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Katrin Göring-Eckardt, (Bündnis 90/Die Grünen), Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages.

© dpa/Bodo Schackow

Update

Göring-Eckardt fordert „Aufstand der Anständigen“: Mutmaßlich rassistische Attacke in Grevesmühlen auf zwei ghanaische Mädchen

Eine Gruppe junger Leute soll zwei ghanaische Mädchen in Grevesmühlen attackiert haben. Eine Achtjährige und ihr Vater wurden verletzt. Der Fall sorgt für Entsetzen.

Stand:

Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) hat sich entsetzt über den mutmaßlich rassistischen Angriff auf zwei ghanaische Kinder in Grevesmühlen gezeigt. „Das verletzte Mädchen ist 8 Jahre - so jung wie meine Tochter. Wir dürfen nicht zulassen, dass Hass & Hetze unsere Gesellschaft vergiften und Gewalt unsere Kinder bedroht“, schrieb Schwesig am Samstagabend auf der Plattform X.

Die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Katrin Göring-Eckardt, sagte dem Tagesspiegel, der Vorfall sei „niederster Menschenhass“. Die Täter hätten den letzten Funken Menschlichkeit verloren. „Es braucht einen Aufstand der Anständigen. Jeder Zeuge einer rassistischen Tat, der schweigt; jeder, der weghört, wenn Hetzparolen gebrüllt werden, macht sich mitschuldig.“

Rassisten trauen sich heutzutage wieder, lauter zu hetzen, so die Grünen-Politikerin: „Auf die Worte der Solidarität muss in Grevesmühlen die Aufklärung des Angriffs, konsequente Bestrafung der Täter und der gesellschaftliche Beistand für die Opfer im Alltag folgen.“

Schwesing drückte ihr Mitgefühl für die betroffenen Kindern und ihrer Familie aus. „Diese abscheuliche Tat muss rasch Konsequenzen haben. Rassismus und Gewalt sind widerlich. Das gilt erst recht, wenn Kinder angegriffen werden“, hieß es in dem Beitrag weiter.

Die Ministerpräsidentin schrieb in einer ersten Version von einem „brutalen Angriff von Jugendlichen auf zwei afghanische Mädchen“. Später löschte sie ihren Ursprungsbeitrag und veröffentlichte ihre Mitteilung neu mit dem Hinweis auf ghanaische Mädchen.

Nach ersten Erkenntnissen der Ermittler waren das achtjährige Mädchen und seine zehn Jahre alte Schwester gestern Abend gegen 19.30 Uhr aus einer Gruppe von etwa 20 Jugendlichen und Heranwachsenden heraus angegriffen worden. Dem jüngeren Mädchen sollen die Angreifer unter anderem ins Gesicht getreten haben. Als die Eltern der Kinder hinzukamen, soll es nach Polizeiangaben auch mit diesen zu einer Auseinandersetzung gekommen sein.

Der Ostbeauftragte der Bundesregierung Carsten Schneider sagte dem Tagesspiegel: „Diese abscheuliche Gewalttat gegen Kinder ist nicht nur ein Zeichen von Rassismus, sondern für eine zunehmende Verrohung in unserer Gesellschaft. Dieser Entwicklung müssen sich alle demokratischen Kräfte entgegenstellen, auch in Grevesmühlen.“

Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Christian Pegel verurteilte die Attacke aufs Schärfste. „Man greift keine Menschen an, erst recht keine Kinder und schon gar nicht aus rassistischen Motiven“, sagte der SPD-Politiker. Für Rassismus sei in der Gesellschaft kein Platz.

Der Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern: Christian Pegel.

© Markus Scholz/dpa

Wie ein Sprecher der Einsatzleitstelle der Polizei der Deutschen Presse-Agentur sagte, stellten Einsatzkräfte nach dem Vorfall Personalien fest. Unter den bekannten Namen seien auch mögliche Tatverdächtige. Die Ermittler würden dem nun nachgehen.

Als die Polizei vor Ort eintraf, soll eine Person aus der Gruppe die Opfer beim Weggehen auch fremdenfeindlich beleidigt haben. Aus der Gruppe hätten sich insgesamt bis zu acht Personen an der Attacke beteiligt, schilderte die Polizei. Sie ermittelt wegen Landfriedensbruchs, gefährlicher Körperverletzung, Volksverhetzung und Beleidigung. Die Beamten suchen Zeugen des Vorfalls.

Bürgermeister spricht von „bodenlosem Hass“

Grevesmühlens Bürgermeister Lars Prahler sagte NDR 1 Radio MV: „Diese rassistisch motivierte Tat macht mich einfach fassungslos. Das zeugt von bodenlosem Hass und enthemmter Unmenschlichkeit und lässt sich nicht entschuldigen“. Es sei auch keine Entschuldigung, dass es sich um Jugendliche handele. Prahler sprach der Familie der Mädchen sein Mitgefühl aus und kündigte an, zeitnah Kontakt mit ihr aufnehmen zu wollen.

Das örtliche Stadtfest soll trotz des Vorfalls stattfinden. „Weil wir uns von derlei Aktionen von Randgruppen nicht vorgeben lassen wollen, wie wir als Stadtgesellschaft miteinander leben wollen“, sagte Prahler.

„Ich glaube, wir leben gerade in sehr schwierigen Zeiten, wo komplexe Probleme auf der Straße liegen und diejenigen es einfach haben, die mit dumpfen Parolen und einfachen Lösungen Leute einfangen, als Menschenfänger“, sagte Prahler. Es sei an der Zeit, dass die Mehrheitsgesellschaft, die das Abdriften in rassistische Menschenbilder ablehne, sich Gehör verschaffe und Zeichen setze.

CDU und Linke sind sprachlos

Mecklenburg-Vorpommerns Integrationsbeauftragte Jana Michael sprach von einer „abscheulichen und schockierenden Tat“. Sie appellierte an die Mitglieder der Jugendgruppe, die Täter zu benennen und nicht aus Gruppendruck zu schweigen. „Jeder Zeuge, der schweigt, macht sich mitschuldig und verhindert die Aufklärung dieser widerlichen Gewalt an Kindern“, sagte sie. Ihre Gedanken seien bei der angegriffenen Familie: „Dem verletzten achtjährigen Mädchen und ihrem Vater wünsche ich eine schnelle Genesung.“

Der Landrat von Nordwestmecklenburg, Tino Schomann (CDU), sprach von einem nicht zu tolerierenden Grenzübertritt: „Verabscheuungswürdige Taten wie diese lassen mich sprachlos zurück“. Im Landkreis sei kein Platz für Gewalt. „Taten wie diese sind eine Schande. Aus einer Gruppe heraus auf die schwächsten Mitglieder unserer Gesellschaft loszugehen, ist an Feigheit kaum zu übertreffen!“

AfD-Landtagsfraktionschef Nikolaus Kramer erklärte: „Diese brutale Hemmungslosigkeit gegenüber Kindern ist erschreckend und muss konsequent geahndet werden. Hier gibt es nichts zu entschuldigen oder zu bagatellisieren!“

Linken-Innenpolitiker Michael Noetzel sagte: „Was zur Hölle ist in unserem Bundesland los? Der rassistische Angriff in Grevesmühlen ist an Niederträchtigkeit nicht zu überbieten.“ Angesichts einer derart grausamen und feigen Tat fehlten ihm die Worte. „Nicht nur in Grevesmühlen, auch in Schwerin, Rostock und anderen Orten des Landes fühlen sich rassistische und nazistische Täter offenbar zunehmend ermutigt und ermächtigt zuzuschlagen.“(mit Agenturen)

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