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Treibt es zum Anfang ziemlich bunt: Jens Spahn auf dem Weg zur Kabinettssitzung am 21.3.2018.

© Tobias SCHWARZ/AFP

Spahn, Seehofer und die Groko: Für jede Mimose eine Neurose

Gerade erst im Amt, ist die Groko schon voneinander genervt. Warum es wahrscheinlich eine etwas wildere Legislaturperiode wird. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Anna Sauerbrey

Nicht einmal eine Woche ist es her, dass das neue Kabinett vereidigt wurde. Und schon deutet sich an, dass es kein so gemütliches Durchregieren wird wie in der letzten Legislaturperiode. Gerade erst im Amt, sind alle schon schwer genervt, entsprechend ist der Ton.

Das liegt vor allem an den zwei Alphatieren mit Profilneurose, die die ersten Tage voller Aufmerksamkeit dazu nutzen, im grellen Scheinwerferlicht um den Titel des Superkonservativen zu buhlen: Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und Heimatminister Horst Seehofer (CSU).

Die große Koalition glänzt mit Koffern, Augenrollen, öffentlichen Genervt-Sein

Auf Seehofers Aussage, der Islam gehöre nicht zu Deutschland, und Spahns Einlassungen zu Abtreibungen und zu Hartz-IV reagierte der Koalitionspartner mit lautem verbalen Augenrollen. „Was soll denn das jetzt, gibt es nichts Wichtigeres“, sei seine Reaktion auf Seehofers Islam-Statement gewesen, sagte Finanzminister Olaf Scholz. SPD-Vize Manuela Schwesig befand: „Spahn und Seehofer sind auf dem völlig falschen Dampfer.“ Und: „Debatten, die das Land spalten, helfen niemandem weiter.“ Und die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Katja Mast büffelte: „Jens Spahns durchsichtige Effekthascherei nervt.“

Die eigentlichen inhaltlichen Unterschiede sind kleiner, als der Lärm glauben machen will. In der Integrationspolitik zum Beispiel robbt sich die SPD an die CDU heran. Andrea Nahles und Franziska Giffey betonen, sie wollten „Probleme offen ansprechen“ und dem Thema mehr Raum geben. Vielleicht deshalb die Panik der Union.

Die zentrale Lehre aus Schwarz-Geld: Wer viel in Zickerei investiert, schafft wenig

Man kann den Krach ja mögen. Man kann sich zurücklehnen, anschnallen und sich den Fliehkräften aussetzen, so als säße man auf einem von diesen blinkenden, plärrenden Fahrgeräten auf dem Rummel. Hat ja auch was Unterhaltendes. Oder man kann es so sehen: Da tritt ein Kabinett nach der längsten Regierungsbildung in der Geschichte der Bundesrepublik endlich an, und dann wird erst mal kräftig gekoffert. Man fühlt sich erinnert an beste – oder besser: schlechteste – „Gurkentruppe“-Zeiten, jene schmerzhafte Phase in der Beziehung von Union und FDP, in der der damalige Gesundheitsstaatssekretär Daniel Bahr Horst Seehofer als „Wildsau“ bezeichnete und Alexander Dobrindt zurückpampte, bei den Liberalen seien ja wohl „die Sicherungen durchgeknallt“. 2010 war das, es ging um die Kopfpauschale. Zugegeben: So weit ist es noch nicht. Aber mit Seehofer und Spahn im Kabinett und einer SPD unter allgemeinem Profilierungsdruck und einer Wahl in Bayern im Herbst ist Schlimmes zu befürchten. Deshalb sei an die zentrale Lehre von Schwarz-Gelb erinnert: Wer viel mit Zickerei beschäftigt ist, schafft sonst wenig und wird vom Wähler dafür bestraft. Also jetzt mal alle: tief durchatmen.

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