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Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.

© AFP/VLADIMIR SIMICEK

Steinmeiers Appell an Arabischstämmige: Bundespräsident fordert Distanzierung von Hamas und verspricht Raum für Trauer

Der Bundespräsident richtet sich mit einem Aufruf an Menschen mit palästinensischen und arabischen Wurzeln in Deutschland. Jüdisches Leben zu schützen, sei Staatsaufgabe und Bürgerpflicht.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat die arabischstämmigen Menschen in Deutschland zu einer klaren Distanzierung von Antisemitismus und der radikalislamischen Hamas aufgerufen. „Terrorismus, Volksverhetzung und der Aufruf zur Vernichtung des Staates“ hätten keinen Platz in Deutschland, „und ich erwarte, dass wir gemeinsam dagegenhalten“, sagte Steinmeier am Mittwoch laut vorab verbreitetem Redetext in einer Ansprache im Berliner Schloss Bellevue.

Der Bundespräsident sprach einen direkten Appell aus: „Ich bitte Sie, die Menschen mit palästinensischen und arabischen Wurzeln in Deutschland: Lassen Sie sich von den Helfershelfern der Hamas nicht instrumentalisieren! Sprechen Sie für sich selbst! Erteilen Sie dem Terror eine klare Absage!

Deutschland sei inzwischen ein „Land mit Migrationshintergrund“, und in einem solchen Land habe „gesellschaftlicher Friede Voraussetzungen“. Diese Voraussetzungen müssten deutlicher formuliert werden als bisher, sagte Steinmeier.

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„Wer in diesem Land lebt und leben will, der muss die Regeln für ein friedliches Zusammenleben respektieren, der muss wissen um unsere Geschichte“, sagte er. „Jüdisches Leben in Deutschland zu schützen, ist Staatsaufgabe und Bürgerpflicht.“

Jüdisches Leben in Deutschland zu schützen, ist Staatsaufgabe und Bürgerpflicht.

Frank-Walter Steinmeier, Bundespräsident

Dies gelte für alle, die hier leben, betonte Steinmeier. „Ich bin überzeugt, wir müssen diesen Anspruch deutlicher formulieren als bisher. Bloße Lippenbekenntnisse reichen nicht in dieser Zeit des Terrors, des Hasses.“

Steinmeier rief die „palästinensische und die gesamte arabische Gemeinschaft in unserem Land“ auf, ihre politischen Ansichten im Rahmen der Gesetze zu formulieren. „Sie alle sollen Raum haben, um Ihren Schmerz und Ihre Verzweiflung über die zivilen Opfer in Gaza zu zeigen, mit anderen zu teilen“, sagte Steinmeier.

„Das Recht, das öffentlich und friedlich zu tun, ist von unserer Verfassung garantiert − und dieses Recht steht nicht infrage.“ Es dürfe „keinen antimuslimischen Rassismus und auch keinen Generalverdacht gegen Muslime geben“.

Friedliche Proteste, Solidarität, Mitgefühl − all das sei „legitim und Ausdruck verfassungsrechtlich geschützter Freiheit“, sagte Steinmeier. „Aber die Freiheit hat dort ihre Grenzen, wo sie in Gewalt und Hass umschlägt: Antisemitische Volksverhetzung, Angriffe auf Synagogen, das Verbrennen israelischer Flaggen sind keine Wahrnehmung von Freiheit.“ Sie müssten „strikt verfolgt und bestraft werden“.

Unser Land, unsere Gesellschaft ist gefordert wie lange nicht.

Frank-Walter Steinmeier

Besorgt äußerte sich der Bundespräsident darüber, wie die Folgen des Kriegs zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas das friedliche Zusammenleben in Deutschland beeinträchtigen. „Unser Land, unsere Gesellschaft ist gefordert wie lange nicht“, sagte er.

Er sei „erfreut über die große Solidarität mit Israel − aber ich bin besorgt, wie sehr die Gewalt im Nahen Osten auch den gesellschaftlichen Frieden in Deutschland gefährdet“. Und er sei „entsetzt über die Billigung des Terrors, die antisemitische Hetze auf unseren Straßen“.

Steinmeier wandte sich in seiner Rede auch direkt an die jüdische Gemeinschaft in Deutschland. „Die Gewalt gegen Jüdinnen und Juden in Israel hat Sie bis ins Mark erschüttert“, sagte er.

„Ich kann Ihnen das Entsetzen über aggressive judenfeindliche Kundgebungen in Deutschland nicht nehmen. Aber ich will Ihnen versichern, dass dieses Land nicht ruhen wird, solange Sie um Ihre Sicherheit und die Sicherheit Ihrer Kinder fürchten müssen.“ Antisemitismus werde in Deutschland nicht geduldet.

Im Anschluss an Steinmeiers Rede war eine Podiumsdiskussion mit Vertreterinnen und Vertretern der jüdischen und der muslimischen Gemeinschaften in Deutschland vorgesehen. Unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern ist die Holocaustüberlebende Margot Friedländer, die kürzlich ihren 102. Geburtstag feierte.

Erklärung des Koordinationsrats der Muslime

In einer Erklärung zum Nahostkonflikt und den darüber herrschenden Diskurs in Deutschland mahnte der Koordinationsrat der Muslime eine Versachlichung der Debatte an und forderte mehr Differenzierung. Die bisherige Debatte schüre Vorurteile und führe zu verbalen und tätlichen Angriffen sowohl gegenüber Juden als auch gegenüber Muslimen.

Der Koordinationsrat beklagt die „gebetsmühlenartig wiederholten Distanzierungsforderungen vom Terror“. Muslime in Deutschland stünden unter Generalverdacht. Vor allem bei jüngeren Muslimen führe das zu einer Entfremdung. Muslimische Kinder und Jugendliche erlebten vermehrt Stigmatisierungen in Schulen und „Gesinnungsabfragen“.

In der Erklärung beklagt der Koordinationsrat zudem eine mangelnde öffentliche Anteilnahme an den Entwicklungen in Nahost. Es gehe nicht darum, Terror zu relativieren oder zu unterstützen. „Wer jedoch legitime Forderungen stellt, das Leid des palästinensischen Volkes zur Sprache bringt, sich mit ihm solidarisiert, sich für Frieden einsetzt, verdient Gehör“, heißt es in dem Statement. (Tsp/AFP)

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