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Mit dem Charme, der Friederich Merz am Samstag abging, punktet Markus Söder einen Tag später bei der Jungen Union.

© IMAGO/Chris Emil Janssen

„Ich falle Merz nicht in den Rücken“: Wie Söder den Auftritt des Kanzlers ausnutzte

Der desaströse Auftritt von Bundeskanzler Merz bei der Jungen Union am Samstag war eine Vorlage für CSU-Chef Söder am Sonntag. Und er verwandelte in bekannter Manier.

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Weil am Samstagabend traditionell intensiv gefeiert wird, gehört der Sonntagvormittag auf den sogenannten Deutschlandtagen der Jungen Union (JU) nicht gerade zu den beliebtesten Redeplätzen. CSU-Chef Markus Söder aber hat ihn in der Planung früh als Wunsch angegeben.

Der gewiefte Taktiker hat sich erst einmal anschauen wollen, wie sich die Dinge entwickeln, wie sich andere aus der Union schlagen, ehe er auftritt. In der Rentenfrage, die den Parteitag des Nachwuchses dominierte, gehört Söder mit seinem Beharren auf die teure Mütterrente schließlich nicht gerade zu den natürlichen Verbündeten der JU. Schon auf deren bayerischen Landesparteitag sei er dafür, scherzt der Münchner Ministerpräsident nun, „verhauen worden“.

Das ist der große Unterschied zu Friedrich Merz am Vortag. Während der CDU-Kanzler fast verbissen auftrat, wenig sagte zu den konkreten Forderungen, aber umso eindeutiger formulierte, als er im Sinne des Parteifriedens besser geschwiegen hätte, nimmt Söder die Kritik an der Sozialpolitik derselben Koalition „sportlich“ – und mit Charme und Humor entgegen.

Söder vergleicht die JU mit Real Madrid

Das fängt mit überschwänglichem Lob für die Jugendorganisation und ihren Vorsitzenden an. Er habe Johannes Winkel in einer Polittalkshow im Duell mit seinem Gegenpart von den Jusos gesehen, dessen Namen Philipp Türmer Söder natürlich nicht erwähnt – „wie Real Madrid gegen Slavia Prag“ lautet sein Vergleich aus der Fußballwelt.

Ein reines SPD-Basta von der Seite geht auch nicht.

Die Ansage von Markus Söder an die Adresse von Merz und Klingbeil

Das nächste Lob ist ein hochpolitisches. „Ihr habt euch die letzten Wochen sehr konstruktiv eingelassen“, sagt der Parteichef und erwähnt den Leitantrag zu Sozialstaatsreformen, der beim Deutschlandtag beschlossen wurde. Genau den hatte Merz am Vortag scheinbar nicht gekannt, als er von den Jungen in der Union konstruktive Vorschläge erbat und den Parteinachwuchs perplex zurückließ. Der Dank von Johannes Winkel an Markus Söder folgt sofort.

Der sagt nach seinen ersten Einlassungen zur umstrittenen Rentenpolitik: „Ich falle Friedrich Merz und Jens Spahn nicht in den Rücken.“ Der Kanzler versuche schließlich, „das Ganze zusammenzuhalten“. Der Bayer sagt dann aber doch noch eine ganze Reihe von Dingen, die überhaupt nicht zu dieser Feststellung passen.

Gerade beim Umgang mit dem Koalitionspartner gibt Söder Merz überdeutlich einen mit. Auch er pflege ein gutes Verhältnis mit den SPD-Vorsitzenden Bärbel Bas und Lars Klingbeil – er duze die beiden aber nicht, weil das nach der Wahl einzig mögliche Bündnis mit einer demokratischen Partei nun einmal „keine Liebesheirat“ sei. Dass Merz mit beiden Kabinettskollegen per Du ist, weiß man.

Söder fordert härteren Umgang mit der SPD

Die Zuhörenden erfahren zu ihrer großen Freude auch, dass Söder zu viele Zugeständnisse an die Sozialdemokraten sieht: „Wir geben die Richtung vor, nicht der kleinere Koalitionspartner.“ Das gilt aus seiner Sicht auch für mögliche Änderungen am Gesetzentwurf zum Rentenniveau, die Klingbeil tags zuvor ausschloss: „Ein reines SPD-Basta von der Seite geht auch nicht.“ Man müsse sich in der Sache noch einmal zusammensetzen, „das Signal“ vom Deutschlandtag der Jungen Union sei bei allen ankommen.

Merz hat mir seiner Reaktion gestern wirklich den Vogel abgeschossen.

JU-Delegierte aus Berlin

Zu den Querschüssen gegen Merz, zu denen dieser mit seinem Auftritt zuvor freilich auch eingeladen hat, gehört auch, dass der „logische Widerspruch“ im Vorgehen des Kanzlers benannt wird: Wenn der Regierungschef argumentiert, die von der JU befürchteten Folgekosten nach 2031 von rund 120 Milliarden Euro seien nur hypothetischer Natur, weil dem Gesetz noch eine weitere, große Rentenreform folge, „warum beschließen wir es dann“?

So lassen die Delegierten Söder auch dessen eigene Widersprüche durchgehen. Nur eine junge Frau ermahnt ihn in der Aussprache: „Es wäre einfacher sich durchzusetzen gegenüber der SPD, wenn sie nicht auf Prestigeprojekten wie die Mütterrente beharren würden, die insgesamt 13 Milliarden Euro im Jahr kostet.“

Auch in Rust fordert Söder eine schnelle Senkung der Stromsteuer für alle, was im Sommer am geringen finanziellen Spielraum gescheitert war, was freilich auch am bayerischen Festhalten am eigenen Wahlkampfschlager lag. So wie die JU vom baden-württembergischen CDU-Landeschef Manuel Hagel für ihre Rentenvorschläge als „Hüterin des Koalitionsvertrages“ bezeichnet wurde, gelte das für ihn bei der Mütterrente, die dort ebenfalls steht.

Söder darf sogar wie Merz die Junge Union ermahnen, mit einer allzu rigiden Rentenpolitik nicht die Wählbarkeit der Partei zu gefährden – nur wird seine Rede nicht mit eisigem Schweigen quittiert. „Söder ist mit der Situation deutlich besser umgegangen als Merz“, meint eine Delegierte aus Berlin: „Beide stehen bei uns gerade nicht besonders hoch im Kurs, aber Merz hat mir seiner Reaktion gestern wirklich den Vogel abgeschossen.“

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