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Ein Mann trägt eine Kippa mit eingearbeiteten israelischen und deutschen Fahnen.

© dpa/Frank Rumpenhorst/Bearbeitung Tagesspiegel

Kampf gegen Antisemitismus: Soll bestraft werden, wer Israels Existenzrecht leugnet?

Schon jetzt können antisemitische Motive strafverschärfend berücksichtigt werden. Der Unionsfraktion reicht das nicht. Sie fordert, den Tatbestand der Volksverhetzung zu ergänzen.

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Antijüdische Äußerungen bei öffentlichen Auftritten oder im Internet können strafbar sein - sie müssen es aber nicht. Die Gerichte entscheiden im Einzelfall.

Braucht es eine Verschärfung? Der Bundestag berät nun einen „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches zur Bekämpfung von Antisemitismus, Terror, Hass und Hetze“ der Unionsfraktion. Sie schlägt vor, den Tatbestand der Volksverhetzung in Paragraf 130 Strafgesetzbuch (StGB) zu ergänzen. Danach soll mit Geldstrafe oder - in schweren Fällen - mit Haft bis zu zehn Jahren bestraft werden, wer „das Existenzrecht des Staates Israel leugnet oder zur Beseitigung des Staates Israel aufruft“. Am 14. Januar gibt es dazu eine Anhörung im Rechtsausschuss.

In unserer Serie „3 auf 1“ legen drei Experten ihre Meinung dazu dar. Alle Folgen von „3 auf 1“ finden Sie hier.


Die Polizei bekommt mehr Klarheit

Es ist unerträglich und nicht hinnehmbar, dass der Hamas-Terrorismus und Antisemitismus hier bejubelt, propagiert und das Existenzrecht Israels öffentlich geleugnet oder zur Zerstörung des Staates Israel aufgerufen wird.

Das Leugnen des Existenzrechts des Staates Israel und der Aufruf zur Beseitigung des Staates Israel muss unter Strafe gestellt werden. Denn wenn wir zu Recht davon sprechen, dass die Existenz und die Sicherheit Israels Teil der deutschen Staatsräson sind, muss sich das auch in unserem Strafrecht widerspiegeln.

Auf meine Initiative haben wir als CDU/CSU-Fraktion bereits einen entsprechenden Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht, mit dem wir unter anderem das Leugnen des Existenzrechts des Staates Israel als Volksverhetzung unter Strafe stellen und der im Januar im Rechtsausschuss mit Experten beraten wird. Mit einer derartigen Reform kann Antisemitismus effektiver und konsequenter bekämpft werden. Die Polizei bekommt zudem mehr Klarheit, wann sie einschreiten kann.  


Weder erforderlich noch nützlich

Der Tatbestand der Volksverhetzung (§ 130 StGB) stellt die Verursachung der Gefahr von Unfriedlichkeit (Gewalt oder Angst vor Gewalt) unter Strafe. Er schützt auch Teile der inländischen und ausländischen Bevölkerung, die durch ihre Definition als Juden abgrenzbar sind.

Die Formulierung „Leugnen des Existenzrechts“ ist unangemessen. Sie knüpft an § 130 Abs. 3 StGB (Leugnung des Holocaust) an, hat damit aber inhaltlich nichts zu tun. Das Bestreiten eines Rechts unterscheidet sich vom Leugnen einer Tatsache fundamental. Entsprechende Äußerungen können schon heute als Volksverhetzung strafbar sein. Außerhalb dieses Rahmens besteht kein Anlass zur Herausstellung einzelner Formulierungen.

Die Variante „Aufrufen zur Beseitigung des Staates Israel“ ist in der ersten Variante bereits enthalten und daher überflüssig. Auch könnte ein solcher „Aufruf“ im Zusammenhang mit langfristigen Konfliktlösungsvorschlägen stehen. Die von der Union geplante Gesetzesänderung wäre daher weder erforderlich noch nützlich.


Ahndung ist auch jetzt schon möglich

Um das Absprechen des Existenzrechts Israels zu bestrafen, bietet das StGB hinreichende Möglichkeiten: Die Billigung von Straftaten, § 140 StGB, wenn ein unmittelbarer Zusammenhang der Äußerung zu den Angriffen der Hamas besteht. Oder die Volksverhetzung, § 130 Abs. 1 StGB, wenn mit der Äußerung zu Hass aufgestachelt oder Gewalt aufgefordert wird.

Zudem wurde die Parole „from the river to the sea“ durch das Bundesinnenministerium als Kennzeichen der Terrororganisation Hamas eingeordnet und deren Verwendung verboten. Das soll die Ahndung als Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen (§ 86a StGB) erleichtern. Ob es strafbar ist, Israel das Existenzrecht abzusprechen, ist jedoch eine Einzelfallentscheidung.

Es kommt dabei auf eine gewissenhafte Interpretation der Äußerung unter Berücksichtigung aller Begleitumstände durch die Strafjustiz an. Es bedarf daher primär einer antisemitismuskritischen Strafjustiz, nicht notwendig einer ausdrücklichen Verankerung des Absprechens des Existenzrechts Israels im StGB.

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