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Greta Thunberg, 16 Jahre, globales Idol der Klimaschutzbewegung.

© Tobias Schwarz/AFP

Früher Ruhm der jungen Klimaaktivistin: Greta Thunberg braucht Schutz vor dem öffentlichen Klima

Sie gibt Interviews, steht im Scheinwerferlicht, trifft Prominente. Doch wer ist Greta Thunberg außerhalb ihrer Rolle als Klimaaktivistin? Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Malte Lehming

Sie ist 16 Jahre alt und ein internationaler Star. Greta Thunberg wurde zum Idol der Klimaschutzbewegung, ihre „Schulstreiks für das Klima“ finden weltweit Millionen Nachahmer unter dem Motto „Fridays for Future". Sie ist vorgeschlagen worden für den Friedensnobelpreis, erhielt im November ein schwedisches Stipendium als junges Vorbild des Jahres, wurde dort in diesem Jahr zur wichtigsten Frau des Jahres gekürt, das amerikanische Magazin „Time“ nahm sie in die Liste der 25 einflussreichsten Teenager des Jahres 2018 auf, an diesem Samstag erhält sie in Berlin den Sonderpreis Klimaschutz der „Goldenen Kamera“.

Wo sie auch hinkommt – für Greta Thunberg werden rote Teppiche ausgerollt. Bei der UN-Klimakonferenz in Katowice traf sie UN-Generalsekretär Antonio Guterres und hielt eine Rede im Plenarsaal. Beim Weltwirtschaftsforum in Davos traf sie Christine Lagarde vom Internationalen Währungsfonds, den Musiker Bono, die Verhaltensforscherin Jane Goodall. Sie sprach vor dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss. In Brüssel wurde sie von Jean-Claude Juncker begrüßt, dem Präsidenten der Europäischen Kommission. Sie gibt Interviews, steht im Scheinwerferlicht.

Allerdings wird Greta Thunberg, die sich vegan ernährt und nie mit dem Flugzeug fliegt, nicht nur verehrt. Insbesondere in den sozialen Netzwerken schlägt ihr auch Verachtung entgegen, mit Spott und Hohn zielen ihre Kritiker auf Alter, Geschlecht, Unerfahrenheit, Instrumentalisierung. Das Einhalten der Schulpflicht wird angemahnt, der Hype um ihre Person ins Lächerliche gezogen. Oft abwertend wird außerdem gegen sie vorgebracht, dass sie als Kind depressiv war und bei ihr ein Asperger-Syndrom diagnostiziert wurde.

Über all das spricht Greta Thunberg offen und ernst. Ihre Art flößt Respekt ein. Sie hat die Klimakrise in die Wohnzimmer geholt, ins Zentrum der gesellschaftlichen Aufmerksamkeit gestellt. Das müssen auch jene anerkennen, die ihr Engagement gar ablehnen.

Wie aber geht es weiter, was wird aus Greta Thunberg? Früher Ruhm kann gravierende Folge haben, wenn das Interesse abflaut, das Rampenlicht fahler wird, die Liebe der Öffentlichkeit erkaltet. Vor allem aus der Musik- und Schauspielwelt sind Dutzende mahnender Beispiele bekannt.

Sehr drastisch illustrieren das die Schicksale und Lebenswege der Menschen aus dem Klub 27 – Brian Jones, Jimi Hendrix, Janis Joplin, Jim Morrison, Kurt Cobain, Amy Winehouse. Sie alle starben mit 27 Jahren. Justin Bieber wurde entdeckt, als er 13 Jahre alt war. Später folgten Drogen, Alkohol, Gefängnisaufenthalte.

Automatisch laufen solche Prozesse nicht ab. Jodie Foster begann als Dreijährige in einer Sonnencreme-Werbung, mit 13 spielte sie in „Taxi Driver“ eine Prostituierte, damit begann eine bis heute anhaltende erfolgreiche Hollywood-Karriere, 1991 bekam sie einen Oscar für „Das Schweigen der Lämmer“. Dennoch darf als gesichert gelten, dass „early fame“, wie das Phänomen in der Psychologie genannt wird, die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen stark beeinflusst.

Ruhm kann süchtig machen

Wenn mediale Aufmerksamkeit sich nicht mehr steigert, sondern abnimmt, kann ein Gefühl der Leere entstehen. Das öffentliche Selbst hat sich ausgeprägt, das authentische Selbst aber nicht. Wer ist Greta Thunberg außerhalb ihrer Rolle als Klimaaktivistin? Diese Frage wird sich ihr unweigerlich irgendwann stellen. Vielleicht nicht morgen, vielleicht nicht übermorgen, aber womöglich bereits in ein paar Monaten. Dann ist sie immer noch 16 Jahre alt.

Ruhm kann süchtig machen. Die Verantwortung dafür, dass Greta Thunberg mit der geballten Ladung aus Liebe und Hass, die ihr täglich entgegenschlägt, richtig umgeht, tragen ihre Eltern. Je greller die Lichtstrahler der Öffentlichkeit ihr Auftritte beleuchten, desto wichtiger ist es, sie an ein Leben ohne diese Lichtstrahler zu gewöhnen. Gibt es für ihr Kind noch einen Alltag? Pflegt es alte Freundschaften? Sind Mutter und Vater auf Reisen präsent?

Greta Thunberg will die Welt vor dem Klimakollaps schützen. Hoffentlich schützt sie selbst jemand vor dem öffentlichen Klima.

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