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Haushaltsentwurf der Ampel: Nicht mehr als eine Atempause – aber auch nicht weniger
Es ist gut, dass sich die Regierung Scholz auf einen Etat 2025 einigen konnte. Dem Ernst der „Zeitenwende“ aber wird der Haushalt nicht gerecht. Die Erfolge der FDP sind beachtlich.

Stand:
Die Dramatik in Europa und der Welt hat der Kanzler in den vergangenen Tagen so deutlich vorgetragen wie selten zuvor. Olaf Scholz (SPD) hat mit seiner Analyse recht, bange blickt er etwa nach Frankreich und in die USA.
Wäre es dem Kanzler in monatelangen Gesprächen misslungen, sich mit Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) auf einen Entwurf zum Bundeshaushalt 2025 zu einigen, so hätte die Ampel gleich abtreten können.
Gut, dass die Ampel ihrer Pflicht gerecht wurde
So hat sich die Regierung mit Haushaltsentwurf und Wachstumspaket eine Atempause verschafft, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Eine Regierung hat die Aufgabe, zu regieren. Es ist gut, dass die Ampel-Spitzen dieser Pflicht gerecht geworden sind. Eine handlungsunfähige Regierung in Europas wichtigster Nation wäre eine Belastung weit über Deutschland hinaus gewesen.
Die Bundesregierung lässt Abgeordnete und Öffentlichkeit mit Blick auf die Volumina der einzelnen Ressorts zunächst im Dunkeln. Erneut hat sie getrickst, mit rosaroten Ausblicken und kühnen Ziffern, etwa bei den globalen Minderausgaben.
Von einem „Sparhaushalt“ kann keine Rede sein. Kürzungen wurden am Freitag nirgends benannt. Die wenigen bekannt gewordenen Daten deuten darauf hin, dass es sich um einen Haushalt handelt, der mehr Stückwerk ist als ein „gelungenes Kunstwerk“ (Scholz).
Pistorius scheiterte am Pakt zwischen Scholz, Lindner und Mützenich
So soll der Verteidigungshaushalt in der größten Krise Europas seit 1945 nur um etwa 1,2 Milliarden Euro wachsen. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hatte zu Recht mehrere zusätzliche Milliarden Euro eingefordert.
Pistorius aber scheiterte an einem Pakt zwischen Scholz, Lindner und SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich: Der sparsame Finanzminister pocht auf Ausgabendisziplin. Der Kanzler, der seine eigene „Zeitenwende“-Rede nie voll beherzigt hat, schmeichelt seiner SPD und Mützenich, dem nicht einmal die Bundeswehr geheuer ist.
Außerdem ist es Scholz nur recht, seinen populären Parteifreund Pistorius bremsen zu können. Süffisant sprach Scholz am Freitag von „ehrgeizigen Ministern“, die „immer mehr wollen“. Das war ein Gruß an Pistorius, Habeck und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne).
Dass Scholz nun auf die „Zeitenwende“, auf Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine verweist, um das Zwei-Prozent-Ziel zu begründen, grenzt an Volksverdummung. Das Ziel nämlich, ab 2024 mindestens zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für die eigene Verteidigung auszugeben, hatte die Nato bereits 2014 beschlossen, mit der Stimme Deutschlands (Außenminister Steinmeier!).
Deutschland sollte Polen und Balten folgen
Angesichts von Wladimir Putins Aggression und Chinas Drohungen ist es längst an der Zeit, dass Deutschland endlich anderen Nato-Partnern folgt und seine Verteidigungsausgaben weit stärker als geplant steigert. Deutschland sollte nach seinen jahrelangen Fehleinschätzungen und Irrwegen etwa auf Polen und Balten hören, ihnen folgen.
Ob beim Festhalten an der Schuldenbremse, dem Nein zu einem Notlagenbeschluss, der Beschränkung des Lieferkettengesetzes, weniger Steuern bei Überstunden, eine Besserstellung arbeitender Rentner, Bürgergeld-Verschärfungen: In vielen Punkten hat sich ausgerechnet der kleinste Regierungspartner, die FDP, durchgesetzt.
Warum die FDP die Preise hochtreiben kann
Der strategische Vorteil der FDP besteht darin, dass sie, rechts der Mitte, mit zwei Parteien links der Mitte regiert und damit die Preise hochtreiben kann. Wer dies als Grüner beklagt, sollte sich mit CDU-Chef Friedrich Merz, CSU-Chef Markus Söder und Lindner zum Abendessen verabreden. Übrigens: Das Aufweichen der Schuldenbremse wird eines Tages von der „unverdächtigen“ Union beschlossen werden müssen.
Beim Nato-Gipfel nächste Woche in Washington dürfte sich Olaf Scholz, neben dem geschwächten US-Präsidenten Joe Biden und Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron sitzend, als Supermann fühlen.
Seine Wahlkampframpe für 2025, Deutschland als „Anker der Stabilität in Europa“, baut der Kanzler bereits auf. Doch noch ist sein Haushalt nicht Gesetz. Nach dem Kabinettsbeschluss am 17. Juli ist das Parlament am Zug. Bleibt die Ampel sich treu, so wird sie den Sommer mit erbittertem Streit verbringen.
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