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Eine Frau vor der Erstaufnahme in Tübingen, die vor allem alleinstehende Frauen und Menschen aufnimmt, die wegen ihrer sexuellen Orientierung Schutz brauchen.

© Sebastian Gol/picture allliance

Flüchtlinge in Deutschland: Bundesregierung weiß kaum etwas über geflüchtete Frauen

Ein Drittel der Asylanträge stammen von Frauen. Doch die Daten darüber, wie es ihnen hierzulande geht, sind dünn. Auch die der Regierung.

Obwohl Frauen auf der Flucht und danach als besonders verletzlich gelten, hat die Bundesregierung anscheinend wenig Erkenntnisse über die Lage dieser Frauen in Deutschland. Wie aus einer Antwort auf eine Anfrage der Linken-Fraktion im Bundestag hervorgeht, weiß sie unter anderem nichts über Übergriffe auf Frauen in Asylbewerberheimen; die ihr vorliegenden Statistiken verzeichnen auch keinerlei Sexualdelikte.

Nach den Zahlen der Vereinten Nationen sind weltweit etwa ebenso viele Frauen wie Männer gezwungen zu fliehen; neben Not und Kriegen sind für sie auch oft patriarchale Verhältnisse und die Verletzung ihrer Rechte als Frauen Gründe zu fliehen. Deutschlands nationale Menschenrechtsinstitution, das Deutsche Institut für Menschenrechte (DIMR), hatte bereits vor drei Jahren in einer Studie bemängelt, dass es kaum Erkenntnisse über die Gewalt gebe, der sie ausgesetzt seien. Dabei war bereits in einer zehn Jahre zuvor erschienenen, nicht repräsentativen Untersuchung herausgekommen, dass dies häufig der Fall sei.

Kein Sexualdelikt in drei Jahren?

Ein Viertel der Befragten gab damals an, dass sie sexueller Gewalt zum Opfer gefallen waren, 51 Prozent nannten körperliche und sogar 79 Prozent psychische Gewalt. Die Täter, aber auch Täterinnen waren die eigenen Lebenspartner, andere Geflüchtete, gänzlich Unbekannte oder Personal der Heime, in denen sie untergebracht waren. Die Autorin des DIMR, die Juristin Heike Rabe nannte die Lage von Frauen im Asylverfahren besonders schwierig. Frauen stellten ein knappes Drittel der Anträge, was bedeutet, dass „die Unterkünfte allein quantitativ von Männern dominiert werden“.

Dennoch gesteht die Bundesregierung auch jetzt noch Nichtwissen ein: "Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor", antwortet das zuständige Bundesinnenministerium auf die Frage der Linken-Fraktion, wieviele Übergriffe es seit 2014 durch privates Sicherheitspersonal, Heimleiter, Sozialarbeiter oder auch Polizei auf geflüchtete Frauen gegeben habe. Für die Jahre 2015 bis 2017 weisen die ihr vorliegenden Statistiken zu fremdenfeindlicher Gewalt, die sich gegen Frauen richtete, kein einziges Sexualdelikt auf. 2015 gab es demnach bundesweit zwei, 2016 25 und 2016 elf Körperverletzungsfälle, in denen schutzsuchende Frauen und Mädchen Opfer wurden. Auch auf die Frage, wie die Polizeien von Bund und Ländern mit geflüchteten Opfern sexualisierter Gewalt umgingen, lautet die Antwort: "Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor."

Mädchen und Frauen sind ein Drittel der Asylsuchenden

Auch die politisch stark diskutierten Abschiebungen werden anscheinend statistisch mangelhaft erfasst. Eine "Differenzierung nach dem Geschlecht ist aufgrund der statistischen Erfassung nicht möglich", heißt es in der Antwort der Bundesregierung. Eine Recherche von Journalistinnen des Tagesspiegels in Berlin brachte im vorletzten Jahr etliche Fälle von sexualisierter Gewalt gegen geflüchtete Frauen ans Licht, Beraterinnen berichteten ihnen allein in der Hauptstadt und von nur drei Monaten von fast 200 Frauen und Mädchen, die sie selbst nach entsprechenden Vorfällen beraten hatten.

Die innenpolitische Sprecherin der Linken-Fraktion, Ulla Jelpke, verwies darauf, dass entgegen dem verbreiteten Bild, dass nur junge Männer fliehen würden, gut ein Drittel der Schutzsuchenden in Deutschland Mädchen und Frauen seien. Sie kündigte an, sich des Themas in Zukunft stärker anzunehmen: „Die spezifische Situation und Vulnerabilität von geflüchteten Frauen ist viel zu selten Thema in flüchtlingspolitischen Debatten", sagte sie dem Tagesspiegel. Sie litten "besonders unter der Unterbringung in isolierten Sammellagern, da es dort kaum Schutz vor sexualisierten Übergriffen durch männliche Geflüchtete, Sozialarbeiter oder Wachdienstmitarbeiter gibt".

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