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Gesichert rechtsextremistisch: Die AfD zu verbieten, ist keine gute Idee
Die Diskussion über die Zweckmäßigkeit eines AfD-Verbots lenkt vom Wesentlichen ab. Es geht um Liberalismus, Grundrechte und die Lehren aus der deutschen Geschichte.

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Da ist sie wieder, die Verbotsdebatte. Es geht um die AfD, die nach Auffassung des Verfassungsschutzes gesichert rechtsextremistisch ist. Begründet wird das auf mehr als 1000 Seiten, die bislang keiner öffentlichen Bewertung zugänglich sind. Dabei hat die Einstufung konkrete Folgen: AfD-Mitglieder müssen befürchten, aus dem Staatsdienst entfernt zu werden.
Das dürfte in jenen Gegenden Ostdeutschlands besonders interessant werden, in denen die AfD stärkste politische Kraft ist. Woher sollen dort künftig Polizisten, Lehrer und Richter kommen?
Sie dürften für die AfD zwar im kommunalen Parlament sitzen, aber ihre Berufe als Mitglieder einer womöglich als verfassungsfeindlich eingestuften Partei nicht mehr ausüben. Zurück zu den Zeiten der West-Importe?
Die AfD schließe bestimmte Bevölkerungsgruppen von einer gleichberechtigten gesellschaftlichen Teilhabe aus, heißt es. Aber tut das nicht bereits das Grundgesetz? Auch dort wird unterschieden zwischen Jedermannsrechten, die allen Bürgern zustehen, und Deutschenrechten, die an die Staatsangehörigkeit gebunden sind.
Deutschland beschreitet, international betrachtet, einen Sonderweg
Die AfD, daran besteht kein Zweifel, vertritt rassistische und ausländerfeindliche Thesen. Sie ist geschichtsrevisionistisch und nationalistisch. Teile ihres Personals sind exzentrisch, obskur und verschwörungsmythologisch.
Aber aus Äußerungen, die von der Meinungsfreiheit gedeckt sind, die Forderung nach einem Verbot der Partei abzuleiten, mutet aktivistisch an. Im Umgang mit der AfD beschreitet Deutschland, international betrachtet, einen Sonderweg.
Wenn die Sache abstrakt bleibt, nicken immer alle ebenso beflissen wie zustimmend. „Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit“: Das steht in Artikel 21 des Grundgesetzes.
Zu Recht sind die Hürden für ein Verbot sehr hoch
Daraus leitet sich ein verfassungsrechtlicher Auftrag ab. In einer parlamentarischen Demokratie nehmen Parteien eine wesentliche Scharnierfunktion zwischen Staat und Gesellschaft ein. Zu Recht sind die Hürden für ein Verbot sehr hoch.
Allerdings sollte die Diskussion über die Zweckmäßigkeit eines AfD-Verbots nicht im Vordergrund stehen. Im Kern geht es um Liberalismus, Grundrechte und die Lehren aus der deutschen Geschichte.
Die meisten Deutschen wollen in einer humanen, wehrhaften Demokratie leben, die ihre Werte verteidigt. Dazu gehört, Menschenrechtsverletzungen zu verurteilen, Rassismus, Islamophobie und Antisemitismus zu bekämpfen. Der Holocaust darf weder geleugnet noch relativiert werden.
Jede Einschränkung von Grundrechten läuft der Idee eines freiheitlichen Rechtsstaates zuwider
Doch das ist nur die eine Lehre aus der Geschichte. Aus der anderen folgt die Gewährung von Grundrechten, weil deren Einschränkung oft einhergeht mit autokratischen Tendenzen. Jedes Verbot, wie überhaupt jede Einschränkung von Grundrechten, läuft der Idee eines freiheitlichen Rechtsstaates zuwider.
Als Erstes schränkten die Nazis die Versammlungs-, Presse- und Meinungsfreiheit ein. Bereits am 4. Februar 1933 wurde die „Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutze des Deutschen Volkes“ erlassen. Noch im selben Monat folgte die „Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat“, die sogenannte Reichstagsbrandverordnung.
Sie diente der „Abwehr kommunistischer staatsgefährdender Gewaltakte“, richtete sich explizit gegen die KPD. Als Nächstes wurden SPD-nahe Organisationen verboten, die Partei selbst wurde als „staats- und volksfeindlich“ eingestuft. Ihr wurden sämtliche politische Aktivitäten untersagt.
Der Impuls, die AfD verbieten zu wollen, ist verständlich. Er folgt aus dem Nie-wieder-Vorsatz, bezogen auf den Aufstieg einer rechtsextremistischen Partei. Doch verdrängt wird dabei ein anderer Nie-wieder-Vorsatz, der sich aus den Lehren der deutschen Geschichte ergibt: die Grundrechte in ihrer weitestmöglichen Form zu verteidigen.
Grundrechte sind Freiheitsrechte. Sie sollten nur in extremen Notlagen eingeschränkt werden, bei Gefahr für Leib und Leben etwa. Sind wir mit der AfD bereits so weit? Wer ein Verbot fordert, sollte diese Frage mit Ja beantworten können.
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