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Alice Weidel, Fraktionsvorsitzende der Alternative für Deutschland (AfD) im Bundestag, kommt bei der Europawahlversammlung der Alternative für Deutschland auf die Bühne.

© Michael Kappeler/dpa

Update

Europaparteitag der AfD: Alice Weidel und die Wahrheit über das Geld

Die AfD stellt sich in der Spendenaffäre hinter Fraktionschefin Weidel. Was ist passiert? Wie reagieren die Akteure? Fragen und Antworten zum Thema.

Ihre Parteifreunde sind sauer – und doch stellen sie sich hinter sie. „Der Bundesvorstand sieht keinerlei Verschulden bei Frau Dr. Alice Weidel“, lautet die knapp gehaltene Mitteilung, die aus der Sitzung der AfD-Spitzenfunktionäre nach draußen dringt. In einem kleinen, flachen Nebengebäude der Messehalle in Magdeburg tagen sie, dort findet in diesen Tagen der Europaparteitag der AfD statt. Doch die Spendenaffäre, in der die Partei derzeit steckt und in deren Mittelpunkt Fraktionschefin Weidel steht, überschattet dieses Ereignis. Und sie ist für die Partei alles andere als ausgestanden.

Was ist passiert?

Anfang der Woche wurde bekannt, dass die Schweizer Pharmafirma PWS International AG im Vorfeld der Bundestagswahl gut 130 000 Euro in mehreren Tranchen an die AfD überwiesen hatte. Sie landeten zwischen Juli und September 2017 mit dem Verwendungszweck „Wahlkampfspende Alice Weidel“ auf dem Konto von Weidels Kreisverband am Bodensee. Weidel erfuhr davon offenbar im September, verließ sich aber nach eigener Aussage darauf, dass die Überprüfung der Rechtmäßigkeit beim Landesschatzmeister in guten Händen sei. Doch irgendwann wurde ihr die Spende offenbar doch zu heikel. Spenden aus dem EU-Ausland sind illegal, wenn sie nicht von einem EU-Bürger kommen. Die Rückzahlung der Spende erfolgte aber erst im April. Davor waren von dem Geld noch Anwaltsrechnungen und Social-Media-Kampagnen bezahlt worden. Am Mittwoch gab die Staatsanwaltschaft bekannt, gegen Weidel ermitteln zu wollen.

Kurz darauf, am späten Mittwochabend verschickte die Partei dann, um Medienberichten zuvorzukommen, eine Mitteilung, wonach im Februar noch eine weitere Spende auf dem Konto des Kreisverbandes Bodensee eingegangen sei. Die 150 000 Euro seien von einer Stiftung gekommen. Zunächst hieß es, diese sitze in Belgien. Die Summe habe man nach drei Monaten zurücküberwiesen, weil die Spenderidentität nicht zweifelsfrei feststellbar gewesen sei. Der Bundestagsverwaltung angezeigt habe man sie aber nicht.

Was ist über die Spender bekannt?

Die Stiftung, von der die 150.000 Euro kamen, sitzt in Wirklichkeit in den Niederlanden und nennt sich „Identiteit Europa“. Sie verbreitet auf ihrer Website vor allem Nachrichten über Migrationsfragen. Ihr Leiter Floris Berkhout bestätigte im Gespräch mit dem „Spiegel“ die Spende und auch, dass diese von der AfD wieder zurücküberwiesen worden ist. Allerdings stehen hinter der Stiftung offenbar anonyme Geldgeber. Berkhout sagte dem „Spiegel“, er sei nicht willens, die Identität der Spender öffentlich zu machen. Aus Deutschland stammten sie aber nicht.

Interessant ist diese Stiftung auch, weil die AfD offenbar nicht zum ersten Mal Geld von ihr erhielt. Wie der „Spiegel“ weiter berichtet, hatte diese bereits 2016 eine Summe von 49.000 Euro an den nordrhein-westfälischen Landesverband überwiesen, der damals von dem mittlerweile ausgetretenen Marcus Pretzell geleitet wurde. Der Landesverband hatte das Geld aber umgehend zurücküberwiesen und auch den Bundesvorstand informiert. „Strohmann-Spenden“, bei denen die Spenderidentität etwa über eine Stiftungskonstruktion verschleiert wird, sind illegal. Damals lief zwar alles nach den Regeln. Doch angesichts der Tatsache, dass die Stiftung nun schon zum zweiten Mal auftaucht, wird die Frage nach der Identität der anonymen AfD-Geldgeber umso dringender.

Und auch im Fall der Schweizer Spende steht offenbar ein anonymer Gönner dahinter. Nach Informationen der „Süddeutschen Zeitung“ soll er aber am Zürichberg wohnen, einer wohlhabenden Gegend in Zürich, und mehrere Häuser besitzen. Er bat den Geschäftsführer der Pharmafirma, die Überweisungen für ihn zu tätigen. Gestückelt und in 18 Tranchen aufgeteilt habe man das Geld, weil Banken ab Überweisungsbeträgen von 10.000 Euro anfangen, genauer hinzuschauen. Fraglich ist, ob Weidel den Spender kennt.

Was hat es mit der „Swiss Connection“ der AfD auf sich?

Die Verbindungen der AfD in die Schweiz werfen schon länger Fragen auf. Nicht nur, dass Fraktionschefin Alice Weidel dort einen ihrer Wohnsitze hat. Hier sitzt auch die Goal AG, eine PR-Agentur, die eng verbandelt ist mit dem „Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und der bürgerlichen Freiheiten“. Dieser hat die AfD in der Vergangenheit massiv bei Wahlkämpfen unterstützt. Die Goal AG steuerte dabei die Werbemaßnahmen, wozu etwa ein „Extrablatt“ gehörte, Anzeigen und diverse Plakatkampagnen.

Die Organisation Lobbycontrol schätzt den Wert der Werbemaßnahmen auf mehr als zehn Millionen Euro. Schon mehrfach wiesen Medien enge Verbindungen zwischen Partei und Verein nach, die von der AfD stets bestritten wurden. Offenbar um sich vor dem Vorwurf der illegalen Parteienfinanzierung zu schützen, forderte die Partei den Verein zur Unterlassung auf. Doch die Bundestagsverwaltung eruiert weiter, ob es sich bei den Werbemaßnahmen um unabhängige Parallelaktionen handelt oder ob die Partei den Gegenwert der Werbemaßnahmen als Zuwendung verbuchen muss.

Letzteres wäre für die AfD ein großes Problem. Denn auch hier gilt: Wer die Finanziers des ominösen Vereins sind, ist unklar. Insofern wäre die Zuwendung höchstwahrscheinlich unzulässig.

Wie verhält sich Weidel?

Weidel machte am Freitag eine merkwürdige Kehrtwende. „Die gegen mich erhobenen Vorwürfe im Zusammenhang mit angeblich illegalen Parteispenden sind mir bislang nur aus den Medien bekannt“, behauptete sie in einer am frühen Morgen versendeten Pressemitteilung. Dabei hatte ihre Partei die Vorgänge in den vergangenen Tagen überhaupt nicht bestritten. Weidel erklärte, sie weise die Vorwürfe gegen sie „mit Entschiedenheit“ zurück. Diese entbehrten jeder Grundlage und stellten den Versuch dar, sie „persönlich und politisch“ zu diskreditieren. Weidel behauptete außerdem, die in den Medien berichteten Sachverhalte seien in wesentlichen Punkten falsch. Sie ging jedoch nicht darauf ein, welche das sein sollen.

In der anschließenden Vorstandssitzung gab Weidel, wie es hieß, eine „persönliche Erklärung“ ab. Zudem trug der angeheuerte AfD-nahe Staatsrechtler Karl Albrecht Schachtschneider seine Einschätzung der Vorgänge vor. Schachtschneider glaubt, Weidel habe sich rechtlich nichts zu Schulden kommen lassen.

Was denken Weidels Parteikollegen?

Im Bundesvorstand haben viele kein Verständnis dafür, dass Weidel den Bundesvorstand nicht eingebunden hat, nachdem sie von den Überweisungen erfahren hatte. Intern heißt es, dass man sich bei so einer großen Summe doch rückversichern müsse.

Sauer sind Weidels Parteikollegen auch, weil Weidel sie über das wahre Ausmaß der Spendenaffäre im Unklaren gelassen hat. Manche sprechen sogar von einer „Lüge“. Weidel hatte es so aussehen lassen, als sei mit dem Bekanntwerden der Schweizer Spende alles auf dem Tisch und verschwieg dabei, dass es da eben auch noch die Spende aus den Niederlanden gegeben hatte. Der Bundesvorstand wurde völlig überrascht. Besonders Parteichef Alexander Gauland soll außer sich gewesen sein.

Dass sich die Partei nun trotzdem hinter Weidel stellt, hat zwei Gründe. Zum einen scheint sich bei das AfD eine Art „Wagenburg-Mentalität“ Bahn zu brechen. Weil die Partei wegen der Spendenaffäre vom politischen Gegner scharf attackiert wird, wollen die Rechtspopulisten sich nun in Geschlossenheit präsentieren. Dazu kommt, dass die Partei Weidel braucht. Sie ist zwar in Fraktion und Partei durchaus umstritten. Aber bei den Anhängern ist sie sehr beliebt, ihre scharfen Reden haben etwa auf Youtube astronomisch hohe Klickzahlen. Es gibt außerdem derzeit niemanden, der einfach an ihre Stelle an der Fraktionsspitze rücken könnte – schon gar keine Frau.

Was passiert auf dem Europaparteitag?

Nach der Krisensitzung des Bundesvorstandes begann in Magdeburg der Parteitag, bei dem die rund 600 Delegierten die Listenkandidaten für die Europawahl wählen wollten. In seiner Auftaktrede erwähnte Parteichef Gauland die Spendenaffäre mit keinem Wort. Weidel scherzte auf dem Podium mit ihrer Parteikollegin Beatrix von Storch und machte ein Selfie mit ihr. Das Signal: Alles in Ordnung. Dann zog sie sich wegen Rückenschmerzen zurück.

Die AfD geht davon aus, bei der Europawahl ein Ergebnis von 15 bis 20 Prozent zu erlangen. Das würde etwa ebenso vielen Mandaten entsprechen. Parteichef Jörg Meuthen überzeugte die Delegierten mit einer Mischung aus Grünen-Bashing und Plädoyer für ein „Europa der Vaterländer“. Er wurde mit etwa 90 Prozent zum Spitzenkandidaten gewählt. Pikant: Auch Meuthen ist schon in den Genuss gekommen, von der Goal AG mit Werbemaßnahmen unterstützt zu werden – somit hat er ebenfalls eine Verbindung in die Schweiz.

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