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Forderungen an Ampel-Partner: Lindner beklagt nach Veröffentlichung von Wirtschaftspapier „Indiskretion“
Die Ampel ist uneins darüber, wie die Wirtschaft angekurbelt werden soll. Da taucht ein neues Papier von FDP-Chef Lindner auf. Dieser beteuert, es sei nur intern für die Regierung bestimmt gewesen.
Stand:
FDP-Parteichef Christian Lindner hat „eine Indiskretion“ beklagt, nachdem sein Grundsatzpapier über eine Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik öffentlich geworden ist. Das Papier hätte zunächst nur im engsten Kreis der Bundesregierung beraten werden solle, schrieb Lindner in einer E-Mail an Parteifreunde, die der Deutschen Presse-Agentur in Berlin vorliegt. Zuvor hatte die „Bild“-Zeitung darüber berichtet.
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) habe vergangene Woche seine Vorschläge zur Bewältigung der Herausforderungen inklusive eines kreditfinanzierten Sondervermögens öffentlich gemacht, argumentierte Lindner, der auch Finanzminister ist.
In seinem eigenen Papier schrieb er, mit diesem Konzept schlage er „eine alternative Richtungsentscheidung für unser Land“ vor. „Wir werden im Gesamtkontext nun in Regierung und Koalition beraten.“
Kritik an Papier von Christian Lindner
Politiker von SPD und Grünen machten umgehend deutlich, dass sie Lindners Papier nicht für hilfreich halten. So sagte etwa der arbeitsmarkt- und sozialpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Martin Rosemann, dem Tagesspiegel: „Wir brauchen jetzt keine Papiere, sondern gemeinsames Handeln, um der Industrie schnell zu helfen und Sicherheit zu geben. Vor allem brauchen wir keine Opposition in der Regierung.“
SPD-Generalsekretär Matthias Miersch enthielt sich einer inhaltlichen Bewertung der Vorschläge von Lindner. „Wichtig ist jetzt, dass der Prozess konstruktiv und lösungsorientiert von allen Beteiligten begleitet wird“, sagte Miersch den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.
Grünen-Chef Omid Nouripour äußerte sich ebenfalls zurückhaltend: „Wir Grüne sind jederzeit bereit, ernst gemeinte Vorschläge der Koalitionspartner zum Wohle unseres Landes zu diskutieren“, sagte er dem Nachrichtenportal „t-online“ und den Funke-Zeitungen. „Zum Ergebnis kommt man am Ende dann, wenn die Vorschläge der Ernsthaftigkeit der Lage gerecht werden.“ Deutlicher wurde der Vize-Fraktionschef der Grünen im Bundestag, Andreas Audretsch: „Das Papier ist eine Nebelkerze. Wichtiger wäre es, dass sich der Finanzminister um den Haushalt kümmert.“
Die Schuldenbremse bleibt ein Streitpunkt
„Deutschland kann mehr als Durchschnitt“, schrieb Lindner in seinem Papier. Manche wollten das Blatt wenden, indem sie Wohlstand durch Umverteilung versprächen. „Sie erwecken den Eindruck, ein Staat ohne Schuldenbremse könne neues Wachstum kaufen. Dabei unterschlagen sie, dass Schulden Geld kosten“, erklärte er. Aus der Kanzlerpartei SPD waren wiederholt Forderungen nach einer Lockerung der Schuldenbremse gekommen.
Deutschland habe weder zu niedrige Steuern noch zu geringe Staatsausgaben, schrieb der FDP-Chef weiter. „Eine neue Realpolitik muss vielmehr benennen, dass Deutschland sich einen Arbeitsmarkt leistet, der nicht Aktivität belohnt, sondern Untätigkeit toleriert.“
Deutschland habe das Kapital, um das Land zu modernisieren, seine Sicherheit zu stärken und Freiräume für einen neuen Aufschwung zu öffnen. „Wir setzen unser Kapital nur falsch ein.“ Die Wende sei dringlich geworden.
Auch ein Kurswechsel in der Klimapolitik wird gefordert
Damit erläuterte Lindner sein Grundsatzpapier, in dem etwa als Sofortmaßnahme die endgültige Abschaffung des Solidaritätszuschlags auch für Vielverdiener, ein sofortiger Stopp aller neuen Regulierungen sowie ein Kurswechsel in der Klimapolitik gefordert werden.
In dem Papier ohne Datum wird eine „Wirtschaftswende“ gefordert mit einer „teilweise grundlegenden Revision politischer Leitentscheidungen“, um Schaden vom Standort Deutschland abzuwenden.
Die deutsche Wirtschaft ist in einer Wachstumskrise. Die FDP fordert seit Längerem eine „Wirtschaftswende“ und hat den „Herbst der Entscheidungen“ ausgerufen. Das Papier könnte den Ampel-Streit über eine Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik neu aufheizen. (dpa)
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