Politik: Jetzt online: der gläserne Abgeordnete
Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik hat das Parlament die Nebeneinkünfte veröffentlicht
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Berlin - Erstmals seit der Gründung der Bundesrepublik können sich die Bürger über die Höhe der Nebeneinkünfte ihrer Bundestagsabgeordneten informieren. Einen Tag nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, das die bestehenden Regelungen billigte, hat Bundestagspräsident Norbert Lammert am Donnerstag die Daten freigegeben. Sie können auf der Website des Bundestags (www.bundestag.de) für jeden Abgeordneten eingesehen werden.
Allerdings sind aus den Angaben nicht die exakten Einkommen aus Nebenverdiensten herauszulesen – es werden nur bestimmte Einkommensstufen angegeben. Dabei zeigt sich: Die Mehrheit der Abgeordneten, die als Parlamentarier eine Diät von 7009 Euro brutto im Monat bekommen, hat keine oder nur geringe zusätzliche Einnahmen. Einige aber beziehen aus Zusatzjobs – etwa Aufsichtsratssitzen oder Vorträgen, aber auch aus ihren ursprünglichen Berufen – durchaus hohe Zweiteinkommen. Dazu gehören etwa der frühere Unions-Fraktionschef Friedrich Merz, FDP-Chef Guido Westerwelle oder der frühere Arbeitsminister Walter Riester (SPD). Nicht unbeträchtliche Zusatzeinkommen hatten oder haben auch die Fraktionschefs der Linkspartei, Oskar Lafontaine und Gregor Gysi, angegeben. Regierungsmitglieder, also Kanzlerin und Minister, dürfen nach dem Grundgesetz keinerlei Nebentätigkeiten ausüben.
Der SPD-Politiker Peter Danckert, der als einer von neun Bundestagsabgeordneten mit einer Klage gegen den verschärften Verhaltenskodex in Karlsruhe gescheitert war, forderte Korrekturen. „Es gibt dringenden Handlungsbedarf“, sagte er dem Tagesspiegel. In seiner jetzigen Form verfehle das Abgeordnetengesetz seine eigentlichen Ziele. Aus den Pflichtangaben gehe weder hervor, ob das Abgeordnetenmandat im Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit von Parlamentariern stehe, noch ob Abgeordnete durch Nebentätigkeiten in der Ausübung ihres Mandats beeinträchtigt würden.
Der Berliner Staatsrechtler Ulrich Battis sieht keine gravierenden Auswirkungen auf die künftige Zusammensetzung des Bundestags durch das Karlsruher Urteil über die Nebeneinkünfte von Abgeordneten. Battis, Juraprofessor an der Humboldt-Universität und in Karlsruhe Prozessvertreter des Bundestags, sagte dem Tagesspiegel: „Ich glaube nicht, dass das Urteil sich wesentlich auf die Attraktivität eines Bundestagsmandats auswirkt.“ Aus einem weiteren Grund, sagt Battis, würden Freiberufler auch in Zukunft ein Mandat nicht zu fürchten haben: „Was muss denn nach dem Urteil schon veröffentlicht werden? Von Vorschriften wie in den USA sind wir doch weit entfernt.“
Der Politikwissenschaftler Peter Lösche plädiert für strengere Regeln: „Der Gesetzgeber sollte dem US-Vorbild folgen und für viel mehr Transparenz sorgen. In den USA ist es selbstverständlicher Teil der politischen Kultur, dass Abgeordnete ihre Einkommensteuererklärung und noch die des Ehepartners veröffentlichen – das ist nicht einmal per Gesetz geregelt“, sagte er dem Tagesspiegel.
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