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Gesetzentwurf von Justizministerin Hubig: Elektronische Fußfessel soll Opfer häuslicher Gewalt besser schützen
Von häuslicher Gewalt sind meist Frauen betroffen, Täter sollen nun nach dem Willen der Bundesregierung besser überwacht werden. Geplant sind weitere Maßnahmen. Nicht alle zeigen sich überzeugt.
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Statistisch betrachtet wurde in Deutschland im vergangenen etwa alle zwei Minuten ein Mensch von seinem Partner oder Ex-Partner oder einem nahen Verwandten misshandelt. Jetzt leitet die schwarz-rote Koalition bundesweite Regelungen ein, um Opfer häuslicher Gewalt besser zu schützen. Mehrere Bundesländer haben bereits eigene Rechtsgrundlagen für solche Fälle oder planen eigene Gesetze.
Der Gesetzentwurf von Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD) sieht vor, dass Familiengerichte künftig die Täter zum Tragen einer elektronischen Fußfessel verpflichten können. Dies berichten die Zeitung der Funke Mediengruppe und die ARD online. Die geplante Änderung des Gewaltschutzgesetzes orientiert sich an Spanien. Dort sei seit der Einführung der elektronischen Fußfessel für Täter 2009 kein Opfer mehr getötet worden.
In Deutschland wird der Frau oft so lange nicht geglaubt, bis leider etwas Ernstes passiert.
Dorothea Hecht vom Verein „Frauenhauskoordinierung“
Nähert sich der Täter, wird das Opfer über ein Empfangsgerät gewarnt und „kann sich dadurch gegebenenfalls rechtzeitig in Sicherheit bringen oder Unterstützung suchen“, heißt es in dem Papier, das auch der Nachrichtenagentur dpa vorliegt. Auch die Polizei soll demnach automatisch alarmiert werden, wenn sich ein Täter nähert.
„Die Einführung der elektronischen Aufenthaltsüberwachung als Maßnahme des Gewaltschutzgesetzes kann im Einzelfall dazu beitragen, dass Tötungsdelikte oder schwere Körperverletzungen vermieden werden“, heißt es der ARD zufolge zur Begründung.
Es könne nicht nur das Opfer früher gewarnt werden, sondern auch Täter könnten sich anders verhalten, wenn sie wissen, dass sie überwacht werden. „Insgesamt kann dies zur Rettung von Leib und Leben der Opfer beitragen“, heißt es in dem Entwurf, der nun in der regierungsinternen Abstimmung ist.
Bei einem Verstoß gegen eine Gewaltschutzanordnung ohne elektronische Aufenthaltsüberwachung müsse das Opfer die Polizei selbst informieren, heißt es in dem Entwurf weiter. „In diesem Fall wird sich der Täter meist schon in nächster Nähe zum Opfer aufhalten.“
Die Fußfessel soll bei sogenannten Hochrisikofällen und zeitlich begrenzt eingesetzt werden. Die Richter sollen sie zunächst für höchstens ein halbes Jahr anordnen dürfen. Eine Verlängerung um jeweils drei Monate ist dem Entwurf zufolge möglich, wenn das Opfer einen entsprechenden Antrag stellt und die Gefahr nach Einschätzung der Richter weiter besteht.

© Reuters/Annegret Hilse
Als weitere Maßnahmen sieht der Entwurf Hubigs den Berichten zufolge vor, dass Familiengerichte Täter außerdem künftig zu Anti-Gewalt-Trainings verpflichten können sollen und Auskünfte aus dem Waffenregister anfordern dürfen. Das Ziel dabei: eine bessere Einschätzung der Bedrohungslage.
Zudem soll der Strafrahmen für Verstöße gegen das Gewaltschutzgesetz erhöht werden, von einer Geldstrafe oder höchstens zwei Jahren Freiheitsstrafe wie bislang auf eine Geldstrafe oder bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe. Hubig strebt dem Papier zufolge an, dass die neuen Regelungen Ende 2026 in Kraft treten.
Frauenhäuser sind bei Fußfessel-Plänen skeptisch
Organisationen zum Schutz von Opfern häuslicher Gewalt sehen die Fußfessel-Pläne von Bund und Ländern skeptisch. Dorothea Hecht vom Verein „Frauenhauskoordinierung“ sagte der Nachrichtenagentur epd Mitte August, sie befürchte, dass die Fußfessel aufgrund der hohen verfassungsrechtlichen Hürden in der Praxis nur äußerst selten zum Einsatz kommen werde. Der Verein mit Sitz in Berlin unterstützt bundesweit 280 Frauenhäuser und 285 Fachberatungsstellen der Wohlfahrtsverbände.
Die Polizei nutze die schon jetzt bestehenden Möglichkeiten, gegen einen gewalttätigen Mann etwa ein Näherungsverbot oder einen Platzverweis auszusprechen, nur sehr selten, erläuterte Hecht. Viel häufiger werde Frauen geraten, zu ihrem Schutz bei einer Freundin unterzukommen oder ins Frauenhaus zu gehen. „Bisher wird immer die Frau aufgefordert: Fahr irgendwohin, wo er dich nicht findet. Deshalb sehe ich nicht, wieso Polizeibeamte jetzt eine so hochschwellige Maßnahme wie die Fußfessel beantragen sollten.“
Hecht betonte, das spanische Modell konzentriere sich nicht nur auf die Fußfessel, sondern umfasse engmaschige Beratungen und Hilfsangebote für die Frau etwa bei der Wohnungs- und Jobsuche.
Zudem sei das Klima in Spanien viel schärfer gegen Gewalt an Frauen gerichtet: „In Spanien wird eher eine Zwangsmaßnahme gegen einen potenziellen Täter verhängt. In Deutschland wird der Frau oft so lange nicht geglaubt, bis leider etwas Ernstes passiert.“ (lem)
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