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Rekordverschuldung: Olaf Scholz und Angela Merkel mussten viele neue Staatskredite aufnehmen.

© imago images/Emmanuele Contini

Haushaltspolitik in Corona-Zeiten: Die 400-Milliarden-Hypothek

Der neue Bundeshaushalt steht. Die riesige Neuverschuldung binnen zwei Jahren bedeutet: Die nächste Regierung muss haushaltspolitisch umdenken. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Albert Funk

Olaf Scholz hat sich seine Zeit als Finanzminister wohl etwas anders vorgestellt, mit der Coronakrise hat ja niemand gerechnet. Aber in einem Jahr ist seine Amtszeit vorbei. Dann ist Scholz entweder Kanzler oder Fraktionschef oder Hinterbänkler oder Rentner.

Der Etat, den der Haushaltsausschuss des Bundestags in der Nacht zu Freitag fertiggestellt hat, ist sein vorletzter. Im Frühjahr muss Scholz noch die Eckpunkte des Etats für 2022 vorlegen. Keine einfache Aufgabe angesichts der Unwägbarkeiten und der aufgebauten Neuverschuldung, die binnen zwei Jahren atemraubende Größen erreicht hat. 218 Milliarden Euro an neuen Krediten hat die Regierung sich für 2020 vom Bundestag genehmigen lassen. Nun kommen für das kommende Jahr noch einmal 180 Milliarden hinzu, weitaus mehr als die ursprünglich geplanten 96 Milliarden.

Macht zusammen eine geplante Neuverschuldung in Höhe von fast 400 Milliarden Euro. Ob die Regierung den Rahmen ganz ausschöpfen muss, ist allerdings noch unklar. Es könnte 2020 auf eine tatsächliche Neuverschuldung hinauslaufen, die zwei oder drei Dutzend Milliarden niedriger liegt. Auch für 2021 weiß man heute natürlich noch nicht, ob die Kreditermächtigung am Ende zu hoch oder auch zu niedrig ist. Absehbar ist, dass die Schuldenlast Deutschlands am Ende mindestens um 350 bis 380 Milliarden Euro höher sein wird.

Aus mit "Wumms"

Der nächste Ressortchef ist also nicht zu beneiden. Nach der Coronakrise, aber nicht allein wegen ihr, sind die Zeiten vorbei, in denen sich die Bundesfinanzminister mit üppig gefüllten Etats oder tatkräftigen Slogans wie „Bazooka“ oder „Wumms“ profilieren konnten.

Wer immer es sein wird, er oder sie hat eine etwas andere Aufgabe vor sich: Es müssen die Folgen der Haushaltspolitik der Jahre davor glattgebügelt werden. Und zwar die der herrlichen Überschussjahre bis 2019 wie die der mühsamen Corona-Jahre. Das Stellenprofil muss daher lauten: Es geht um das Aufräumen, nicht um das Ausstatten.

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Ein Grund ist die Notwendigkeit, einen beträchtlichen Teil der Kredite, die man jetzt aufnimmt, auch zu tilgen – das gibt die Schuldenbremse vor. Insgesamt sind es nach den Soll-Berechnungen etwa 280 Milliarden Euro. Diese sind, beginnend 2023, gestreckt auf insgesamt 20 Jahre zu tilgen. Erstmals muss sich die Politik damit der Tatsache stellen, dass Schulden eine Last sind, die man tatsächlich konkret einzukalkulieren hat. Und nicht auf dem Weg der permanenten Refinanzierung sozusagen verewigt. Die Notwendigkeit zur Tilgung ist es auch, die nahelegt, 2021 mit Blick auf die Bundestagswahl die Corona-Kreditermächtigungen nicht zweckzuentfremden.

Ende der Rücklagen- und Füllhornwirtschaft

Ein weiterer Grund ist die Füllhornwirtschaft der vergangenen Wahlperioden. Der Bund vor allem hatte Geld in einem Ausmaß, das seine Fähigkeit überstieg, es einigermaßen vernünftig auszugeben. So sammelten sich Rücklagen an, die laut Rechnungshof mittlerweile auf 48 Milliarden Euro gestiegen sind, also ein Siebtel des Etats in Vor-Corona-Zeiten.

Damit werden jetzt in der Finanzplanung für die nächsten Jahre Löcher gefüllt, weil die Koalition, unabhängig von Corona, schon mehr Ausgaben vorgesehen hat, als man nach heutigem Stand Einnahmen haben wird. Und es wandert viel Geld ziellos im Etat umher, weil es nicht abfließt – Fördertöpfe für die Schulen, fürs Bauen, für die Kommunen, den Öko-Umbau.

Maß und Mitte

Was also nach der Bundestagswahl beginnen muss, ist ein grundsätzliches Umdenken in der Haushaltspolitik. Sie muss wieder ausbalancierter und nachhaltiger werden. Sie muss auf Maß und Mitte ausgerichtet sein. Das schließt steuerpolitisch weder moderate Erleichterungen noch sinnvolle Erhöhungen aus. Aber man sollte vom Prinzip der Schuldenbegrenzung nicht abgehen, weil man anders nicht klarzukommen glaubt. Denn es zeigt sich ja, dass die Etats im Normalstatus zu viel Volumen haben. Es ist aber nicht Aufgabe der Regierenden, dauerhaft auf dem Geld der Bürger zu sitzen.

Die Gefahr, dass die Corona-Nothaushalte, diese beiden Monster-Etats, eine solide Haushaltspolitik schwieriger machen, ist nicht gering. So wie die zeitweise ebenfalls unvermeidliche Nullzinspolitik ja offenkundig auch die Sitten verdorben hat. Wer in Schuldentaumel gerät, weil Kredite so wunderbar billig aussehen, übersieht die gravierenden Folgen – nicht zuletzt für Geringverdiener und all jene Bürger, die weniger Vermögen haben.

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