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Anzeigen am Gasspeicher im niedersächsischen Rehden

© dpa/Mohssen Assanimoghaddam

Update

„Haben das erste Zwischenziel erreicht“: Gasspeicher zu drei Vierteln gefüllt – Lindner bittet Brüssel um Ausnahme bei Mehrwertsteuer

Zwei Wochen früher als geplant erreicht der Füllstand der deutschen Gasspeicher 75 Prozent. Dennoch könnte es im Winter knapp werden mit der Versorgung.

Seit Wochen liefert Russland deutlich weniger Gas nach Deutschland, die Sorgen vor einer Energieknappheit in der kommenden Heizperiode wachsen.

Doch nun gibt es erst einmal eine Nachricht, die Hoffnung macht: Ungeachtet der eingeschränkten russischen Lieferungen sind die deutschen Gasspeicher wieder zu mehr als 75 Prozent gefüllt. Nach den jüngsten, noch vorläufigen Daten der europäischen Gasspeicherbetreiber vom Samstagabend lag der Füllstand am Freitagmorgen bei 75,43 Prozent.

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Das erste Etappenziel für die Speicherfüllung wurde damit gut zwei Wochen früher als geplant erreicht, vor allem dank eines geringeren Verbrauchs im Sommer und starker Importe aus Nordwesteuropa. Ein Speicherstand zu mindestens drei Vierteln war laut einer Verordnung des Bundeswirtschaftsministeriums eigentlich erst zum Stichtag 1. September der Plan.

Entsprechend zufrieden und erst einmal erleichtert zeigte sich der Chef der Netzagentur, Klaus Müller. „Wir haben das erste Zwischenziel vor der Zeit erreicht. Das ist erfreulich“, sagte Müller. Die nächsten Ziele seien aber ambitioniert. „Nun gilt es, nicht nachzulassen beim Befüllen der Speicher. Das Gas, das jetzt in die Speicher fließt, kann uns im Winter helfen.“

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Derzeit pumpt Russland zwar weiter Gas nach Deutschland, aber die dafür wichtige Ostseepipeline Nord Stream 1 ist seit gut zwei Wochen nur noch zu rund 20 Prozent ausgelastet. Technische Gründe seien dafür verantwortlich, sagt der russische Gaskonzern. Die deutsche Seite hält dies allerdings für vorgeschoben.

Die Bundesregierung will mit verschiedenen Maßnahmen erreichen, dass die Gasspeicher in Deutschland zu Beginn der Heizperiode fast voll sind. Deutschland soll damit im Winter besser gegen einen möglichen Totalausfall russischer Lieferungen gewappnet sein.

Nach den Etappenzielen für September und Oktober, für den 85 Prozent Füllstand angepeilt werden, ist der Plan, die Gasspeicher am 1. November zu mindestens 95 Prozent gefüllt zu haben. Die Speicher gleichen Schwankungen beim Gasverbrauch aus und bilden damit eine Art Puffersystem für den Gasmarkt. Die bei einem Füllstand von 95 Prozent gespeicherte Gasmenge entspricht etwa dem bundesweiten Verbrauch im Januar und Februar 2022.

„Vor März könnte es schon knapp werden“

Trotz der vorzeitig erreichten 75 Prozent sehen Experten aber keinen Grund für Euphorie. Der Geschäftsführer des Speicherverbandes Ines, Sebastian Bleschke, sprach von einer „guten Perspektive“. Doch die 75 Prozent seien eben nur ein Zwischenziel. „Im Kern geht es um die Erreichung von 95 Prozent am 1. November“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Bei Normaltemperaturen im Oktober werde sich die beginnende Heizsaison stark auf die Einspeichermöglichkeiten auswirken. Aufgrund der stark reduzierten Gasimporte sei es daher möglich, dass das Ziel für den Füllstand verfehlt werde.

Bei normalen Temperaturen und den reduzierten Gaslieferungen über Nord Stream 1 könne das gespeicherte Gas schon im März oder April aufgebraucht sein, warnte Bleschke. „Sollte Russland die Gaslieferungen ganz einstellen, schon früher.“ Zu knapp könnte es allerdings auch schon vor März werden.

„Denn es kann passieren, dass an besonders kalten Tagen die Gasentnahme aus dem Netz so hoch ist, dass die zeitgleichen Gaseinspeisungen nicht zur Bedarfsdeckung ausreichen“, sagte Bleschke. Dann müsse die Nachfrage reduziert werden, obwohl noch Gas in den Speichern lagere.

Scholz und Habeck beschwören gesellschaftlichen Zusammenhalt

Angesichts der Energieknappheit und der steigenden Preise beschworen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Wochenende den Zusammenhalt in der Gesellschaft. „Wir stehen vor einer nationalen Kraftanstrengung“, betonte Habeck. Und Scholz sagte: „Die Lage im Herbst und Winter wird schwierig.“ Das Land sei aber vorbereitet. „Wenn wir zusammenhalten, dann werden wir das schaffen“, so der Kanzler.

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„Jeder Beitrag zählt“, sagte Habeck. Die Bundesregierung verfolge konsequent ihre Politik, von russischen Energielieferungen unabhängig zu werden. „Es kommt aber auch ganz wesentlich darauf an, deutlich mehr Gas einzusparen: in der öffentlichen Verwaltung, in Unternehmen, in möglichst vielen Privathaushalten“, betonte der Minister.

Habeck plant Einsparmaßnahmen bereits für diese Heizsaison. So sollen Büroräume in öffentlichen Liegenschaften nur noch auf 19 Grad geheizt werden, ausgenommen sind Kliniken, Pflegeeinrichtungen und andere soziale Einrichtungen. Zudem sollen Denkmäler und staatliche Werbetafeln nachts nicht mehr beleuchtet werden. Eine entsprechende Verordnung mit einer Gültigkeit von sechs Monaten solle direkt vom Bundeskabinett ohne Beteiligung des Bundestags oder Bundesrats beschlossen werden und zum 1. September in Kraft treten.

Für Millionen Gaskunden in Deutschland ist der Montag ein Tag der Wahrheit. Dann soll die Höhe der Gasumlage zur Rettung systemrelevanter Gasimporteure bekanntgegeben werden. Verbraucher müssen mit erheblichen Mehrkosten rechnen. (Fragen und Antworten dazu finden Sie hier.)

Faeser warnt vor Angriffen auf Gasterminals

Bundesfinanzminister Christian Lindner bat derweil auf EU-Ebene um eine Ausnahme, damit Deutschland auf die staatliche Gasumlage keine Mehrwertsteuer erheben muss. In einem Brief an EU-Finanzkommissar Paolo Gentiloni, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, schreibt der FDP-Politiker: „Mehrwertsteuer auf staatlich erhobene Abgaben treibt die Preise in die Höhe und stößt auf zunehmenden Widerstand in der Bevölkerung, besonders in der aktuellen, außergewöhnlichen Situation.“

Lindner bittet Gentiloni, sein Initiativrecht zu nutzen und den EU-Staaten die Möglichkeit zu geben, auf staatliche Abgaben im Energiebereich für eine Weile keine Mehrwertsteuer zu erheben. Unabhängig davon werde Deutschland nach Artikel 395 der Mehrwertsteuerrichtlinie eine Ausnahme beantragen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) warnte derweil vor Angriffen auf die Energie-Infrastruktur in Deutschland. „Wir müssen gegen mögliche Attacken auf Gasterminals und andere kritische Infrastruktur gerüstet sein“, sagte sie der „Bild am Sonntag“. Sie verwies dabei vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine etwa auf den Schutz vor Cyberattacken. Doch es gebe auch neue Aufgaben: „So müssen wir die Bewegungen russischer Schiffe in Nord- und Ostsee kontrollieren und die neuen Flüssiggas-Terminals bewachen.“

Neben der russischen Bedrohung gehe es auch weiter darum, Extremismus mit aller Kraft zu bekämpfen, sagte Faseser. „Wir sind alarmiert durch den Versuch von Linksextremisten, Klimaproteste zu instrumentalisieren. Das nehmen wir sehr ernst. Auf der anderen Seite sehen wir natürlich auch weiter die Gefahr von rechts.“

Vertreter von Sicherheitsbehörden hatten sich wiederholt besorgt darüber gezeigt, dass Extremisten versuchen könnten, Proteste für ihre Zwecke zu instrumentalisieren, wie etwa Reichsbürger in der Corona-Pandemie. Brandenburgs Verfassungsschutzchef Jörg Müller warnte davor, dass Extremisten die Energiekrise und die hohe Inflation ausnutzen könnten. (mit Agenturen)

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