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Jens Spahn, Fraktionsvorsitzender mit vielen Hoffnungen.

© IMAGO/Eventpress

Wegen Maskenaffäre in der Kritik: Jens Spahn muss die Flucht nach vorne antreten

Ein Untersuchungsbericht belastet den Unionsfraktionschef schwer – da sollte er selbst Entlastung in einem Untersuchungsausschuss des Parlaments suchen. Sonst übersteht Spahn diese Affäre nicht.

Stephan-Andreas Casdorff
Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Stand:

Jens Spahn, der Hoffnungsträger, der sich auch selbst größte Hoffnungen macht – er steht massiv in der Kritik. Was hat er dem Druck, den Vorwürfen entgegenzuhalten? Davon hängt alles ab für den heutigen Unionsfraktionschef und früheren Gesundheitsminister.

Ihm werden Vorwürfe gemacht, wie sie seit Jahrzehnten keinem regierenden Politiker gemacht worden sind. Wenn überhaupt je. Spahn soll bei der Beschaffung von Schutzmasken während der Corona-Pandemie so gehandelt haben, dass heute noch für den Staat Milliarden Euro im Risiko stehen.

Sein Risiko ist dementsprechend – hoch. Ein Sonderbericht der ehemaligen Spitzenbeamtin Margaretha Sudhof belastet Spahn erheblich. 168 Seiten, anfangs in wichtigen Passagen geschwärzt, jetzt offen zu lesen. Wie ein Buch der Verfehlungen. Die Spahn bestreitet.

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Einige Zahlen: 5,7 Milliarden Masken hat die Bundesregierung während der Corona-Pandemie bestellt, 1,7 Milliarden im Inland verbraucht. Eine Überbeschaffung im Volumen bis zu elf Milliarden Euro rechnet die Opposition. Sieben Milliarden finden sich im Bundeshaushalt, der Rest in Prozessen vor Gericht. 100 Unternehmen klagen, die Gesamtsumme reicht von 2,3 Milliarden bis 3,5 Milliarden Euro, die womöglich noch vom Staat gezahlt werden müssen.

Ach ja, rund 1,3 Milliarden Masken liegen noch in Lagern. Sie werden mehrheitlich verbrannt. Lagerung und Verbrennung kosteten bisher 315 Millionen Euro.

Das Maut-Desaster wirkt dagegen klein

Was für eine Dimension. Der frühere Verkehrsminister Andreas Scheuer wirkt dagegen mit seinem Maut-Desaster von 243 Millionen Euro geradezu bescheiden. Und das alles, weil Jens Spahn laut Sudhof-Bericht ökonomische Risiken unterschätzt hat und von politischem Ehrgeiz getrieben war.

Der Mann vom „Team Ich“, der in der Frühphase der Pandemie groß in die Maskenbeschaffung einsteigt – gegen jeden Rat, den seiner Fachabteilungen und den anderer Häuser. Aber das ist immer noch nicht alles. Spahn steht für die Opposition im Verdacht des „Machtmissbrauchs im Amt“: Aufträge teilweise ohne Ausschreibung, über WhatsApp oder E-Mail, teils an Unternehmen aus seiner Heimatregion, teils über politische Vetternwirtschaft aus der CSU-Familie.

Ach je. Mit Spahn gerät außerdem gerade die neue Gesundheitsministerin Nina Warken in den Blick, um nicht zu sagen: ins Visier, weil sie den Parteifreund zu schützen versucht. Erst die geschwärzten Passagen, dann das Anschwärzen der Ermittlerin Sudhof als Gutachterin ohne rechtliche Substanz.

So, und nun? Verteidigt sich Spahn auf allen Kanälen. Verweist auf die Zeit, die Umstände, die Notwendigkeit, schnell zu haben statt zu brauchen. Da habe er entschieden, als entschieden werden musste. Und will sich jetzt dafür, dass das Land sicher durch die Pandemie kam, „nicht in den Staub werfen“.

Die Verteidigungslinie ist klar, sie wird an diesem Dienstag bei Sudhofs Anhörung im Haushaltsausschuss noch einmal klarer werden: Lieber sollte es Geld als Menschenleben kosten. Sowieso ist viel Geld vom Bund in den Pandemie-Jahren ausgegeben worden, rund 440 Milliarden Euro waren es, darunter Schutzschirme für Kliniken, Impfstoffe und Tests.

Das ist Aufgabe des Parlaments: Das staatliche Handeln in der Pandemie differenziert, aber kompromisslos ohne Ansehen der Personen aufzuarbeiten.

Stephan-Andreas Casdorff

Wie und ob das alles so war – die Verwirrung angesichts der Fakten oder vermeintlichen Fakten steht in Verbindung mit den Zahlen und Daten, die zum genauen Verständnis entwirrt werden müssen. Das ist Aufgabe des Parlaments: Das staatliche Handeln in der Pandemie differenziert, aber kompromisslos ohne Ansehen der Personen aufzuarbeiten.

Und zwar in einem Untersuchungsausschuss, wie es sich für so einen riesigen Fall gehört. Der Ausschuss kann Akten beschlagnahmen und Zeugen unter Strafandrohung stellen, wenn sie nicht zur Aufklärung beitragen (wollen).

Dieses scharfe Instrument muss der nicht fürchten, der sich nichts vorzuwerfen hat. Jens Spahn entlastet sich – wichtiger ist, dass ihn ein solches Gremium entlastet. Das muss er doch auch selbst wollen. Was soll sonst aus seinen Hoffnungen werden? Wenn er die Sache mit den Masken unbeschadet übersteht, steht ihm alles offen. Aber auch nur dann.

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