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In der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem wird der ermordeten Juden gedacht. Viele Überlebende der Shoah leben in Israel aber in Armut und Einsamkeit.

© dpa

Initiativen für israelische Holocaust-Überlebende: Die Einsamkeit der Opfer

In Israel leben noch 200 000 Holocaust-Opfer. Viele kommen im Alltag einigermaßen über die Runden, aber viele leben auch in Armut und Einsamkeit. Doch es gibt Initiativen, die das ändern wollen

Sie haben unter den Nazis gelitten, sind der deutschen Mordmaschinerie entkommen, haben in Israel eine neue Heimat gefunden - und fristen dort oft ein Dasein in bitterer Armut. Etwa 200 000 Holocaust-Opfer leben heute noch im jüdischen Staat. Viele von ihnen kommen im Alltag einigermaßen über die Runden. Doch ein Drittel der zumeist Hochbetagten friert in winterkalten Wohnungen, kann sich notwendige Medikamente nicht leisten oder hungert sogar. Nur ein paar Tausend Menschen beziehen eine karge staatliche Rente. Vor allem Juden aus der ehemaligen Sowjetunion erhalten häufig gar keine staatliche Unterstützung, weil sie keine entsprechenden Ansprüche erworben haben. Not statt Mitgefühl, Desinteresse statt Aufmerksamkeit, Einsamkeit statt Zuspruch.

Das will ein deutsch-israelisches Projekt nun ändern. Die "Aktion Würde und Versöhnung - Deutschland hilft bedürftigen Holocaust-Überlebenden in Israel" hat es sich zum Ziel gesetzt, die Öffentlichkeit über die Lage der Schoa-Opfer zu informieren und vor allem den Menschen an Ort und Stelle sowohl praktisch als auch finanziell unter die Arme zu greifen. Damit das Geld sinnvoll eingesetzt werden kann, kooperiert der deutsche Verein "Initiative 27. Januar" als Initiator mit drei israelischen Partnern: Hadassah (ein großes Krankenhaus in Jerusalem), der "Helping Hand Coalition" (eine humanitäre Gruppe, die sich unter anderem um Essen und Kleidung für Arme kümmert) und Keren Hayesod (eine Organisation, die für den Staat Spenden sammelt). So soll gewährleistet werden, dass die Hilfe den Betroffenen zugute kommt. "Es geht nicht nur darum, an die Millionen Toten des Holocaust zu erinnern. Sondern wir wollen die Überlebenden ganz konkret unterstützen - als Zeichen der Wertschätzung und Anteilnahme", sagt Jörg Gehrke, Projektkoordinator der "Aktion Würde und Versöhnung". Solange dies noch möglich ist.

Auch in Israel gibt es private Initiativen, die sich um Holocaust-Überlebende kümmern. Eine von ihnen heißt "Adopt-A-Safta", was soviel bedeutet wie "Oma zu adoptieren". Ein programmatischer Name. Denn die von Jay Shultz, einem Immigranten aus New York, gegründete Organisation vermittelt Kontakte zwischen jungen Einwanderern und Menschen, die der Schoa entkommen sind. "Sie leiden sehr unter dem bösen Biest der Einsamkeit“, sagt Jay Shultz. Und er ist überzeugt: "Man kann auch ohne viel Geld Gutes tun."

Shultz Engagement kommt nicht von ungefähr. „Ich bin ein Enkelkind Überlebender aus Deutschland und Polen. Das prägte einen großen Teil meiner jüdischen Identität“, erzählt der 36-Jährige. Als Shultz vor sechs Jahren nach Israel kam, war er auf sich allein gestellt. Per Zufall kam er in Kontakt mit einer entfernten Cousine seines Großvaters in Haifa. Jay Shultz kannte die ältere Dame zwar nicht, begann aber, sie zu besuchen und telefonierte regelmäßig mit ihr, um „Schabbat Schalom“ zu wünschen.

„Sie wurde so etwas wie eine Großmutter für mich, kochte und erzählte mir von Teilen der Familie, die ich nie kennen gelernt hatte. Leider ist sie vor zwei Jahren gestorben, doch es hat mich glücklich gemacht, hier jemanden zu haben.“ Später erfuhr Shultz von ihrem Sohn, dass die Besuche auch der älteren Dame viel Freude bereitet haben. So kam Shultz auf die Idee, "Adopt-A-Safta" zu gründen. „Die alten Menschen brauchen Zuwendung und Wärme. Und viele jungen Menschen wollen sich für die Gesellschaft engagieren."

Auf die Hilfe der Regierung oder von großen Organisationen zu warten, kam Shultz nicht einmal in den Sinn. „40 Jahre lang ist nicht viel passiert, um den Überlebenden zu helfen, warum sollte es jetzt geschehen?“ Nach Angaben von Hilfsorganisationen sterben täglich durchschnittlich 35 Menschen, die die Schoa noch erlitten haben. „Wir müssen jetzt etwas tun. Wir haben keine Zeit mehr.“ Shultz verschickte deshalb tausende Emails mit Einladungen, sich seiner Initiative anzuschließen. Hunderte meldeten sich spontan, um eine "Großmutter" oder einen "Großvater" zu adoptieren. Logistisch überforderte dies Shultz zunächst.

Denn „Adopt-A-Safta“ schickt nicht einfach junge Menschen zu älteren. Die Helfer werden psychologisch geschult und entsprechend ihrer Wohnorte, Sprachkenntnisse, Religiosität und anderer Kriterien eingesetzt. Derzeit sind 80 Frauen und Männer aktiv. Es erfordere einen gewissen Einsatz, erklärt der Gründer. Auf einen Überlebenden kommt ein Team von zwei Leuten, damit immer jemand für die adoptierten Großeltern zur Verfügung steht. Pro Woche werden mindestens ein Besuch und ein Anruf erwartet. „Es ist eine Verpflichtung, doch erfahrungsgemäß hat dieses Engagement für beide Seiten große Bedeutung und bringt jede Menge Freude", sagt Shultz. Und er ist sicher: Man braucht nicht viel, um Einsamkeit zu heilen.

Weitere Informationen unter: www.initiative27januar.org und www.adoptasafta.com

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