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Innenminister Sajid Javid sagt, er plane keine Veränderungen der legalen Rechte von EU-Bürgern in Großbritannien.

© AFP/Daniel Leal-Olivas

Ungewisser Status der EU-Bürger in Großbritannien: Gestern Freunde, morgen Fremde

Die EU-Bürger in Großbritannien fürchten nach dem Brexit um ihren Status. Die Stimmung ihnen gegenüber hat sich bereits verändert.

Den ersten Tag seines Chemie-Masterstudiums an der Universität Cardiff hat Lukas Gierlichs in guter Erinnerung. Unabhängig voneinander hatten ihn zwei Studenten begrüßt, später aber wollten sie wissen: „Was bist du eigentlich, Deutscher oder Engländer?“

Jahrzehntelang haben die wohl 3,8 Millionen Bürger anderer EU-Staaten unbehelligt von solchen Fragen in Großbritannien gelebt. Die Staatsbürgerschaft spielte nur bei der Unterhauswahl eine Rolle, zu Kommunal- und Europawahlen ging man gemeinsam, sogar im schottischen Unabhängigkeitsreferendum 2014 durften EU-Bürger mitstimmen. Im Übrigen waren ihre Rechte – das steuerfinanzierte nationale Gesundheitssystem NHS, notfalls auch Sozialleistungen in Anspruch nehmen – und Pflichten – Steuern zahlen und als Geschworener dienen – die gleichen wie für Briten. Rechtlich hat sich dieser Status seit der Austrittsentscheidung nicht verändert. Die Stimmung aber war schlagartig anders. Zehntausende von Italienern, Polen und Schweden beantragten eine Aufenthaltsgenehmigung, die im Rahmen der Personenfreizügigkeit bisher nicht notwendig war. Das Formular kostet 65 Pfund (76,21 Euro); jeder Auslands-, auch jeder Urlaubsaufenthalt der vergangenen fünf Jahre muss aufgelistet werden.

Die unvorbereitete Einwandererbehörde erwies sich als inkompetent. Nach Wartezeiten von bis zu sechs Monaten erhielten immer wieder Menschen, die teils seit ihrer Geburt mit spanischem oder deutschem Pass auf der Insel leben, dort studiert und gearbeitet haben, Ablehnungsbescheide. Gelegentlich wurden die Petenten sogar aufgefordert, sie sollten „die Ausreise aus dem Vereinigten Königreich“ vorbereiten. Nach Lobbyarbeit, nicht zuletzt durch die Betroffenengruppe „the3million“, gibt sich das Innenministerium versöhnlicher.

Zwar sollen sich EU-Bürger, anders als Briten, zukünftig anmelden, am besten über Internet oder Smartphone. Die Gebühr aber fällt weg. Und egal wie das Gezerre um den Brexit ausgeht – „meine Priorität ist, dass sich EU-Bürger auch zukünftig in Großbritannien willkommen fühlen“, beteuert Innenstaatssekretärin Caroline Nokes. Eine teure Werbekampagne soll dabei ebenso helfen wie ein Zuschuss von neun Millionen Pfund (10,6 Millionen Euro) an Hilfsorganisationen, die besonders älteren Antragstellern behilflich sein sollen.

Parlamentarier fordern von Innenminister Javid Garantien für EU-Bürger

Bei Experten wie dem Völkerrechtler Paul Behrens von der Uni Edinburgh stapeln sich dennoch Nachfragen der Betroffenen. Diese seien „verständlicherweise unruhig“, sagt Harriet Harman, Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses beider Parlamentskammern. In einem jetzt veröffentlichten Bericht formuliert die Gruppe „erhebliche Bedenken“ gegen die Beteuerungen des Innenministers Sajid Javid, er habe keine Pläne für eine Beschneidung bestehender Rechte. „Es muss eine Garantie geben“, findet Harman. Für unbefriedigend halten die Parlamentarier auch, dass die Antragsteller von der Behörde keinerlei Bestätigung ihres Aufenthaltsstatus bekommen sollen. Dies werde zukünftig die Job- oder Wohnungssuche komplizieren.

Professor Behrens ist von der britischen Regierung enttäuscht. Deren Motto fasst er so zusammen: „Freunde, so scheint es, waren wir gestern, morgen sind wir Fremde.“

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