Beschluss von Sicherheitsgesetzen. Der Landkreistag indes dämpft Erwartungen.
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Nach dem Anschlag von Magdeburg warnen Spitzenpolitiker vor vorschnellen Schlüssen und Symbolpolitik. „Es gibt überall eine höhere Präsenz von Polizei- und Ordnungskräften und auch in Magdeburg sind die Zugänge polizeilich kontrolliert und Taschen durchsucht worden“, sagte Landkreistags-Präsident Achim Brötel (CDU) dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). „Es wird aber einen absoluten Schutz nicht geben können.“
Wegen der Gefahren durch Messerattacken seien die gesetzlichen Voraussetzungen bis hin zu generellen Verboten bereits deutlich verschärft worden, sagte er. Zudem seien Weihnachtsmärkte und ähnliche Veranstaltungen Orte der Begegnung und des Miteinanders. „Daher muss man bei aller abstrakten Gefahr auch mit Augenmaß vorgehen, damit sie es bleiben können.“
„Wir brauchen Weihnachten gerade nach solchen furchtbaren Ereignissen umso mehr, denn es geht um Versöhnung“, sagte Brötel weiter.
Zuvor hatte FDP-Generalsekretär Marco Buschmann vor voreiliger Symbolpolitik gewarnt. „Unsere Aufgabe ist, den Opfern und ihren Angehörigen beizustehen. Schlecht wäre ein Überbietungswettbewerb um symbolische Maßnahmen. Das würde der schlimmen Situation nicht gerecht“, sagte Buschmann am Sonntag dem „Spiegel“.
Auch SPD-Generalsekretär Matthias Miersch rief zur Besonnenheit auf: „Instrumentalisierungen oder vorschnelle Schlüsse helfen niemandem und spalten nur unsere Gesellschaft“, sagte er dem „Spiegel“. „Stattdessen sollten wir nach erfolgter Auswertung die notwendigen Lehren ziehen - sowohl für die Sicherheitsarchitektur als auch für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.“
Auch Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck rief in einer Videobotschaft dazu auf, „sich nicht vom Hass anstecken“ zu lassen. Rechte Gruppen hatten bereits kurz nach der Tat zu Demonstrationen aufgerufen.
Faeser macht Union und FDP Vorwürfe
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte indes dafür plädiert, neue Gesetze zur inneren Sicherheit rasch zu beschließen. In einem am Sonntagabend veröffentlichten Interview des Magazins „Spiegel“ nannte Faeser etwa das neue Bundespolizeigesetz, das die Bundespolizei stärken soll, oder die Einführung der biometrischen Überwachung von Ausländern.

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„All diese Gesetzentwürfe von uns könnten sofort beschlossen werden, wenn Union und FDP sich dem nicht verweigern“, sagte die SPD-Politikerin. „Klar ist, dass wir alles tun müssen, um die Menschen in Deutschland vor solchen entsetzlichen Gewalttaten zu schützen“, betonte sie unter Bezug auf den Anschlag am Freitag auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg. „Dafür brauchen unsere Sicherheitsbehörden alle notwendigen Befugnisse und mehr Personal.“
Faeser unterstrich, dass bereits nach dem Messerangriff in Solingen Ende August, bei dem ein mutmaßlicher Islamist drei Menschen getötet hatte, gesetzliche Konsequenzen gezogen worden seien. Das Waffenrecht sei verschärft und die Befugnisse der Sicherheitsbehörden seien gestärkt worden. Weitergehende Gesetzesänderungen habe aber vor allem die FDP blockiert, kritisierte die Bundesinnenministerin.
Zuvor hatte Faeser versichert, dass bei der Aufklärung und Aufarbeitung des Anschlags von Magdeburg „durch die Bundesbehörden jeder Stein umgedreht“ werde. Nach dem Anschlag werden auch mögliche Versäumnisse der Sicherheitsbehörden geprüft.
Baerbock verspricht schnelle Aufarbeitung
Außenministerin Annalena Baerbock kündigte ebenfalls eine schnelle Aufarbeitung in den kommenden Tagen an. „Da sind die Sicherheitsbehörden dran“, sagte die Grünen-Politikerin der Deutschen Presse-Agentur auf dem Weihnachtsmarkt in Kleinmachnow.
Zugleich betonte Baerbock, dass in den Tagen danach das Mitgefühl den Betroffenen und den Familien der Opfer gelte. Es müsse deutlich gemacht werden, Weihnachtsmärkte als „Orte des Zusammenhaltes, des Miteinanders einer Gesellschaft“ weiter zu erhalten. Insbesondere in dem Moment der Trauer gelte: „Wir sind zusammen, wir stehen zusammen, wir trauern zusammen mit den Magdeburgerinnen und Magdeburgern.“
Als Tatverdächtiger für den Anschlag mit mehr als 200 Verletzten und 5 Toten wurde der aus Saudi-Arabien stammende Arzt Taleb A. festgenommen, der ein Islam-Kritiker sein soll. Er passe in kein bisheriges Raster, erklärte Faeser. „Dieser Täter hat unfassbar grausam und brutal gehandelt - in der Begehungsweise wie ein islamistischer Terrorist, obwohl er ideologisch offenbar ein Islamfeind war.“
Der Ältestenrat des Landtags von Sachsen-Anhalt wird derweil am Montag (14.00 Uhr) in einer Sondersitzung über den Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt beraten. An der voraussichtlich zum Teil öffentlichen Sitzung sollen auch die innenpolitischen Sprecher aller sechs Landtagsfraktionen sowie mehrere Kabinettsmitglieder teilnehmen. Das Gremium will sich zunächst ein Bild über die Lage nach dem Anschlag verschaffen, um dann über die weitere parlamentarische Befassung mit dem Anschlag, seinen Ursachen und Folgen zu befinden.
Ebenfalls am Montag will Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) ein weiteres Mal die innenpolitischen Sprecher der Fraktionen des Bundestags über den aktuellen Erkenntnisstand unterrichten. (AFP, dpa)
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