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Die Sonnenblume, Symbol der Grünen

© dpa

Vor dem Parteitag: Jetzt reden auch die Grünen übers Wetter

Aus Angst vor dem Streit vermeiden die Grünen jede Debatte über den Kurs der Partei. Dafür gibt es Gründe. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Cordula Eubel

Auf ihre Streitkultur waren die Grünen immer besonders stolz. Ob es die leidenschaftlichen Debatten über die Außenpolitik waren, etwa bei der Frage, ob deutsche Soldaten sich am Kosovokrieg beteiligen sollen. Oder die Debatten in der Sozialpolitik, bei der die Grünen sich einen ganzen Parteitag Zeit nahmen, um über das Grundeinkommen zu streiten. Doch gut ein Jahr nach der Bundestagswahl festigt sich der Eindruck, dass die Grünen Angst vorm Streiten bekommen haben.

Vor dem Parteitag an diesem Wochenende in Hamburg bemüht sich die aktuelle Führungsriege, alle Konflikte bereits im Vorfeld zu entschärfen. Auf eine Grundsatzdebatte, wohin die Partei künftig steuern soll, will man sich lieber nicht einlassen. Vermutlich auch, weil die Frage aufkommen könnte, wer denn die Grünen in die nächste Bundestagswahl steuern soll.

Jürgen Trittin als Zwischenrufer

Lange schien es für die Ökopartei ständig aufwärtszugehen. Mit Winfried Kretschmann an der Spitze wurden die Grünen in Baden-Württemberg zu einer Partei, die weit über ihre Stammklientel hinaus Fuß fassen konnte. Umso tiefer war der Fall bei der Bundestagswahl. In der Partei hat er eine Dynamik in Gang gesetzt, die den lange geforderten Generationswechsel an der Spitze mit sich brachte.

Das neue Führungsquartett, bestehend aus den Parteichefs Simone Peter und Cem Özdemir sowie den Fraktionsvorsitzenden im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter, hat allerdings ein Problem: Die Vorgänger sind nicht abgetreten, sie sitzen alle noch im Bundestag. Jürgen Trittin ist offiziell nur noch einfacher Abgeordneter, der ehemalige Spitzenkandidat und aktuelle Buchautor gefällt sich aber sichtlich in der Rolle des Zwischenrufers von der Hinterbank, der die Welt im Zweifelsfall immer noch besser erklären kann als andere. Solange die alte Führungsgeneration weiter offene Rechnungen zu begleichen hat, fällt es auch den Neuen schwer, Tritt zu fassen.

Das Wahlergebnis hat die Grünen verunsichert

Zur momentanen Führungskrise haben die beiden Parteivorsitzenden allerdings auch selbst beigetragen. Mit permanenten Hakeleien nerven Peter und Özdemir inzwischen selbst viele ihrer Parteifreunde. Und zwar nicht, weil diese keine Lust auf leidenschaftliche Debatten über Außen- oder Flüchtlingspolitik hätten. Sondern weil der Eindruck entstand, dass sich die zwei an der Spitze reflexhaft widersprachen und so mit ihrer gegenseitigen Abneigung die gesamte Partei blockierten.

Das schlechte Wahlergebnis hat die Grünen zutiefst verunsichert. Welche Lehren die Partei daraus ziehen will, ist noch nicht klar. Das liegt auch daran, dass in der neuen Führungsriege große Nervosität herrscht. Jede Intervention aus der Partei, jede Forderung nach einer Kursbestimmung, wird dort als persönlicher Angriff verstanden. Dabei wäre mehr Souveränität angebracht. Bei vielen in der Partei gibt es einfach nur die Sehnsucht, sich über die Inhalte auseinanderzusetzen, mit denen die Grünen 2017 in die Bundestagswahl ziehen wollen. Etwas mehr Streit, das hat zumindest die Vergangenheit gezeigt, muss den Grünen nicht schaden.

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