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Grüne fordern Taurus-Lieferung : „Machen Sie es einfach, Herr Merz!“
Vor dem Besuch von Wolodymyr Selenskyj am Mittwoch in Berlin fordern die Grünen die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine. Die SPD setzt auf ein „scharfes Sanktionspaket“.
Stand:
Es ist ein Besuch mit höchster Sicherheitsstufe, wenn Wolodymyr Selenskyj am Mittwoch in Berlin erwartet wird. So präzise die Sicherheitsanforderungen und das Protokoll sein werden, so groß ist die Unsicherheit, was der Empfang durch Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) politisch bewirken wird.
Selbst außenpolitische Experten rätseln: Kommt es bei dem Termin zu einem großen Durchbruch oder wird es nur eine, wie es in der Diplomatensprache heißt, „show of support“, also ein Signal der Unterstützung?
Mit der Ankündigung, die Reichweitenbeschränkungen beim Einsatz deutscher Waffen für die Ukraine aufzuheben, hat Merz in Kiew hohe Erwartungen geweckt und Kritik vom Kreml und der SPD geerntet.
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Merz aber verteidigte am Dienstag seine Haltung. „Verteidigen kann sich nur derjenige, der auch in die Lage versetzt wird, militärische Basen anzugreifen, die auch auf dem Territorium des Angreifers liegen“, sagte der Kanzler am Dienstag im finnischen Turku.
Ein Kurswechsel zu Scholz
Merz hatte am Montag in Berlin gesagt, dass für von Deutschland gelieferte Waffen keine Beschränkungen mehr gelten, was die Reichweite und damit den Einsatz gegen russisches Territorium angeht.
Die Äußerung bedeutet einen Kurswechsel im Vergleich zu Amtsvorgänger Olaf Scholz (SPD). Der hatte zwar 2024 den Einsatz bestimmter Waffen gegen Stellungen auf russischem Territorium für die Region um die Großstadt Charkiw erlaubt. Er hatte sich in der Folge aber anders als wichtige Partner wie Großbritannien und Frankreich gegen weitergehende Aufhebungen der Einsatzbeschränkungen gewandt.
Waren Merz’ Worte nur ein Testballon? Oder will der Kanzler einen Kurswechsel? Sowohl in der Union als auch beim Koalitionspartner SPD herrschte am Dienstag Ratlosigkeit. SPD-Chef und Vizekanzler Lars Klingbeil versuchte, Merz’ Worte herunterzuspielen. „Was die Reichweite angeht, […] da gibt es keine neue Verabredung, die über das hinausgeht, was die bisherige Regierung gemacht hat“, sagte Klingbeil.
Der SPD-Chef muss Rücksicht nehmen auf all jene in seiner Partei, die nach wie vor auf „Friedensgespräche“ oder gar eine „diplomatische Lösung“ mit Russlands Präsident Wladimir Putin bauen. Klingbeil hatte sich nach Beginn der russischen Volloffensive gegen die Ukraine 2022 von der naiven SPD-Russlandpolitik distanziert. Derzeit laviert Klingbeil erheblich.
In der Union und bei den oppositionellen Grünen hoffen etliche Außenpolitiker auf eine Lieferung weitreichender deutscher Taurus-Marschflugkörper an Kiew. Außenminister Johann Wadephul (CDU) wiederholte am Dienstag in Lissabon die Merz-Formel: „Wir werden über einzelne Waffensysteme keine Aussagen machen.“ Die Bundesregierung werde Putin „nicht die Gelegenheit geben, zu wissen, was wir konkret tun“.
Merz stehe „in der Pflicht, den Druck auf Putin zu erhöhen und die Ukraine konsequent zivil und militärisch zu unterstützen“, sagte Deborah Düring, die außenpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, dem Tagesspiegel: „Dazu gehören weitere Sanktionen genauso wie die Lieferung der Taurus-Marschflugkörper.“
Jetzt gilt: Machen Sie es einfach und zeigen Sie, dass Ihren Worten auch konkrete Taten folgen, Herr Merz!
Deborah Düring, außenpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion
Als Oppositionspolitiker habe Merz die Taurus-Lieferung gefordert, unter anderem mit namentlichen Abstimmungen im Bundestag, sagte Düring: „Jetzt gilt: Machen Sie es einfach und zeigen Sie, dass Ihren Worten auch konkrete Taten folgen, Herr Merz!“
Heftige Vorwürfe richtete die Grünen-Politikerin an den früheren Koalitionspartner SPD. „Es ist befremdlich, wie sehr die SPD bei der Ukraine-Hilfe abermals auf die Bremse tritt“, sagte sie. Das „Zaudern und Zögern“ von SPD-Chef Klingbeil zeige, dass nicht Ex-Kanzler Scholz das Problem allein gewesen sei. „Die Haltung von Klingbeil ist gefährlich naiv. Die Uneinigkeit in der Bundesregierung ist das Gegenteil von dem, was die Ukraine gerade braucht“, sagte Düring.
Der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Adis Ahmetovic, sagte dem Tagesspiegel, Deutschland stehe hinter der Ukraine und werde beim Besuch Selenskyjs „unseren klaren Support – ökonomisch, militärisch und diplomatisch – für die Ukraine noch einmal bestärken“.
Bei dem Treffen werde es darum gehen, Möglichkeiten zu weiteren Gesprächen zwischen der Ukraine und Russland zu erörtern. „Dazu wollen wir ein scharfes EU-Sanktionspaket gemeinsam mit den USA gegen Russland schnüren, da Russland auch weiterhin keine Bereitschaft zu echten Friedensverhandlungen zeigt“, sagte Ahmetovic: „Es muss jetzt darüber hinaus eine klare europäische Perspektive für die Ukraine skizziert werden.“
Deutschland sollte aus eigenem Interesse „die Ukraine stärker als bisher unterstützen“, sagte der CDU-Außenpolitiker Johannes Volkmann dem Tagesspiegel. Kanzler Merz zeige „bei der Aufhebung der Reichweitenbeschränkung eine Klarheit, die der Vorgängerregierung fehlte“. Man dürfe sich keine Illusionen machen, sei doch Putin „ein imperialistischer Aggressor, der die alte sowjetische Einflusssphäre mit Gewalt wiederherstellen will“.
Europäische Unterstützung für die Ukraine dürfe sich daher nicht in Gesten erschöpfen, sagte Volkmann, „sondern muss die Verteidigungsfähigkeit und den Nachschub der Ukrainer sicherstellen“.
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