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Schon ein Erinnerungsfototermin? Bundeskanzler Olaf Scholz zwischen Wirtschaftsminister Robert Habeck und Finanzminister Christian Lindner bei der Vorstellung der Haushaltseinigung vor zwei Wochen.

© picture alliance/dpa/Kay Nietfeld

Etatpolitik à la Ampel: Mit schlechtem Beispiel voran

So unfertig hat kaum eine Regierung zuvor einen Staatshaushalt vorgelegt. Das liegt auch daran, dass SPD, Grüne und FDP kein Verhältnis zueinander gefunden haben.

Albert Funk
Ein Kommentar von Albert Funk

Stand:

Ein Staatshaushalt ist nie ganz fertig. Selbst nach dem Parlamentsbeschluss nicht, sonst gäbe es keine Nachtragsetats. Daher sollte man die Ampelkoalition nicht zu sehr dafür kritisieren, dass sie an diesem Mittwoch einen Etat für 2025 vorlegt, der nicht so recht vollendet erscheint.

Andererseits hat schon lange keine Regierung mehr einen Etat so unfertig abgeliefert. Zwar ist das Vorhaben, bis zur Sommerpause einen Regierungsentwurf im Kabinett zu beschließen, damit der Bundestag fristgerecht mit seinen Beratungen beginnen kann, erfüllt. Aber es klafft da halt noch eine Lücke von 17 Milliarden Euro.

Ausgaben in Höhe von 3,5 Prozent des Gesamthaushalts sind nicht durch Einnahmen gedeckt. Das ist schon erheblich über dem üblichen Schnitt. Finanzminister Christian Lindner (FDP) behilft sich mit dem regulären Haushaltskniff einer Globalen Minderausgabe – also praktisch einer Luftbuchung, um einen ausgeglichenen Etat darstellen zu können.

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Viel Luft in der Planung

Bis Mitte August will die Regierung klären, ob zumindest acht der 17 Milliarden Euro noch anderweitig finanziert werden können. Juristische Prüfungen laufen. In der Finanzplanung ist übrigens noch mehr Luft.

Das alles wirkt nicht souverän. Eine Koalition, die mit sich im Reinen ist, würde so nicht handeln. SPD, Grüne und FDP gehen in die letzten Wochen der Vorbereitung des Etats für das Bundestagswahljahr als unharmonische Veranstaltung. Das Bewerbungsschreiben ans Volk, das ein solcher Etatentwurf immer auch ist, wirkt verzagt.

Das liegt daran, dass das Etatverfahren wie schon im Vorjahr von allen drei Koalitionsparteien als ein handfester Streit inszeniert wurde, in dem es besserwisserisch mehr um Grundsätzliches ging als um pragmatisches Tun und Lassen unter Gleichgesinnten. Was eine Koalition insofern sein sollte, als der Erfolg aller Beteiligten ein Ziel sein muss.

Sie gönnen sich nichts

Aber die Ampelkoalition ist keine Regierung wie alle anderen vor ihr. Die erste echte Dreierkoalition in der Geschichte der Bundesrepublik hat eine etwas andere Streitkultur. Man gönnt sich gegenseitig nichts.

Was wohl daran liegt, dass keine richtig dominierende Kraft die Koalition lenkt. Die SPD hat zwar das Kanzleramt inne, aber sie schwächelt in Umfragen so sehr, dass Unsicherheit, nicht Stärke ihr Auftreten bestimmt. Die Grünen schwächeln weniger, aber wirken nicht so, als ob sie fähig wären, bald mal ordentlich zulegen zu können. Und die FDP hat wieder ihr altes Dauerproblem mit der Fünfprozenthürde.

So sehen sich alle drei Koalitionsparteien gezwungen, die Profilierung auch innerhalb der Regierung zu suchen. Ein Gegenmiteinander also. Da tritt der FDP-Chef mit Aplomb in der Rolle als Finanzminister auf, als ob er die Republik vor lauter finanziellem Unfug bewahren müsse, welchen jene anrichten, mit denen er regiert.

Aplomb, Schwelgen, Unsicherheit

Da schwelgt die SPD in Reformträumereien zur Schuldenbremse und begleitet die Etatverhandlungen mit Forderungen nach Notlagenerklärungen und höheren Milliardenkrediten, die kaum ein Verfassungsjurist derzeit für machbar hält.

Die Grünen wiederum sind irgendwie zwischen die Fronten geraten und suchen ihr Glück in einer Mischung aus Protest und Zurückhaltung, in der Hoffnung, dass ihnen das als vernünftige Haltung abgenommen wird, obwohl sie selber nicht daran glauben.  

Offenbar muss diese Koalition allen anderen Dreierkoalitionen, die noch kommen könnten, den Weg bereiten – durch das Sammeln von Erfahrungen, wie es besser nicht gemacht wird.

Koch-Kellner war einfacher

Einst war es ja ein bisschen anders. Da gab es entweder die Groß-Klein-Konstellation. Klassisch bei Union und FDP. Oder in der Koch-Kellner-Nummer zwischen SPD und Grünen. In beiden Fällen gelang das Regieren, weil die kleine Partei die Dominanz der größeren akzeptierte und ihr dafür immer wieder ein ordentlicher Erfolg gegönnt wurde.   

In den diversen Grokos wiederum, wo sich Union und SPD stärkemäßig nahe waren, hat man zähneknirschend geschaut, dass beide Seiten machen konnten, was sie für richtig halten. Die Zumutung von der einen wurde durch eine Zumutung von der anderen Seite ausgeglichen. Die Kunst war, es mit den Zumutungen nicht zu übertreiben.

In einer Dreierkonstellation ist das aber nicht so. Wenn zwei sich streiten und sich dann doch einigen, gibt es eben keine lachenden, sondern nur übergangene oder gar übervorteilte Dritte.

Im parlamentarischen Verfahren haben die Ampelfraktionen nun die Chance, den Eindruck zu verbessern, der sich in den vergangenen Monaten eingestellt hat. Es sei denn, sie haben alle schon resigniert und auf stur geschaltet. Nach der Devise: Augen zu und durch bis September 2025. Aber wie wird es danach sein? Groko, Schwarz-Gelb, Rot-Grün, Schwarz-Grün? Also wieder alte, berechenbare Zweierbindung?

Oder doch das nächste Dreierbündnis? Letzteres ist nicht so unwahrscheinlich. Sollen die Wähler dann wieder vier Jahre das Schauspiel erleben, in dem Etatpolitik in ein missgünstiges Gegenmiteinander gerät? Und in dem am Ende die Haushaltslücken womöglich noch größer sind, weil man sich noch weniger einig wurde?   

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