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Union: Frisch verliebt

Steuersenkungen und vieles mehr: CDU und CSU haben mal wieder ihr Verhältnis geklärt – es gibt jetzt sogar ein gemeinsames Wahlprogramm.

Von Robert Birnbaum

Berlin - Das Gespräch im Kreis der Unionsschwestern, sagt einer aus dem Teilnehmerkreis, sei „ein wenig schleppend“ angelaufen. Deshalb hat es am Sonntagabend auch länger gedauert, bis man zwischen CDU und CSU, zwischen Angela Merkel und Horst Seehofer zur Sache kam. Die Sache, das war die Vor bereitung des zweiten Konjunkturpakets der großen Koalition. Aber es waren vorher noch ein paar Dinge klarzustellen. Zum Beispiel, wie es zu verstehen sei, wenn die CSU und in Sonderheit deren Vorsitzender Seehofer von getrennten Wahlprogrammen reden, das Gespenst einer bürgerlichen Konkurrenzpartei an die Wand malen oder einen auf die Kanzlerin konzentrierten Wahlkampf ganz falsch finden.

Nach dem Treffen ist so viel jedenfalls klar: Seehofer hat sich mit der Forderung nach Steuersenkungen prinzipiell durchgesetzt – und will ansonsten mal wieder ganz und gar missverstanden worden sein. Er sei „falsch zitiert“ worden, hat der CSU-Chef im Kanzleramt der CDU-Spitze versichert. Am Montag vor der Hauptstadtpresse führt Seehofer das im Detail aus, was dann so aussieht, dass an Merkels Nummer-eins-Rolle für den kommenden Bundestagswahlkampf ja nun er am allerwenigsten zweifle, andererseits aber 2005 die Wahl anders ausgegangen wäre, „wenn wir personell breiter aufgestellt gewesen wären“.

Am liebsten würde Seehofer über seine eigenen Worte von gestern und vorgestern aber gar nicht mehr reden, jedenfalls nicht in diesem Moment, wenige Stunden vor dem Treffen der Union mit der SPD zum Konjunkturpaket. Da stimmt der Bayer lieber das Hohelied der Unionsgeschwisterschaft an: Man habe über alle Fragen des Jahres 2009 gesprochen und sei nunmehr „in allen Punkten“ einig. „Das war ein guter Start für die Union ins neue Jahr“, sagt Seehofer.

Tatsächlich hat Merkel ihm in einem Punkt nachgegeben: Wenn es nach der Union geht, wird das zweite Konjunkturpaket, das am 12. Januar endgültig beschlossen werden soll, auch Steuerentlastungen enthalten. Die interne Debatte darüber sei, das bestätigen CSU wie CDU, sehr sachlich verlaufen. Das lag auch daran, dass Merkel intern seit Wochen und öffentlich seit Silvester die Bereitschaft signalisiert hat, der kleinen Schwesterpartei entgegenzukommen. Verständigt haben sich beide Seiten schließlich auf den Vorschlag, den Grundfreibetrag für alle Steuerzahler auf 8004 Euro anzuheben – die krumme Summe ergibt sich dadurch, dass sie durch zwölf Monate zu teilen sein muss – und zugleich den Steuertarif so zu verändern, dass die „kalte Progression“ zumindest abgemildert wird. Weitergehende CSU-Ideen, wie eine Veränderung des Eingangsteuersatzes, wurden verworfen.

Den informellen politischen Preis, den die kleine Schwester der großen für diesen Erfolg gezahlt hat, muss am Montag CSU-Generalsekretär Theodor zu Guttenberg verkünden: Die CSU wird nach Stand der Dinge kein eigenes Programm für die Bundestagswahl aufstellen, sondern ein gemeinsames mit der CDU. Zwar reiche die Kreativität seiner Partei allemal für ein eigenes Programm, versichert Guttenberg gesichtswahrend, aber es sei „nicht ausgeschlossen, dass wir hier zu einem gemeinsamen Wahlprogramm kommen können“.

Man darf aus alledem schließen, dass das, was Seehofer als taktisches Grundprinzip für die Gespräche mit der SPD am Nachmittag ausgibt, aus bayerischer Sicht auch für die unionsinternen Dinge gilt: „Vor der Verhandlung darf man schon mal sagen, was man denkt“, sagt der CSU-Chef, aber nunmehr sei „Disziplin“ gefragt. Die geht so weit, dass er von den eigenen Drohungen, ohne Steuer anteil werde es mit der CSU gar kein zweites Konjunkturpaket geben, plötzlich auch nichts mehr wissen will: „Sie können ja nicht sagen: Entweder – oder!“, lautet die aktuelle Version.

Bei der CDU hören sie solche Sätze mit Befriedigung. Den Christdemokraten ist der dauerdrohende Seehofer in den vergangenen Wochen auf die Nerven gegangen. Aber, sagt ein Führungsmann, man habe sich bemüht, „möglichst gar nicht zu reagieren“, um den Konflikt nicht ausufern zu lassen. Zumal im Grunde jedem klar war, was der SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier am Montagmittag ausspricht: „Jeder weiß, dass wir ein Konjunkturpaket nicht scheitern lassen können“, sagt Steinmeier kurz vor der Koalitionsrunde. „Das gegenseitige Droh-, um nicht zu sagen Erpressungspotenzial ist nicht allzu groß.“

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