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In Israel sind bereits mehr als eine Millionen Menschen geimpft.

© Ilia Yefimovic, dpa

Schnell, unbürokratisch, digital: Israels besondere Corona-Strategie – ein Vorbild?

20 Prozent der Bevölkerung sind schon geimpft. Bereits im April will Israel zur Normalität zurückkehren. Wie geht das?

Im Schritttempo fährt ein silberfarbener Jeep auf das weiße Pavillonzelt zu, das den Eingang zum Covid-19-Impfzentrum vor dem Fußballstadion in der israelischen Küstenstadt Haifa markiert. Die Fahrerin, dunkelhaarig mit Sonnenbrille, bremst ab. „Zelt vier!“, ruft ein Ordner ihr zu.

Die Frau lässt ihren Jeep zum zugewiesenen Zelt rollen, bremst, fährt das Fenster herunter und krempelt den Ärmel ihrer Bluse hoch. Ein Sanitäter beugt sich zu ihr und setzt die Spritze an. Kurz darauf fährt der Jeep wieder davon. Innerhalb von Minuten hat die Fahrerin ihre erste Impfung gegen das Coronavirus erhalten.

Die Drive-Through-Impfstation in Haifa, betrieben von der Krankenkasse Maccabi, zählt zu den spektakuläreren Elementen der israelischen Impfkampagne, deren Geschwindigkeit und Effizienz weltweit für Aufsehen sorgt: 1,5 Millionen Israelis, also rund 20 Prozent der Bevölkerung, hatten bis zum Sonntag nach Angaben des Gesundheitsministeriums ihre erste Dosis des Biontech/Pfizer-Impfstoffes erhalten, von dem zwei Dosen nötig sind.

Kein anderes Land hat bisher einen vergleichbaren Anteil seiner Bevölkerung impfen können. Zum Vergleich: In Deutschland etwa hatten bis Mitte dieser Woche laut dem Online-Portal „Our World in Data“ der Oxford-Universität lediglich 0,44 Prozent aller Bürger die erste Spritze erhalten. Doch was ist eigentlich der Grund für den israelischen Erfolg? Und was können andere Länder davon lernen?

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Einige Faktoren lassen sich schwer kopieren: Israel ist ein kleines Land, und ein Großteil seiner gut neun Millionen Einwohner leben in einigen wenigen urbanen Zentren. Doch das allein erklärt nicht dieses Tempo: Kleine wohlhabende Länder wie Dänemark oder die Niederlande liegen weit hinter dem Jüdischen Staat zurück. Für entscheidend halten viele Experten die physische und digitale Infrastruktur des israelischen Gesundheitssystems.

Buchen dürfen über 60-Jährige

Alle erwachsenen Bürger sind bei einer von vier großen Krankenkassen versichert. Diese Kassen führen digitale Krankenakten, die sie nun dafür nutzen, ihre Kunden zur Immunisierung einzuladen. Während Kritiker in Deutschland über eine zeit- und nervenraubende Bürokratie klagen, die die dortige Impfkampagne hemme, buchen Israelis ihren Impftermin telefonisch oder online, empfangen Erinnerungs-SMS und erhalten automatisch einen Termin für die Folgeimpfung.

Derzeit dürfen sich in Israel nur über 60-Jährige sowie Angehörige bestimmter Risikogruppen immunisieren lassen. Diese Kriterien prüfen die Programme der Krankenkassen automatisch. „Wenn ein 40-Jähriger versucht, online einen Impftermin zu buchen, geht das nicht“, erklärt Ido Hadari, Sprecher der Maccabi-Krankenkasse. „Sobald er seine Ausweisnummer eingibt, weiß das System, wie alt er ist.“

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85 Impfzentren mit jeweils mehreren Stationen unterhält allein Maccabi. Insgesamt gibt es mehrere Hundert Impfzentren im ganzen Land. 700 Reservisten der Armee unterstützen das Personal der Krankenkassen bei dieser einzigartigen Kraftanstrengung. Dennoch läuft auch in Israel nicht alles glatt. Zuletzt sank die Zahl der täglich Neugeimpften, weil der verfügbare Stoff knapp wird. Zwar hat die Regierung schon früh jeweils mehrere Millionen Dosen bei Pfizer und Moderna bestellt – genaue Zahlen nennt sie nicht –, doch derzeit hakt es bei der Lieferung.

Maccabi etwa wird ab der kommenden Woche keine Neuimpfungen mehr vornehmen und nur bereits Geimpfte ihre zweite Dosis verabreichen. Schwierigkeiten bestehen auch in der arabischen Minderheit: Deren Impfraten liegen weit unter dem Schnitt, offenbar eine Folge arabischer Anti-Impf-Propaganda in sozialen Medien.

Verschärfter Lockdown

Vor wenigen Tagen gab es zudem einen kleineren Skandal, als israelische Medien meldeten, Hunderte Mitarbeiter des Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu hätten die Impfung erhalten, unabhängig von Alter und Gesundheitszustand.

Und das Ichilov-Krankenhaus in Tel Aviv rebellierte diese Woche ebenfalls gegen die Vorgaben, indem es Lehrer sämtlichen Alters zur Impfung einlud – woraufhin Gesundheitsminister Yuli Edelstein zur Strafe die Impfstofflieferung an Ichilov einstellen ließ.

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Zudem kündigte Israels Regierung am Dienstag eine Verschärfung des geltenden Lockdowns an, um den Anstieg der Neuinfektionen zu stoppen: Beinahe 9000 Fälle pro Tag waren es zuletzt wieder.

Dennoch herrscht in weiten Teilen der Bevölkerung Erleichterung darüber vor, dass ein Ende der Krise in Sicht ist. Im April schon, hofft der Gesundheitsminister, könne das Land zur Normalität zurückkehren.

Der Maccabi-Sprecher Ido Hadari berichtet von berührenden Szenen der Dankbarkeit. Einer der frisch Geimpften habe für das Maccabi-Team am Stadion in Haifa Essen per Catering bestellt. Ein Bewohner Jerusalems wiederum habe in seinem Viertel Geld gesammelt, um den Mitarbeitern der lokalen Impfstation Pizza liefern zu lassen.

„Wenn in Israel Krieg herrscht, hilft die gesamte Gesellschaft der Armee“, sagt Hadari. „Während des Libanonkriegs, als ich noch Kind war, haben wir für die Soldaten Kuchen gebacken. Jetzt verstehen die Menschen, dass wir die Soldaten sind.“

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