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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU).

© dpa/Michele Tantussi

Gefährlicher Schlingerkurs von Bund und Ländern: Wer soll bei den aktuellen Coronaregeln noch durchblicken?

In der Coronakrise ist eine klare Kommunikation entscheidend. Sonst machen die Bürger nicht mehr mit. Oberster Verwirrer war zuletzt der Bund. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Georg Ismar

Wenn es die Fernsehsendung „Wetten, dass..?“ noch geben würde, wäre jemand, der alle 16 Länder-Verordnungen mit den Corona-Regeln für Veranstaltungen, Schulen, Bußgelder und Masken zuordnen könnte, ein Kandidat für den Wettkönig.

In der Coronakrise sind Klarheit und eindeutige Kommunikation entscheidend, damit die Bürger mitmachen. Das war der Erfolg der ersten Monate. Hier liegt die Gefahr beim aktuellen Agieren.

Besser geworden ist es durch die Bund-Länder-Beratungen von Kanzlerin Angela Merkel und den Länder-Regierungschefs nicht, der gemeinsame Weg wird immer schmaler. Sicher, eine Pandemie ist dynamisch, vieles ist neu. Und unterschiedliche Regelungen in Detailfragen sind je nach Fallzahlen sinnvoll und die muss es geben.

Aber bitte keine Verwirrung und Sonderwege! Diese Kakofonie ist gefährlich. Die offen zur Schau getragene Uneinigkeit zwischen Kanzlerin Angela Merkel und einigen Ministerpräsidenten sät Zweifel in der Bevölkerung. Dass Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff noch nicht einmal 50 Euro Bußgeld für Maskenverweigerer mittragen will, zeugt vor allem von Angst vor der AfD.

Oberster Verwirrer war zuletzt der Bund. Oder blicken Sie noch durch? Bundesgesundheitsminister Jens Spahn sagte wochenlang, es gebe ausreichend Testkapazitäten. Aber nach nur zwei Wochen, in denen die Testpflicht für Reiserückkehrer aus Risikogebieten in Kraft war, kassierte er sie schon wieder. Weil die Testkapazitäten nicht reichen.

Gerade wenn der Reiseverkehr am Sommerende abnimmt und dies eine geringere Belastung der Testkapazitäten bedeutet, wäre es sinnvoll, diese Pflicht aufrechtzuerhalten. Statt die Leute pauschal bis zu 14 Tage in Zwangsquarantäne zu schicken. Oder will man den Reiseverkehr abwürgen? Dann sollte man das auch sagen.

Misstrauensvotum gegen die, die ein normales Leben ermöglichen wollen

Oder das Thema Großveranstaltungen: Erst wurde Veranstaltern und den Bundesligaklubs – auch von Spahn – Hoffnung gemacht, dass bei Einhaltung strenger Auflagen wieder größere Konzerte oder Fußballspiele mit Zuschauern möglich sein könnten. Nun will Merkel Großveranstaltungen bis Ende des Jahres mit wenigen Ausnahmen absagen lassen. Das mag aus Gesundheitsgründen der sicherste Weg sein.

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Aber wenn Merkel ankündigt, man müsse „die Zügel anziehen“, ist das zugleich ein Misstrauensvotum gegen diejenigen, die mit viel Vorsicht versuchen, wieder etwas normales Leben zu ermöglichen – und bestimmten Branchen das Überleben zu sichern. Der Kreis Gütersloh hat gezeigt, dass im Fall der Fälle ein schnelles und scharfes Reagieren möglich ist.

Daher war die daraus resultierende Hotspot-Strategie von Bund und Ländern der richtige Ansatz, ebenso die Einigung auf 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner in sieben Tagen als kritische Einschreite-Grenze.

Es wäre sinnvoller, Neues auszuprobieren

Das Infektionsgeschehen verläuft regional sehr unterschiedlich. Daher macht es keinen Sinn, bei den Details von Personen-Obergrenzen alles über einen Kamm zu scheren. Es wäre sinnvoller, hier mehr auszuprobieren, gerade bei Veranstaltungen im Freien, wo das Infektionsrisiko weit geringer ist. Und gleichzeitig bundesweit hohe Bußgelder bei Verstößen gegen Auflagen durchzusetzen.

Eine Studie der Universität Konstanz zeigt: Wo die Infektionszahl gering ist, aber dennoch strenge Maßnahmen weiter gelten, kippt die Stimmung eher. Die Polarisierung der Corona-Skeptiker sollte ein Alarmzeichen sein. Ihnen und der AfD entgegenzutreten, geht nur mit einer gemeinsamen Linie der Einigkeit, die regionale Unterschiede zulässt.

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