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Sieht man viel zu selten: Zwei Baukräne in Hamburg.

© IMAGO//Florian Gaertner

Update

Deutschland braucht 320.000 neue Wohnungen pro Jahr: Das neue Schuldenpaket macht Bauen noch teurer

Die Bevölkerung wächst, doch die Zahl der neu gebauten Wohnungen stagniert seit Jahren. Jetzt machen die zusätzlichen Milliardenschulden das Bauen noch unattraktiver. Und Schwarz-Rot gibt nur vage Versprechen.

Stand:

Es ist ein kleiner Hoffnungsschimmer für den Wohnungsmarkt. Die Zahl der Baugenehmigungen ist im Januar zum zweiten Mal in Folge gegenüber dem Vorjahresmonat gestiegen. Im ersten Monat des Jahres wurden in Deutschland 18.000 Wohnungen genehmigt.

Insgesamt waren die vergangenen drei Jahre aber eine einzige Enttäuschung für die Baubranche. Vor seinem Amtsantritt hatte Kanzler Olaf Scholz (SPD) versprochen, dass hierzulande künftig 400.000 neue Wohnungen pro Jahr gebaut werden. Tatsächlich aber stagnierte der Wohnungsbau bis 2023 bei rund 300.000 Einheiten pro Jahr.

Dabei stieg der Bedarf durch den Zuzug von über einer Million Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine noch einmal stark an. Das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln (IW) berechnete im Herbst des vergangenen Jahres für den Zeitraum von 2021 bis 2025 einen jährlichen Bedarf von 372.600 neuen Wohnungen. „Weil wir in den vergangenen Jahren nicht genug gebaut haben, mussten viele Menschen enger zusammenrücken und konnten sich nicht an neue Lebenssituationen anpassen“, erläutert Studienautor Ralph Henger.

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Deutlicher höherer Bedarf als gedacht

An diesem Donnerstag hat die zuständige Bundesoberbehörde offiziell bekanntgegeben, welchen jährlichen Neubaubedarf es in Deutschland bis ins Jahr 2030 geben wird. Das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) revidiert seine bisherige Bedarfsprognose kräftig nach oben. Bis zum Ende dieses Jahrzehnts sieht es nun deutschlandweit einen jährlichen Neubaubedarf von 320.000 Wohnungen pro Jahr.

2015 war das Institut in den Jahren 2026 bis 2030 noch von einem Bedarf von 180.000 neuen Wohnungen pro Jahr ausgegangen. Damals rechneten die Forscher damit, dass die Bevölkerung in Deutschland bis 2030 gegenüber 2015 um 1,7 Millionen Einwohner zurückgeht. Stattdessen wuchs sie bis 2024 um 1,6 Millionen auf heute 83,6 Millionen Menschen an.

In ihrer aktuellen Bevölkerungsprognose gehen die BBSR-Forscher nun davon aus, dass dieses Niveau weitgehend gehalten wird. Bis 2029 soll es demnach sogar noch einen weiteren Zuwachs um 500.000 Menschen gegenüber 2022 geben. Und auch 2045 werden laut der Prognose noch rund 83,1 Millionen Menschen in Deutschland leben. Da zugleich immer mehr Menschen in Großstädten und Single-Haushalten leben, bleibt der Bedarf an neuen Wohnungen hoch.

Doch in den kommenden Jahren rechnet IW-Forscher Henger mit einem deutlichen Rückgang der Bautätigkeit. „Wir durchlaufen ein Tal der Tränen. Wir gehen davon aus, dass 2024 nur 260.000 Wohnungen gebaut wurden. In diesem Jahr dürften es dann nur noch 230.000 sein“, so Henger. Denn die Genehmigungszahlen für Neubauprojekte seien in den vergangenen Jahren immer weiter zurück gegangen. Wegen der gestiegenen Zinsen und Baukosten haben Bauherren in den vergangenen Jahren immer weniger Projekte angestoßen. Das wirkt sich jetzt voll aus.

Schuldenpaket treibt Preise

Eigentlich rechneten Beobachter der Branche damit, dass sich die Marktbedingungen für Wohnungsbauprojekte nun wieder deutlich verbessern – insbesondere wegen der Zinssenkungen der Europäischen Zentralbank. Doch die Erholung, die sich auch bei den Baugenehmigungen im Januar andeutet, droht nun abgewürgt zu werden.

Denn das hunderte Milliarden Euro schwere Schuldenpaket treibt den geforderten Zins für Bundesanleihen in die Höhe. An deren Preis sind Bauzinsen gekoppelt. „Der Zinspreis für zehnjährige Baudarlehen ist seit Januar von 3,2 Prozent auf 3,7 Prozent gestiegen. Dadurch könnte die Nachfrage nach Wohnraum wieder deutlich zurückgehen“, warnt Henger. Es gebe jedoch Grund zur Hoffnung, dass die Zinsen demnächst auch wieder zurückgingen.

Zugleich wird der neue 500 Milliarden Euro schwere Sondertopf zur Sanierung von Straßen, Schienen, Schulen und Krankenhäusern, die Baubranche kräftig auslasten. Auch das dürfte Bauen teurer machen.

Für den sozialen Wohnungsbau sind in dem Sondervermögen laut dem schwarz-roten Sondierungsergebnis jedoch keine Gelder vorgesehen. Der Wohnungsbau droht so zum vergessenen Problem bei der großen Infrastruktursanierung zu werden.

Wir müssen vor allem Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigen und die Bauvorschriften vereinfachen, damit Bauen wieder günstiger wird.

Ralph Henger, Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln

In der Vereinbarung der Koalitionäre ist nur vage davon die Rede, dass der soziale Wohnungsbau ausgebaut werden soll. Lukas Siebenkotten, der Präsident des Deutschen Mieterbundes, erhofft sich von den Koalitionsverhandlungen mehr Verbindlichkeit.

Bund und Länder müssten insgesamt 12,5 Milliarden Euro pro Jahr für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung stellen, „damit der Bestand an Sozialwohnungen bis 2030 wieder die notwendige Marke von zwei Millionen Wohnungen erreicht und pro Jahr mindestens 60.000 weitere bezahlbare Wohnungen entstehen“, forderte er. Zur Einordnung: Derzeit plant der Bund nur Investitionen von 3,5 Milliarden Euro pro Jahr, die von den Ländern in der Regel mindestens verdoppelt werden.

Auch die Grünen-Wohnungsbaupolitikerin Hanna Steinmüller wünscht sich ein deutliches Signal von Schwarz Rot für den Wohnungsbau. Union und SPD müssten den nun entstandenen Spielraum im Bundeshaushalt für eine verlässliche Förderung des sozialen und gemeinnützigen Wohnungsbaus nutzen, sagte sie dem Tagesspiegel. Zugleich müsse Schwarz-Rot den Neu- und Umbau vereinfachen. Für den Bestand sei zudem mehr Mieterschutz nach wie vor wichtig, „da reicht eine Verlängerung der Mietpreisbremse um zwei Jahre nicht“.

Eine Vereinfachung der Bauvorschriften, die im Sondierungspapier ebenfalls angekündigt wird, hält Ralph Henger für entscheidend. Nötig sei weniger ein großes, staatliches Investitionsprogramm. „Wir müssen vor allem Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigen und die Bauvorschriften vereinfachen, damit Bauen wieder günstiger wird.“

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