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Gelassener Amtsantritt: Jörg Kukies, der neue Finanzminister, lockt die Opposition
Keine Haushaltssperre – und zur Not ohne Nachtragsetat. Aber dann verfielen einige Milliarden Euro, welche für den nächsten Haushalt nützlich sein könnten.
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Jörg Kukies scheint sich schnell einen Überblick verschafft zu haben. Der neue Bundesfinanzminister, der nach der Entlassung von Christian Lindner vorige Woche vom Kanzler überraschend zum neuen Ressortchef in der Berliner Wilhelmstraße bestellt wurde, machte am Dienstag klar: Für 2024 drohten keine Haushaltssperren. „Stand heute“, fügte er bei seinem Auftritt im Wirtschaftsforum der „Süddeutschen Zeitung“allerdings hinzu.
Eine Vorsichtsfloskel, für alle Fälle. Aber dass der SPD-Mann sagte, man werde zur Not auch ohne Nachtragsetat auskommen, sollte deutlich machen, dass die Minderheitsregierung die haushaltspolitische Situation im Griff hat und nicht auf ein Entgegenkommen der Opposition – inklusive der FDP – angewiesen ist.
„Ob es zu einem Nachtragshaushalt 2024 kommt oder ob wir einen wirklich zwingend benötigen, ist heute noch nicht abschließend zu beurteilen“, sagte Kukies. Der Entwurf für den Nachtragsetat sei im Parlament, der Bundestag sei Herr des Verfahrens. Aber die Mehrausgaben und Mindereinnahmen im Etat des laufenden Jahres, das deutete Kukies an, seien auch mit den Instrumenten des Haushaltsvollzugs zu stopfen.
Bürgergeld und Klimafonds
Das bedeutet vor allem, dass die höheren Ausgaben beim Bürgergeld am Ende durch höhere Einnahmen gedeckt werden könnten – oder aber, dass die erwarteten Mehrkosten in Höhe von 3,7 Milliarden Euro nicht oder nicht in der Höhe eintreten.
Den Mehrbedarf im Klima- und Transformationsfond (KTF) erwähnte Kukies ebenfalls. Da hatte sich im Sommer ein Loch von 10,4 Milliarden Euro aufgetan, weil die Übernahme der EEG-Umlage durch die Regierung teurer ausfällt als zunächst erwartet, aber auch geringere Einnahmen aus dem europäischen Emissionshandel befürchtet wurden, die den KTF mitfinanzieren.
Kukies verwies darauf, dass Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) dafür nun die ebenfalls im KTF eingeplanten Fördermittel für das auf Eis gelegte Intel-Halbleiterwerk bei Magdeburg freigegeben habe. Es handelt sich um eine Summe von etwa vier Milliarden Euro für das Jahr 2024.
Zweierlei Planung
Ist das dann das Ende des Nachtragsetats für 2024? Kukies hielt das offen. Es gebe Planungen, das Haushaltsjahr mittels eines Nachtragsetats abzuschließen. Aber es gehe auch ohne.
Allerdings sollte mit dem Nachtragsetat auch die Neuverschuldung um etwa fünf Milliarden Euro erhöht werden. Diese Mittel würden fehlen, käme dieser Etat nicht mehr – und zwar nicht nur für 2024, sondern indirekt auch für den Etat 2025. Denn würden die neuen Kredite genutzt, die im Rahmen der Schuldenbremse konjunkturbedingt erlaubt sind, könnten zum Beispiel die Intel-Milliarden zum Stopfen der Löcher im Bundeshaushalt für 2025 umgewidmet werden.
Kukies bezeichnete den Etat 2025 zwar als „drängendste Frage“, sagte aber auch, es sei nicht realistisch, dass der Etat für das kommende Jahr noch beschlossen würde. Man bereite sich daher auf die vorläufige Haushaltsführung vor. Endgültig beschließen würde den Etat dann die nächste Regierung.
Für CDU und CSU und ihren Kanzlerkandidaten Friedrich Merz stellt sich damit zwei brenzlige Fragen: Wollen sie akzeptieren, dass ohne Zustimmung zu einem Nachtragsetat eine rechtlich problemlose Milliardenverschuldung verfällt, die das Aufstellen des nächsten Etats erleichtern würde? Oder stimmt sie einem Nachtragshaushalt zu, um dieses Geld zu retten und damit der neuen Regierung, die sie anführen will, schon mal etwas Entlastung zu verschaffen?
Unions-Fraktionsvize Mathias Middelberg sagte dem Tagesspiegel zu den Äußerungen, „wenn Kukies meint, auch ohne Nachtrag auszukommen, stellt sich die Frage, warum der neue Bundesfinanzminister den Entwurf nicht zurückzieht“. Middelberg fügte hinzu: „Mit überflüssigen Vorgängen sollte sich der Bundestag nicht beschäftigen müssen.“
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