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Gute Freunde: Russlands Präsident Wladimir Putin mit Kanzler Gerhard Schröder kurz vor der Bundestagswahl 2005 in Berlin.

© AFP/VLADIMIR RODIONOV

„Deutschlands Weg in die Abhängigkeit“: Wie Schröders Netzwerke die Russlandpolitik mitlenkten

Ein neues Buch untersucht die Verbindungen Gerhard Schröders, die die deutsche Russlandpolitik stark beeinflussten. Selbst nach seiner Kanzlerschaft war sein Einfluss offenbar groß.

Von Hans Monath

Ist der Umgang mit Russland in den vergangenen 25 Jahren „der schwerste und folgenreichste Fehler der Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland“? Diese These der Buchautoren und FAZ-Journalisten Reinhard Bingener und Markus Wehner hätte vor dem Angriff Russlands auf die Ukraine wohl nur wenig Fürsprecher gefunden. Heute, mehr als ein Jahr nach dem Beginn des Überfalls, ist das anders. Die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann jedenfalls stimmte diesem Urteil am Montag voll zu.

Die Verteidigungspolitikerin hatte bei der Vorstellung des Werks „Die Moskau-Connection. Das Schröder-Netzwerk und Deutschlands Weg in die Abhängigkeit“ (Verlag C. H. Beck), das am Donnerstag erscheint, viel Lob mitgebracht. Da sie zu dem Schluss kam, das Buch schildere ein Fallbeispiel, „wie man es nicht macht“, wenn es um zentrale Fragen der Nation gehe, stellte die Liberale auch die Frage, wie sich dieser Fehler am besten aufarbeiten lasse.

Das Buch untersucht das Verhältnis des früheren Juso-Chefs, Ministerpräsidenten, Kanzlers und Altkanzlers Gerhard Schröder zu Russland, seine Freundschaft zu dessen Präsidenten Wladimir Putin, aber auch seine Fähigkeit, Vertraute in Wirtschaft und Politik für seine Ziele zu gewinnen. Von diesen tragen, man denke an Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, und SPD-Parteichef Lars Klingbeil, manche heute noch in herausgehobenen Funktionen Verantwortung.

Steinmeier ging mit dem Kampfauftrag ins Auswärtige Amt, die Politik Schröders fortzusetzen.

Markus Wehner, Buchautor, über die Anfänge des Außenministers Frank-Walter Steinmeier

In Schröders Umgang mit Russland macht Co-Autor Bingener „große Kontinuität von Anfang an“ aus, denn dessen Außenpolitik sei seit den 80er Jahren „ausgesprochen antiamerikanisch“ ausgerichtet gewesen. Entscheidend war laut Co-Autor Wehner, dass der Sozialdemokrat auch nach seiner Abwahl als Kanzler im Jahr 2005 durch eine „geschickte Personalpolitik sehr viel Einfluss“ genommen und mithilfe seines Netzwerks die Russlandpolitik „vom Rücksitz aus bestimmt“ habe.

Ursprünglich habe der abgewählte Kanzler 2005 den bekennenden Russland-Freund Matthias Platzeck zum SPD-Außenminister in der großen Koalition machen wolle, seinen Ex-Kanzleramtschef Steinmeier habe er erst nach Platzecks Absage vorgeschlagen. Wehner weiter: „Steinmeier ging mit dem Kampfauftrag ins Auswärtige Amt, die Politik Schröders fortzusetzen.“

Gehörte früher auch zum Netzwerk Schröders, treibt mittlerweile aber die Aufarbeitung der Außen- und Russlandpolitik der SPD voran: Parteichef Lars Klingbeil.
Gehörte früher auch zum Netzwerk Schröders, treibt mittlerweile aber die Aufarbeitung der Außen- und Russlandpolitik der SPD voran: Parteichef Lars Klingbeil.

© imago/Revierfoto/imago/Revierfoto

An dem Umstand, dass die Abhängigkeit Deutschlands von russischem Gas auf dem Höhepunkt mehr als 50 Prozent aller Gas-Importe ausmachte, haben Schröder und sein „sektorübergreifendes Netzwerk“ (Bingener) nach Darstellung der Autoren entscheidenden Anteil. Zugleich sei die deutsche Wirtschaft froh gewesen über den Zugang zu relativ preiswerter Energie. Zu Schröders Netzwerk gehört oder gehörte auch Sigmar Gabriel, der als Wirtschaftsminister auch nach der Besetzung der Krim 2014 das Projekt Nord Stream 2 vorantrieb – und sich damit laut Bingener als „energiepolitischer Geisterfahrer“ auszeichnete.

Die SPD stützte Schröders in den Augen der beiden Journalisten illusionäre Russlandpolitik, weil sie darin eine Fortsetzung von Willy Brandts Entspannungspolitik sehen wollte, welche die „Heilige Kuh“ der Partei (Wehner) gewesen sei. Es habe sich, um die „Ausbeutung eines historischen Mythos“ (Bingener) gehandelt. Auch die Rolle der CDU-Kanzlerin Angela Merkel in der deutschen Russlandpolitik beleuchtet das Buch, kommt aber zu dem Urteil, dass sie einen weit realistischeren Blick auf Putins Politik hatte als die SPD.

Das Buch, so meinte Strack-Zimmermann, beschreibe, „warum der Blick auf Russland so lange so schrecklich naiv war“. Wie aber lässt sich ein solcher Fehler aufarbeiten, wie das Land stärken gegen neue Illusionen? Etwa durch Nachforschungen des Bundestags? Die FDP-Politikerin ist da skeptisch: „Ich glaube, dass ein Untersuchungsausschuss das Problem nicht löst.“

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