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Emmanuel Macron hielt zu Beginn der zweiten Amtszeit eine Ansprache.

© AFP/Gonzalo Fuentes

Update

Macron startet in zweite Amtszeit: Frankreichs Präsident will kein „Weiter so“

Kaufkraft, Klima, Renten oder auch Europa: Diese Themen werden Frankreichs alten und neuen Präsidenten beschäftigen. Am Morgen wurde Macron ins Amt eingeführt.

Dieselbe Person, dasselbe Land, dieselbe Politik? Emmanuel Macron ist wiedergewählt worden, aber er möchte bloß nicht den Eindruck eines „Weiter so“ erwecken. Bei seiner feierlichen Amtseinführung am Samstag standen die Zeichen bewusst auf Erneuerung.

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„Das französische Volk hat die Amtszeit, die nun zu Ende geht, nicht verlängert“, sagte Macron bei seiner rund zehn Minuten dauernden Rede. „Dieses neue Volk, das anders ist als vor fünf Jahren, hat einen neuen Präsidenten mit einem neuen Mandat betraut.“ Er wiederholte seinen bereits zuvor geäußerten Wunsch, eine „neue Methode“ erfinden zu wollen, um den sozialen und ökologischen Herausforderungen zu begegnen.

Bei der offiziellen Zeremonie im Elysée-Palast waren 450 Gäste geladen, darunter Regierungsmitglieder, die Familie des Präsidenten, Militärangehörige sowie Persönlichkeiten aus Sport und Kultur. Auch die ehemaligen Präsidenten Nicolas Sarkozy und Francois Hollande waren anwesend.

Francois Hollande, ehemaliger Präsident von Frankreich, begrüßt Emmanuel Macron, Präsident von Frankreich, während der Zeremonie zur Einführung für eine zweite Amtszeit im Elysee-Palast.
Francois Hollande, ehemaliger Präsident von Frankreich, begrüßt Emmanuel Macron, Präsident von Frankreich, während der Zeremonie zur Einführung für eine zweite Amtszeit im Elysee-Palast.

© dpa/AP/RTR Pool/Gonzalo Fuentes

Die Amtseinführung ist hochritualisiert: Zunächst verlas der Präsident des französischen Verfassungsgerichts das Wahlergebnis, bevor Macron die Kette des „Großmeisters der Ehrenlegion“ überreicht wurde. Jedes der einzelnen Glieder des symbolischen Schmuckstücks steht für eine der Handlungen der Nation.

Danach hielt Macron seine knappe Rede, in der er auch auf den Krieg in der Ukraine, die Pandemie sowie den Klimanotstand einging. In dieser schwierigen Zeit, in der sich viele dem Nationalismus und der Nostalgie zuwendeten, habe die französische Bevölkerung ein „Projekt der Zukunft“ gewählt, sagte Macron. Man müsse unerlässlich handeln, um ein unabhängigeres Frankreich zu schaffen. Macron sprach auch davon, Schulen inklusiver zu gestalten, das Gesundheitssystem zugänglicher zu machen und einen neuen Frieden in Europa erbauen zu wollen.

Erste Auslandsreise führt Macron nach Berlin

Offiziell beginnt Macrons zweite Amtszeit am 14. Mai. Bereits am kommenden Montag wird der Präsident seine erste Auslandsreise antreten, die ihn traditionell nach Berlin zu Bundeskanzler Olaf Scholz führt. Es wird auch erwartet, dass Macron zeitnah einen neuen Premierminister oder eine Premierministerin ernennt. Viele, auch Macrons eigene Minister, hatten eine schnellere Regierungsumbildung erwartet. Doch der Präsident lässt sich Zeit.

Das könnte auch mit Schwierigkeiten zusammenhängen, die geeignete Person zu finden. Macron hatte vor dem zweiten Wahlgang angekündigt, der neue Premierminister werde federführend für die Klimapolitik zuständig sein und ein soziales Profil verkörpern. Die Personalie hat auch symbolischen Charakter und dürfte als erstes Zeichen dafür gewertet werden, wie ernst es Macron mit seinen Erneuerungsversprechen meint.

Die Herausforderungen der zweiten Amtszeit

Während seines ersten Mandats hatte sich Macron gleich nach der Wahl an heikle Reformen gemacht, darunter zum Arbeitsmarkt. Dieses Mal dürfte der 44-Jährige vorsichtiger vorgehen, um soziale Unruhen zu vermeiden. Mehrere Großbaustellen erwarten ihn. Viel wird auch vom Ausgang der Parlamentswahl im Juni abhängen. Ein Überblick:

Kaufkraft: Macrons unterlegene Herausforderin, die Rechtspopulistin Marine Le Pen, hatte die finanziellen Sorgen vieler Franzosen in den Mittelpunkt ihres Wahlkampfs gestellt. Nun will Macron bereits im Sommer ein Gesetz zur Steigerung der Kaufkraft verabschieden. Vorgesehen sind etwa die Angleichung der Renten an die Inflation sowie höhere Gehälter für Beamte und Lehrer.

Einkommensschwache Haushalte sollen mit Lebensmittel-Schecks unterstützt werden. An der Preisbremse für Gas und Strom will Macron festhalten. Der Tankrabatt von 18 Cent pro Liter soll verlängert, zugleich aber angepasst werden, so dass vor allem Menschen davon profitieren, die es nötig haben. Widerstand gegen dieses Vorhaben dürfte von den Konservativen kommen, die um die Staatsfinanzen fürchten.

Klima: Gegen Ende des Wahlkampfs hatte Macron eingeräumt, dass seine Klimapolitik hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist. Um CO2-Emissionen zu reduzieren und zugleich unabhängig von russischem Öl und Gas zu werden, will Macron gleichzeitig Atomkraft und erneuerbare Energien ausbauen. Bis zu 14 neue Atomreaktoren und 50 Offshore-Windparks sollen entstehen. Frankreich hatte sich dafür eingesetzt, Atomenergie in Brüssel als nachhaltig einstufen zu lassen, um private Investoren anzuziehen. Auch die Energieeffizienz von Gebäuden soll vorangetrieben werden.

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Rentenreform: Derzeit liegt das Renteneintrittsalter in Frankreich bei 62 Jahren – und es gibt 42 verschiedene Rentensysteme. Macron will das Rentenalter auf 65 anheben und die Sondersysteme abschaffen, dabei aber trotzdem Rücksicht auf bestimmte Berufsgruppen nehmen. Gegen Ende des Wahlkampfs erklärte er, dass die Rente mit 65 „kein Dogma“ sei. Macron begründet die Notwendigkeit der Reform damit, dass nur auf diese Weise das Sozialsystem weiter finanziert werden könne.

Bei einem Reformversuch in seiner ersten Amtszeit war Macron auf massiven Widerstand gestoßen. Wegen der Pandemie wurde das Projekt auf Eis gelegt. Dieses Mal plant der Präsident intensive Beratungen mit den Sozialpartnern. Diese sollen bereits im Juni beginnen. Ein Gesetzentwurf soll frühestens im Herbst vorgestellt werden.

Europapolitik: Bis Ende Juni hat Frankreich noch den EU-Ratsvorsitz inne – für Macron eine Chance, seine Projekte voranzubringen. Der Ukraine-Krieg hat seinem Streben nach „strategischer Autonomie“ neue Dringlichkeit verliehen. Frankreich setzt sich dafür ein, die militärische Zusammenarbeit der Europäer auszubauen und zugleich das Verhältnis zur Nato neu zu definieren. Macron will aber auch in anderen Bereichen die europäische Kooperation verstärken, etwa beim Kampf gegen den Klimawandel und bei der Entwicklung neuer Technologien.

Politikfrust und Extremismus: In der ersten Runde der Präsidentschaftswahl hatten 58 Prozent der Franzosen für populistische oder extreme Kandidaten gestimmt. In der Stichwahl erreichte Le Pen mit 41,5 Prozent das beste Ergebnis in der Geschichte ihrer Partei. Macron ist sich zudem bewusst, dass viele ihn nur gewählt haben, um Le Pen zu verhindern. Um die Spaltung des Landes zu überwinden, wird Macron versuchen, Vertreter des rechten und linken Lagers in die Regierung zu holen.

Auch die „Wut und abweichende Meinungen“ der Le-Pen-Wähler wolle er berücksichtigen, versprach Macron. Le Pen hatte bei Menschen mit niedrigem Einkommen in ländlichen Gebieten überdurchschnittlich gut abgeschnitten. Um diese Wähler zu überzeugen, müsste Macron nicht zuletzt sein Auftreten korrigieren, das oft als überheblich wahrgenommen wird.

Emmanuel Macron hielt zu Beginn der zweiten Amtszeit eine Ansprache.
Emmanuel Macron hielt zu Beginn der zweiten Amtszeit eine Ansprache.

© Lewis Joly/AP/dpa

Verhältnis zu Deutschland: Für Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ist Macrons zweite Amtszeit die Chance für einen Neubeginn. Die deutsche Regierung hatte erleichtert auf seine Wiederwahl reagiert, denn Macrons Gegnerin in der Stichwahl war die Rechtspopulistin Marine Le Pen. Scholz hatte in einem ungewöhnlichen Schritt zuvor gemeinsam mit den spanischen und portugiesischen Regierungschefs zu Macrons Wahl aufgerufen. Scholz war auch der erste, der Macron noch vor dessen Rede am Wahlabend am Fuß des Eiffelturms anrief, um ihm zu gratulieren.

Aus Rücksicht auf deutsche Empfindlichkeiten hat Macron bislang öffentlich kein Wort darüber verloren, dass Frankreich längst schwere Waffen an die Ukraine lieferte, als in Deutschland noch die Diskussion darüber lief. Auch bei anderen Meinungsverschiedenheiten, etwa zur Notwendigkeit von Atomkraft, beteuern beide Seiten immer wieder, dass sie den Weg des anderen respektieren.

Der Berlin-Besuch Macrons sei auch wichtig, „um den deutschfeindlichen Ausfällen von Marine Le Pen etwas entgegenzusetzen“, meint der Politologe Hans Stark vom Institut für internationale Beziehungen in Paris. Die rechtspopulistische Herausforderin Macrons hatte für den Fall ihres Wahlsiegs das Ende der Zusammenarbeit zwischen Frankreich und Deutschland in ihrer bisherigen Form angekündigt.

Insbesondere die gemeinsamen Rüstungsprojekte wie das Kampfflugzeuggsystem FCAS und den künftigen Panzer wollte sie einstellen. Tatsächlich war es in Frankreich schlecht angekommen, als Deutschland sich für den Kauf amerikanischer F35-Kampfjets entschieden hatte. Wenn Macron im Juni er eine Regierungsmehrheit bekomm, „ist er der starke Mann Europas“, meint Stark. Das deutsch-französische Paar würde dann eher von französischer Seite dominiert. Das wäre ein Ausgleich für die Zeit, als Merkel in der EU lange Zeit eine führende Stellung einnahm, fügt er hinzu. (mit AFP)

Anna Thewalt

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